Burial – Rival Dealer

Burial – Rival Dealer

Die Top-Alben 2013 stehen fest, allerorts kann man sich durch Listen und Rankings durcharbeiten und die Highlights 2013 Revue passieren lassen. Und doch werden sich nun die meisten wohl auch ziemlich ärgern. Burial’s gerade erschienene EP „Rival Dealer“ macht dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung. Ein großartiges Album, das in gewisser Hinsicht einen neuen, weiterentwickelten Burial zeigt, wohl aber nicht mehr in den Top 2013 auftauchen wird. Das Positive daran: „Rival Dealer“ entledigt sich des zeitlichen Index und bleibt zeitlos gut!

Fakt ist: Burial macht verdammt gute Musik. Fakt ist aber auch: Burial bietet mehr als reinen Hörgenuss. Vielmehr kreiert er, vermittelt durch das Medium der Musik und die Art und Wiese, wie er seine Sounds zusammenbastelt, ganz eigene, futuristische Welten, in die man eintauchen und in denen man sich gefühlsbeladen treiben lassen kann. Welten, in denen gesichtslose Gestalten mit unscharfen Konturen gleich Irrlichtern umherirren, in denen die Luft zum Atmen von einer bedrückenden Schwermütigkeit durchsetzt ist. Mit seiner neuen EP „Rival Dealer“ verschafft uns Burial einen weiteren Zutritt, eine neue Erfahrung, sich dem post-apokalyptischen Traum hinzugeben. In der Welt von „Rival Dealer“ finden wir brüchige Identitäten, die auf der Suche sind nach dem eigenen, glücksversprechenden Platz in einer Welt, die nur starre Kategorien kennt und die wie eine Zwangsjacke übergezogen werden muss, möchte man irgendwie in ihr zurechtkommen. Es geht um Liebe, Sexualität, das Wissen um sich Selbst und die damit verbundene Furcht, dass die Entwicklung der eigenen Selbstvorstellung durch die Kategorienzwangsjacke unterbunden wird. Und plötzlich wird klar, dass Burial uns ausgetrickst hat, dass „Rival Dealer“ kein Tor zu einer mysteriös-metaphysischen Welt darstellt, sondern vielmehr mit einem Placebo-Effekt aufwartet und uns in die eigene Welt eintreten lässt.

„Rival Dealer“ als eine EP, die aus drei Tracks besteht, zu beschreiben, würde dem Ganzen nicht gerecht. Vielmehr müssen die 28 Minuten und 39 Sekunden, die auf einen zukommen, als Gesamtwerk betrachtet werden. Innerhalb der Songs gibt es Brüche, Verschiebungen und Verweise auf später Folgendes oder bereits Gehörtes. Sowieso ist Burial mit gewöhnlichen Kategorien nicht beizukommen. Seine konsequent durchgehaltene Anonymität, von der man nur weiß, dass es sich um einen gewissen Will Bevan handelt und dass die Live-Sets von Kode9 performt werden, gepaart mit der Schwierigkeit, seiner Musik mit irgendwelchen Genre-Etiketten oder Neologismen gerecht zu werden, hat sich insbesondere seit „Untrue“ zu einem regelrechten Kult entwickelt. Post-Dubstep, Jungle, Garage, Future Bass, Ambient und was es sonst noch so alles gibt. Von allem finden sich Spuren, doch schafft es Burial wie kaum ein anderer, einen eigenständigen Sound zu entwickeln und das Gefühl zu vermitteln, dass diese ganzen Stilzuschreibungen in seinem Fall äußerst unpassend sind.

Burial bedient sich wieder allerlei R’n’B Vocals, lässt diese aber stärker als bisher sehr viel klarer hervortreten. Beim Opener „Rival Dealer“ verwächst die sich wiederholende Gesangslinie „I’m gonna love you more than anyone“ mit einem dreckigen, industrialgefärbten Drum’n’Bass Beat, unterfüttert mit verschiedensten Geräuscheinspielungen und Vocal-Samples. Entwickeln tut sich daraus eine stark antreibende, düstere Dynamik um dann doch abrupt unterbrochen zu werden und in einer gefühlsvollen Klanglandschaft zu münden. „Hiders“ nimmt die Besinnlichkeit, die zum Ende vom Opener eröffnet wurde, auf und ermöglicht dank 80’s Synthesizerklängen ein kurzes und überraschendes Intermezzo mit Space-Pop-Gefilden, ohne diese jedoch vollends auszuleben. „Come Down to Us“ lässt den Hörer nun restlos zur Ruhe kommen. Sitarklänge, fast schon kitschiger Gesang, Glockenklänge und ein schwerfälliger Beat entwickeln eine leicht weihnachtliche Stimmung, wenn diese auch entgegen der Assoziationen doch viel düsterer daherkommt. Stark verfremdete Sprachsamples und Metal-Gear-Solid durchtränkte Sounds verleihen dem Ganzen schließlich den typisch-futuristischen Burial-Sound. Das Album endet mit Lana Wachowski und einem kurzen Ausschnitt aus ihrer Rede, die sie im Rahmen einer Human Rights Campaign gehalten hat. „… I find the courage to admit that I am transgendered, and that this does not mean that I am unlovable“. Über die ganze EP verteilt finden sich Sprachfetzen, die genau diese Zerrissenheit thematisieren. „Who are you?“, „Excuse me, I’m lost“ oder „Sometimes you’re trying to find yourself“ sind hierbei nur einige Beispiele. Burial’s „Rival Dealer“ Welt ist eine Welt, die sich an die Ausgegrenzten und Unzugehörigen richtet; ein politisches Statement, das so dosiert, in seinen bisherigen Veröffentlichungen nicht zu finden ist.

Burial ist und bleibt an Mysterium, an dem sich viele Musiker ordentlich abgearbeitet haben. Insbesondere die Entwicklung im elektronischen Bereich, mit seinen neuartigen Produktions- und Arrangementtechniken, lassen sich nicht ohne Bezug auf Burial verstehen. Mit „Rival Dealer“ liefert der große Unbekannte ein letztes und großes Highlight 2013.

01 Rival Dealer 10:45
02 Hiders 4:42
03 Come Down to Us 13:06

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Von Veröffentlicht am: 19.12.2013Zuletzt bearbeitet: 01.02.2019790 WörterLesedauer 4 MinAnsichten: 814Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , , , 0 Kommentare on Burial – Rival Dealer
Von |Veröffentlicht am: 19.12.2013|Zuletzt bearbeitet: 01.02.2019|790 Wörter|Lesedauer 4 Min|Ansichten: 814|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: , , , |0 Kommentare on Burial – Rival Dealer|

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Über den Autor: Marc Michael Mays

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