Mogwai – Rave Tapes

Mogwai – Rave Tapes

Rhetorische Frage: Kennt jemand noch Mogwai? Das ist diese eine Band, die so coole Musik macht, ohne in irgendeiner Form Wert auf Corporate Identity zu legen. Kein Albencover, kein Mogwai-Schriftzug seit Young Team gleicht dem anderen und nichts davon lässt irgendeinen roten Faden erkennen.

Aber gut, die Abwesenheit eines roten Fadens mag auch ein roter Faden sein – und dann gibt’s da ja noch diese verdammt gute Musik. So war der eine oder andere sicher nicht nur gespannt, was denn auf dem legitimen Nachfolger zum grandiosen Hardcore Will Never Die But You Will so zu hören ist – und wie das ganze verpackt ist. Wenn man denkt, man habe von dieser Band schon alles gesehen, kommt das nächste Album daher und straft einen Lügen. Immerhin variieren Mogwai nicht auch noch die Schreibweise ihres Namens und treten analog zu God!speed! You! Black! E!m!p!e!o!r!! (Ausrufezeichen und andere Satzzeichen bitte nach Belieben variieren) unter den Namen Mogwei, Mokwai, Mocvei, Mockwhy (aber nicht Moguai) auf.

So viel steht jedenfalls fest: Rave Tapes kommt am 17.01. mit einem gemeotrischen und… ja, grau-pinken Cover, komplett mit Sechsecken und Augen und Kreisen. Hm. Was sagt man nun wieder dazu? Ich gestehe: Ich mag’s. Auch wenn vermutlich nichts das Coverfoto zu HWNDBYW überbieten kann, natürlich. (Das möchte ich übrigens immer noch in riesig über mein Sofa hängen.) Ach, und: Der Name, der draufsteht, ist tatsächlich nach wie vor Mogwai. Und erneut hat man sich für eine neue Schriftart entschieden.

Dabei verdeutlicht schon der erste Song, dass Mogwai eben auch Mogwai bleiben und nichts anderes. Heard About You Last Night ist ein wundervoll verträumt-entspanntes Stück das eine nahtlose Weiterentwicklung von Les Revenants (ohne Soundtrackcharakter) und den stilleren, weniger tanzbaren Stücken von Hardcore Will Never Die But You Will darstellt. Erneut beweisen die Schotten hier eine Liebe zum Detail und fahren eine großartig verspielte Instrumentalisierung auf. Zumindest die ersten Zweifel, ob es nach Hardcore Will Never Die (als letztes ‚richtiges‘ Album) noch wirklich irgendwohin weitergehen kann oder ob man stagniert, sind zumindest für den Moment aus dem Weg geräumt. Simon Ferocious knarzt dafür erstmal hübsch sequentiell und sequenziert vor sich hin. Erneut: Mogwai sind Mogwai und nix anderes. Remurdered geht in eine ähnliche Richtung, nimmt aber ein wenig mehr Fahrt auf., bevor Hexon Bogon in bekannten Gefilden wildert – und mit knapp zweieinhalb Minuten viel zu kurz ist. Um mit dem Voiceover des darauf folgenden Songs Repelish zu sprechen, möchte man zwar nicht in Unglauben über das gehörte seine Kopfhörer runterreißen (denn das bleibt einzig und allein dredgs letztem Machwerk vorbehalten) – insgesamt wirken die Stücke auf Rave Tapes aber alle ein wenig kurz geraten. Da hätte ein wenig mehr drin sein können. Kaum beginnen die ersten Gitarren zu zischen und zu grooven, ist der Song schon vorbei, bevor man ihn überhaupt lauter drehen konnte. Man stelle sich vor, Mogwai Fear Satan würde vor einem gewissen, immer wieder aufs neue großartigen HOLY-SHIT!-Moment ausblenden.

Stattdessen scheint man auf diesem Album eher der Meinung zu sein: Weniger ist mehr. So auch beim bis darauf durchaus guten Stück Mastercard. Bei Mogwai wär’s hier ‚früher‘ noch zehn, fünfzehn Minuten weiter gegangen und man hätte sich kaum auf den Beinen halten können vor Begeisterung. So ist’s aber immer noch ein guter, kein überragender Song. Früher war alles besser, mimimimimi.

Aber a propos früher: Blues Hour, das leider schon drittletzte Stück, reiht sich mit seinem Gesang (JA, GESANG! HOLY SH*T!, wenn auch anders) ein neben die seltenen nicht-instrumentale Songs der Bandgeschichte wie Dial:Revenge – und macht ein gutes Gesicht. No Medicine For Regret und The Lord Is Out Of Control schlagen stimmungstechnisch in eine ähnliche Kerbe, auch wenn auf dem letzten Stück dann der mogwaitypische Vocoder doch endlich zum Einsatz kommt. Schade, die bei Veröffentlichung von The Lord Is Out Of Control zumindest meinerseits geäusserte Hoffnung auf lautere Passagen mit mehr Gitarren oder zumindest ein wenig Rano-Pano-Batcat-Wucht wurde nicht erfüllt.

Dabei wünscht man sich trotz aller Elektro-Anleihen und stilleren Passagen, die natürlich mogwaigemäß gut funktionieren, aber doch so sehnlich wieder ein wenig klassische Mogwai-Gitarren und mehr Dynamikwechsel – ein Meisterwerk wie Mogwai Fear Satan (oder Helicon, aber die Zeiten sind wohl leider eh vorbei) vermisst man dann doch ein wenig schmerzlich. Denn wenn Mogwai in ihrer gesamten optischen und musikalischen Stilvielfalt und Unberechenbarkeit eins waren, dann abwechslungsreich und dynamisch. Wirklich leiser oder lauter wird Rave Tapes an kaum einer Stelle. Was aber auch fehlt: Mehr Vocoder. Hallo? Mogwai? Nur im letzten Song Vocoder? Was soll das denn? [man denke sich hier ernstgemeinte Entrüstung meinerseits]

Wie dem auch sei: Alles klingt leider doch ein klein wenig zu ähnlich und kommt irgendwie nicht richtig in Fahrt, ohne dabei für sich genommen schlecht zu klingen. Auf Albumlänge wäre hier aber sowohl innerhalb der Songs als auch untereinander mehr Abwechslung nicht verkehrt gewesen. Grandiose Entwicklung, wie man sie erwarten würde, gibt es innerhalb der Songs leider nicht. Sicher werden hier aber auch einige Fanfavoriten entstehen, wenn schon keine sofortigen Klassiker. Trotzdem klingt alles nach Mogwai und das ist auch gut so. Ausserdem kann sich jeder Anfang 2014 selbst davon überzeugen, ob die Songs live funktionieren und wie gut sie sich mit den (hoffentlich!) gespielten anderen Klassiker aus inzwischen siebzehn Jahren Bandgeschichte vertragen.

1 Heard About You Last Night
2 Simon Ferocious
3 Remurdered
4 Hexon Bogon
5 Repelish
6 Master Card
7 Deesh
8 Blues Hour
9 No Medicine For Regret
10 The Lord Is Out Of Control

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Von Veröffentlicht am: 26.12.2013Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018944 WörterLesedauer 4,7 MinAnsichten: 869Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , , , , 1 Kommentar on Mogwai – Rave Tapes
Von |Veröffentlicht am: 26.12.2013|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|944 Wörter|Lesedauer 4,7 Min|Ansichten: 869|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: , , , , |1 Kommentar on Mogwai – Rave Tapes|

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Über den Autor: Robin Aust

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