Messer – Die Unsichtbaren

Messer – Die Unsichtbaren

Ich schreibe jetzt hier etwas über die neue Messer-Platte. Sie heißt „Die Unsichtbaren“. Wenn sie sich selbst meinen, stimmt es nicht. Denn wer Messer nicht kennt, muss wohl lange Zeit im Dunkeln getappt haben. Die Platte ist sehr gut.

Ich bin dieser ganzen Musikkritik überdrüssig. Ich will nicht mehr recherchieren müssen und will nicht mehr alles abdecken wollen. Ich will nicht mehr über Hintergründe reden oder Platten in Kontexte einordnen. Ich will sagen dürfen, dass eine Platte schlichtweg gut ist, oder schlecht. Ich will sie einfach bewerten. Ich will schreiben dürfen, was ich sagen will. Das tue ich jetzt: „Die Unsichtbaren“ ist großartig.

Schon das Debütalbum der Münsteraner um Frontmann Hendrik Otremba „Im Schwindel“ stand plötzlich und aufleuchtend im Fadenkreuz. Messer, eine junge Band auf dem This Charming Man-Label, die erstmals auftaucht: Mit purem und ehrlichem Post-Punk und noch purerem und noch viel ehrlicherem deutschen Gesang. Das ist Messer. Ich wollte sie heiraten.

Dann kam die Angst. Ein zweites Album wurde angekündigt und ich las die Vorab-Analyse der Spex. Nunja, Hendrik Otremba wird melodischer, der Bandsound besser. Da ging die Angst. Dann kam ‚Neonlicht‘, die erste Single des neuen Albums, und die Angst war wieder da: Wie bitte?

Jetzt habe ich das Album gehört und ich plädiere dafür, dass dieses Album das wohl beste bekannterweise schwierige „zweite Album“ einer Band ist, das ich seit Ewigkeiten gehört habe. Dieses Album ist schlichtweg unfassbar. Es strotz von Ideenreichtum und vielen kleinen Späßen, die mir nun klarmachen: Messer, ich will euch doch immer noch heiraten.

Jedes Stück sitzt in seinem Kontext, alles scheint zu stimmen. Während Hendrik die Hörer am Anfang noch selber begrüßt und sich zwischendurch sogar selbst Backing-Vocals gibt, wird schon nach der zweiten Single „Die kapieren nicht“, Titelgeber der gleichnamigen Tour, klar, dass wir es hier mit einer der stärksten deutschsprachigen Bands seit Blumfeld zu tun haben. Ach, scheiß auf Blumfeld-Vergleiche. Messer sind einfach revolutionär.

Auch „Neonlicht“ ergibt auf einmal Sinn. Alles macht einen Sinn. Ich gehe auf die Straße und hinterfrage meine Existenz. Dann höre ich „Die Unsichtbaren“ und alles macht einen Sinn. Sogar politische Diskussionen machen auf einmal Sinn. Nicht, weil das Album die Antworten auf alle Fragen gibt. Sondern, weil es entführt und alles andere unwichtig erscheinen lässt. Im-Zug-auf-dem-Weg-zur-verkackten-Arbeit-morgens-mit-dem-Kopf-mitwipp-und-im-Takt-aussteigen-Musik.

„Es gibt etwas“ ist dabei auch noch zusätzlich der Inbegriff eines Hits. Gottverdammt. Ich hasse Hits, aber dieser Song treibt durch die Gitarren (mit coolem Wah-Effekt, also wirklich cool, ohne Ironie oder so), das basale Bassspiel (mit coolem Fill, also wirklich cool, ohne Ironie oder so) und einer Drumspur, die da einfach – verdammt nochmal – hingehört.

Alles gehört irgendwie dahin, wo es ist. Das ist das wohl größte Lob, was man einer Band heutzutage noch machen kann. Hier habt ihr es. Und ich habe fertig.

Liebe Leser, bitte verzeiht mir. Wenn ihr eine ernsthafte, musikalische Analyse des neuen Messer-Albums erwartet habt, dann lest einfach in zwei Wochen nochmal bei Pitchfork nach oder in zwei Monaten bei der Zeit oder hört es euch in zwanzig Jahren nochmal auf dem Plattenspieler eurer Kinder an. Das Ding hier muss Geschichte schreiben. Danke schön. Auf Wiedersehen.

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Von Veröffentlicht am: 12.11.2013Zuletzt bearbeitet: 22.11.2020545 WörterLesedauer 2,7 MinAnsichten: 811Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 1 Kommentar on Messer – Die Unsichtbaren
Von |Veröffentlicht am: 12.11.2013|Zuletzt bearbeitet: 22.11.2020|545 Wörter|Lesedauer 2,7 Min|Ansichten: 811|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |1 Kommentar on Messer – Die Unsichtbaren|

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Über den Autor: Jason Bartsch

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