Opeth – Pale Communion

Opeth – Pale Communion

Für den wunderbar organischen und glasklaren Sound des Albums war übrigens ein gewisser Steven Wilson zuständig, seines Zeichens langjähriger Weggefährte und Produzent der Band. Dieser meinte vor Kurzem, „Faith In Others“ sei der beste Song den Mikael Akerfeldt bisher geschrieben hat. Das lassen wir mal so stehen. Ich jedenfalls habe zum Abschluss ob des brennenden Christbaums eine Träne verdrückt. Opeth erweisen sich für mich mit „Pale Communion“ einmal mehr als verlässliche Überbringer der Weihnachtsgeschenke.

Manche Bands verfolgen einen ja bis ins Grab und lassen einen das ganze Leben nicht in Frieden, vorausgesetzt man behält sein Gehör und findet nicht, dass Klassik hören unweigerlich zu einem gepflegten Lebensstil ab dem 40. Lebensjahr gehört. Eine dieser Bands ist für mich Opeth. „Ghost Reveries“ ist noch immer mein unbestrittenes Lieblingsalbum aller Zeiten. Die neun anderen Alben der Top 10 rotieren dauerhaft, werden verdrängt und auch wieder mal vergessen.

Dementsprechend freue ich mich über ein neues Opeth Album immer wie ein Kind am Weihnachtstage auf das Christkind. Der 22.08.2014 war für mich also wieder mal Weihnachten. Und da in meinem Fall Weihnachten nur ca. alle drei Jahre auf einen beliebigen Tag fällt, habe ich mich schon dementsprechend gefreut.

Im Vorfeld war ja bereits, wieder so Einiges zu hören. Das neue Album würde sich wieder härter anhören, aber irgendwie anders härter. Es solle eine logische Fortsetzung zum Vorgänger „Heritage“ sein. Logisch? Opeth? Im Endeffekt wissen einen die fünf Schweden, immer wieder zu überraschen. Aber ja, wenn man die Entwicklung der Band längerfristig verfolgt, ist die Ausrichtung von „Pale Communion“ irgendwie logisch. Insofern sind die nörgelnden Fans, die sich eine
Rückbesinnung zu den Death Metal Roots der Band wünschen, das einzig Unlogische an der ganzen Sache.

„Eternal Rains Will Come“ eröffnet also das elfte Opeth’sche Album und mein Weihnachten. Während der Titel ebenso auf dem Debüt „Orchid“ zu finden sein könnte, offenbart sich im Musikalischen ein Quantensprung. Statt depressivem Black-/Death Metal wie anno dazumal werden im Opener die 70er Jahre zelebriert, als müsste man diese davor bewahren, in kollektive Vergessenheit zu geraten. Auf der Sonnenseite des Lebens befindet man sich im stimmungsmäßig aber immer noch nicht. Obskure Breaks, dominante Keyboards und ein mehrstimmiger, sehr eingängiger Refrain zeichnen diesen Song aus.

Nachfolgend kommt die Single-Auskopplung „Cusp Of Eternity“. Wäre ich vor wenigen Tagen noch verleitet gewesen, zu behaupten, dass Opeth mit diesem Track ihre Tradition fortsetzen, eher schwache Songs vorab auf die Menschheit loszulassen, muss ich dies nun zumindest teilweise revidieren. Denn – siehe da – die Spitze der Unendlichkeit hat mir mittlerweile ihre Schokoladenseite präsentiert. Als Backing für das schöne Gitarrensolo von Fredrik Akesson wird mal eben ein Riff verheizt, um das sich bei anderen Bands ein ganzer Song drehen würde. In Verlegenheit besserer Vergleiche: „R.E.M.“ meets „Whitesnake“.

Der kompositorische Wahnsinn in Gestalt eines Rocksongs muss dann wohl „Moon Above, Sun Below“ sein. Unbegreifliche Übergänge, floydesque Sprachsamples und Hippie-Chöre dominieren das Geschehen und die Anzahl an unterschiedlichen Parts muss sich wohl im mittleren zweistelligen Bereich bewegen. Ich habe soeben den ersten Schokotannenzapfen vom Christbaum gepflückt und verspeist.

Ein wunderschöner Übergang und „Elysian Woes“ gönnen einem eine dringend benötigte Verschnaufpause und die Neuronen im Gehirn können sich dank eines geradlinigen Songaufbaus wieder in den richtigen Laufbahnen einfinden. Einlullende Blues-Melodien und ein synchrones Fundament aus Bass und Schlagzeug erinnern an das umjubelte, ruhige Opeth Album „Damnation“ und laden ein, zu träumen.

Aus den Tagträumen gerissen wird man von „Goblin“, das man wohl tatsächlich nur als eine Hommage an alle Psychedelic-, Prog- und Krautrockbands der 70er Jahre verstehen kann (wenig überraschend ist „Goblin“ auch der Name einer ebensolchen italienischen Band). In diesem jazzigen Instrumental-Song werden Takte auseinander genommen und wieder zusammengebaut. Ich habe quasi das Geschenk mit dem Lego unter dem Christbaum gefunden.

