Laibach – Spectremix

Laibach – Spectremix

Durch die komplett unterschiedlichen musikalischen Hörerlebnisse ist „Spectremix“ eine interessante Ergänzung zum 2014er-„Spectre“-Album. Die Hörer sind allerdings gut beraten, wenn sie das zugrunde liegende Album mindestens ein bisschen kennen.

Ungefähr zur Jahreswende im Berghain. Am frühen Abend ertönen Klänge, die mir irgendwie bekannt vorkommen: der DJ spielt „Eurovision“ von LAIBACH. Nun ist die slowenische Band mit dem berühmten Club nicht unkomptatibel – immerhin waren LAIBACH vor gar nicht so langer Zeit zum Konzert am gleichen Ort: dem Main-Floor des elektronischen Tempels. Zum allnächtlichen und -täglichen Techno-Setting passt das Lied nicht unbedingt, von der Stimmung her kommt es allerdings prima rüber. Nach dem etwas überraschenden Intermezzo legt Marcel Dettmann auf. Wenige Wochen später gibt es Neuigkeiten, bei denen sich der Zusammenhang erschliesst.

Die slowenische Band LAIBACH besteht seit 1980, gegründet fast zeitgleich mit der Berliner Truppe EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN. Im Grunde genommen ist es mehr ein Kunstprojekt als eine Band und wird zudem als Kollektiv gesehen.

Nachdem LAIBACH in den ersten Jahren für Irritationen sorgte (ist die Band rechts? Oder kommunistenisch? Was will sie mit den teilweise kryptischen Texten, den eigenartigen Cover-Versionen und mit dem virtuellen NSK-Staat aussagen?) hat sich dies seit ungefähr dem Jahr 2000 gelegt. Ein Grund dafür könnte sein, dass die (westliche) Welt inzwischen komplett durchironisiert ist, womit LAIBACH eine wirkungsvolle…nun ja…Waffe aus der Hand genommen wurde, da sich die Band nie an kommerziellen Gesichtspunkten orientierte und stets im Widerspruch oder zumindest in kritischer Reflexion zu gängigen Normen verhielt.

Insbesondere beim letztjährigen Album „Spectre“ wurden deutliche Worte zur Lage der politischen und wirtschaftlichen Welt gewählt: es ist kaum noch etwas verschlüsselt, Ironie tritt in den Hintergrund. Das Hauptthema der Platte dürfte Europa sein: die Lieder handeln unter Anderem von Flüchtlingspolitik und der Selbstsicht des Kontinents, aber auch ein Gassenhauer namens „The Whistleblower“ ist mit an Bord, sowie eine Wall-Street-Abrechnung mit dem Namen „No history“. Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass sämtliche Lieder neu sind, während frühere Alben zumindest teilweise („Opus Dei“) oder komplett aus Bearbeitungen von bereits bekanntem Material („Nato“, „Volk“) bestanden.

Nachdem LAIBACH mit einer neu gegründeten Partei im Gespräch waren und den Soundtrack zum Sci-Fi-Trash-Film „Iron Sky“ beisteuerten (die Fortsetzung ist gerade in Arbeit) ist jetzt ein Remix-Album zu „Spectre“ erschienen. Schon immer gab es interessante Mixe und Bearbeitungen von LAIBACH-Tracks. Davon sind zum Beispiel etliche auf der Hit-Sammlung „Anthems“ zu hören: die zweite CD besteht aus Remixen anderer Künstler. Auf „Sprectremix“ werden nun neun Tracks dargeboten, wobei das Spektrum von raiotauglich und leicht verändert bis hin zu düsterem Techno und relativer Verfremdung des Original-Materials reicht.

Nun kommen wir auf die Einleitung zurück: interessant an „Spectremix“ ist unter Anderem die Teilnahme von Berghain-Resident Marcel Dettmann, der sich gleich zwei Tracks vorgeknöpft hat: „Whistleblower“ und „Eurovision“, beides Singles vom Album. Der erste Mix kann durchaus im DJ-Set laufen, denn jeglicher Gesang wurde entfernt, dafür sind düster schleifende Loops sowie härtere Beats beigefügt. Eher überraschend bleibt „Eurovision“ soundmässig relativ nah am Original. „Whistleblower“ ist in einer weiteren Version von Diamond Vision (Mute-Labelkollegen von LAIBACH) enthalten. Diese ist von den ersten Taken an zu erkennen, wobei sich einige neue Dub-Elemente gut einfügen. Die fluffige Techno-House Version von „Koran“ könnte aufgrund der Ohrwurmtauglichkeit auch im Formatradio laufen. LAIBACH´s musikalischer Weggefährte iTurk hat hier den zugänglichsten Mix des Albums beigesteuert. Der slowenische Produzent Gramatik hat sich „Eat Liver!“ vorgenommen und aus dem schnellen und hektischen Album-Track ist ein swingendes Lied geworden, bei dem sich auf dem Stuhl oder Sessel mitwippen lässt.

Durch die komplett unterschiedlichen musikalischen Hörerlebnisse ist „Spectremix“ eine interessante Ergänzung zum 2014er-„Spectre“-Album. Die Hörer sind allerdings gut beraten, wenn sie das zugrunde liegende Album mindestens ein bisschen kennen.

Laibach – Spectremix
01. Eurovision (Torul remix)
02. The Whistleblowers (Marcel Dettmann remix)
03. The Whistleblowers (Diamond Version remix)
04. Koran (Alex Smoke remix)
05. Eat Liver! (Gramatik remix)
06. Resistance Is Futile (Function remix)
07. Koran (iTurk remix)
08. We Are Millions and Millions Are One (Konstantin Sibold remix)
09. Eurovision (Marcel Dettmann remix)

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Von Veröffentlicht am: 31.03.2015Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018698 WörterLesedauer 3,5 MinAnsichten: 867Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , , , 0 Kommentare on Laibach – Spectremix
Von |Veröffentlicht am: 31.03.2015|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|698 Wörter|Lesedauer 3,5 Min|Ansichten: 867|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: , , , |0 Kommentare on Laibach – Spectremix|

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Über den Autor: Nico Kerpen

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