Die drei letzten Songs bilden das Herzstück des Albums und dieses beginnt mit „River“. Diese Quintessenz besteht aus einem unglaublichen Gespür fur Melodien. Etwas, das insbesondere die mittleren Werke der Band ausmachte und auf Nachfolgern stellenweise vermisst wurde. Akustische Gitarren spielen auf Opeth Alben bekannterweise seit jeher eine prominente Rolle, aber solche, die in Richtung Country gehen, sind mir bis jetzt noch nicht untergekommen. Sie fügen sich ins
Gesamtbild ein, wie sollte es auch anders sein. Dieser distinkte, warme Sound, den nur Mikael Akerfeldt genau so aus einer Gibson Les Paul bekommt, schmeichelt einem um die Ohren. Der psychedelische Orgelsound schraubt sich in luftige Höhen, nur um einen im nächsten Moment dort oben mit dem Weltuntergang alleine zu lassen. Ein rosarotes Einhorn mit einem Punk im Sattel reitet an einem vorbei. Doch irgendwie ergibt das alles Sinn.

Es folgt „Voice Of Treason“ und somit die Familienerweiterung der Instrumente im Hause Opeth um verschiedene Kinder aus dem Streichinstrumentensektor. Dazu darf natürlich dann auch noch ein Banjo nicht fehlen, klare Sache. Das Ganze hört sich sehr orchestral und irgendwie tanzbar an. Lautmalerisch werden einem Salsa tanzende Vampire in die Gedankenwelt gesetzt. Akkordfolgen, die so auch auf dem Band-Meilenstein „Blackwater Park“ sein könnten. Grandios. Ich öffne
wie ein Wilder alle meine Weihnachtsgeschenke, bei dem Tohuwabohu beginnt, der Christbaum zu brennen, aber es macht nichts, denn die Euphorie ist zu groß!

Den Schlusspunkt setzt „Faith In Others“. Wie sich zeigt wurden die Streicher endgültig adoptiert. Flöten und Violinen verdichten sich zu Klanglandschaften und man wähnt sich in einem Film der Cohen-Brüder, für den Opeth den Score geschrieben hätten. Die Melodien sind passenderweise ganz großes Kino. Über all dem trohnt die wunderbare Stimme von Mikael Akerfeldt. Neben vielen guten Sängern, gibt es noch diese Stimmen… Sie wissen zu berühren, haben dieses charakteristische Etwas und sind für die Ewigkeit. Neil Young, Tom Waits, Mikael Akerfeldt. Yes, I just did that. In den ruhigen Momenten gehört Akerfeldt einfach zu diesen unglaublichen Geschichtenerzählern.

Für den wunderbar organischen und glasklaren Sound des Albums war übrigens ein gewisser Steven Wilson zuständig, seines Zeichens langjähriger Weggefährte und Produzent der Band. Dieser meinte vor Kurzem, „Faith In Others“ sei der beste Song den Mikael Akerfeldt bisher geschrieben hat. Das lassen wir mal so stehen. Ich jedenfalls habe zum Abschluss ob des brennenden Christbaums eine Träne verdrückt. Opeth erweisen sich für mich mit „Pale Communion“ einmal mehr als verlässliche Überbringer der Weihnachtsgeschenke. Es scheint, als ob das Quintett 2014 musikalisch ein und dieselbe Vision hätte und das Gefüge exakt aufeinander abgestimmt wäre. Martin Axenroth und Martin Mendez an Schlagzeug und Bass etwa grooven, was das Zeug hält. Und das in synkopischen und polyrhythmischen Fährgewässern ungerader Taktarten. Chapeau.

An Neuigkeiten zu bieten, haben Opeth, wie bereits erwähnt, Streicherarrangements. Es werden vermehrt mehrstimmige, chorähnliche Gesänge beschwört und allgemein kann dem Album ein etwas ausgeprägterer Hang zum Pathos nicht abgesprochen werden. Für die Höchstnote hätte man für mich genau einen Song außen vorlassen sollen und der heißt „Goblin“. So spannend diese Nummer an und für sich ist, sie zerstört den Fluss des Albums ein bisschen. Leider ist es eine
Angewohnheit von Akerfeldt auf Opeths Alben verschiedene, klar erkennbare Huldigungslieder zu packen, die den jeweiligen Alben nicht gut tun. So auch zu hören etwa auf Heritage mit „Slither“. Die perfekten B-Seiten an den falschen Stellen.

Jedoch auch ohne die Höchstnote zu vergeben: Musikliebhabern aller Himmelsrichtungen und Musikern vom Banjo-Azubi bis zum Dirigenten empfehle ich uneingeschränkt den Kauf von „Pale Communion“. Dosis: Unendlich. Oder wie Opeth sagen würden: „Eternal Dose.“

P.S.: Wem ist aufgefallen, dass ich kein einziges Mal über Death Metal Vocals gesprochen habe?

01 Eternal rains will come
02 Cusp of eternity
03 Moon above, sun below
04 Elysian woes
05 Goblin
06 River
07 Voice of treason
08 Faith in others

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Von Veröffentlicht am: 01.09.2014Zuletzt bearbeitet: 02.12.20181335 WörterLesedauer 6,7 MinAnsichten: 876Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , , , , 1 Kommentar on Opeth – Pale Communion
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Über den Autor: Sebastian Goetzendorfer

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