KRITIK: Daufødt – Aromaterapi

KRITIK: Daufødt – Aromaterapi

Aromaterapi von Daufødt adle ich gleich zu Beginn meiner Rezension zur abgefahrenen und wildesten Platte die jenseits der Nordsee, umringt vom Europäischen Nordmeer, in der zweiten Jahreshälfte 2022 veröffentlicht wurde.

Übersetzen wir uns ihren Bandnamen ins Deutsche, können wir nach dem angepissten Intro zu Spy Blood & direkt attestieren, hier wird uns genau das Gegenteil serviert, denn die vier Norweger:innen hauen uns ein kurios tosendes und donnerndes, lebendiges Horn, gefüllt mit allerlei krachend losbratenden Soundcollagen und entfesselten Gesang vor den Latz.

Wörter wie Pop und Romantik werden hier mehr als ganz klein geschrieben und da wo eben noch Waldmeister und Maiglöckchen wucherten, stehen nachdem Daufødt vorbeigezogen sind nun Eschen und Birken in deren Baumrinden, Fragmente von in norwegisch verfassten Texte über physische Grenzüberschreitungen eindrucksvolle Spuren hinterlassen haben. Musikalische Grenzen werden hier nicht nur überschritten, nein, sie werden eingerissen und im zweiten Anlauf ordentlich plattgewalzt. Härter ist das zweite Album innerhalb von zwei Jahren ausgefallen und Daufødt sind verdammt nochmal wütender, furioser denn je.

Eine so schroffe, kaputt gespielte Einleitung wie sie zu Beginn von Spy Blood & uns das Fürchten lernen will, hörte ich schon länger nicht mehr und sie friert dir direkt die Fingerkuppen ein, denn Sängerin Anne Unika Verdal Homme faucht fies mit allerlei Hall auf der Stimme, begleitet von vertracktem Zeitlupen-Schlagwerk, grummelndem Bass und zuhauf austeilenden Feedback-Gitarrenriffs heiser drauflos. Womit jetzt niemand rechnen würde, Gitarrist Erik Albrethsen Reithaug leitet den Aha-Effekt ein, kombiniert das anfängliche Chaos mit einem treibenden Riff und es geht noch unheilvoller die Post ab. Unvorstellbar wie gut doch eine gute Dosis Raw-Punk mit Black-Metal-Attitüde, norwegischen Texten und nihilistisch, ansteckendem No-Noise Hand in Hand gehen kann, aus denen immer wieder dissonante Riffs und Freak-Beats geschüttelt werden.

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Knekken is coming up next und erfuhr bereits in der News-Sektion seine ausführliche Abhandlung, stellt die Gegenthese auf, wir können auch wie ein Flummi über den Boden tanzen, hüpfen wie auf Wolken aus Watte und landen, ob wir es wollen oder nicht den ultimativen, nur minimal, radikal klingenden Slow-Motion-Dancefloor-Absacker.

Der vierte Track ist nach zwei Sekunden bereits zu Ende, kommt mit genau acht Wörtern aus und kann mich erinnern, dass Napalm Death auf einer absolut kuriosen Veröffentlichung auch schon einen Song mit ähnlich opulenter Spielzeit von nur 2 Sekunden zustande brachten, der da You Suffer hieß.

Ein Wunder, das Annikas Stimme während laufendem Marerittet nicht schlagartig verstummt, da sie noch heisere Töne aus ihren Stimmbändern heraus holt dessen musikalischer Hintergrund an Intensität kaum zu toppen ist. Die Geschwindigkeit bleibt somit hoch und kaum glaubhaft zu erklären, sind Eriks Gitarrensaiten derzeit noch funktionstüchtig, aber eine Menge kratzende Effekte liegen anscheinend auch über dem Schlagwerk, wo einzig und allein Bassist Eskilo Myrvoll unverzerrt zu Gange spielt, bevor Schlagzeuger Mads Antonsen Gerzic erneut in einen Chaos-Part übergeht.

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Nachdem wir die Noise-Collage Verkdags überstanden haben, rutscht uns Aromaterapi, zumindest teilweise etwas in eine Erholungspause über den Rücken, bevor gen Ende das wohl dosierte Chaos regiert.

Rückkopplungen und entgegengesetzt laufende Schleifen gehen in rockende, groovige Parts über und finden in durchgeknallten Geräuschentwicklungen ihre Entladung.

Treffendes Beispiel hierfür liefert blijævlastygg.no dessen ankommende bedrohliche Stimmung in eine Welle von schiefen Riffs und verqueren Tönen kippt ohne zu verstören und zu gleichen Teilen im Outro Amphetamine Records mit Touch & Go-Sounds kollidiert.

In die B-Seite geleitet uns die Dødsangst mit Casio-Elementen, mündet in eine knapp 66 Sekunden langen Abfahrt ohne aus der Puste zu geraten und ihre offensiv eingestellte, irrsinnige Rhythmus-Sektion kennt schier kein Zurückstecken.

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Trotz aller musikalischer Komplexität und dem hohen Energielevel schaffen Daufødt es spielend in der Spur zu bleiben, geizen nicht mit Abwechslung und verlieren sozusagen nicht ansatzweise den roten Faden.

Stünden die vier Norweger:innen im Vorprogramm der Amyl And The Sniffers auf den selben Bühnenbrettern, sollten ihnen schon 10 Minuten vollkommen ausreichen um den Holzboden zu Spänen zu pulverisieren, ohne dass die aktuell sehr poppig klingenden Headliner aus Australien auch nur einen einzigen Ton von sich geben konnten.

B´Last, Flipper, Black Flag, die frühe Touch & Go Records-Schule und alter norwegischer Hardcore wie er Anfang der achtziger geschustert wurde, treten eher in den Reigen musikalischer Vorbilder ein, als Blondie, Avengers oder X-Ray Spex (ohne die Qualität der drei letztgenannten in Frage stellen zu wollen) und nach zwei weiteren Tracks jammen sich die Musiker:innen durch das fast instrumentale, mit etlichen Ur-Schreien Annikas bestückte, elfminütige Idealtid. Bestes Beispiel für den Einfluss der lokalen Wegbereiter:innen wird uns mit einer Interpretation des Fader War-Songs Religøs Terror am Ende des Albums veranschaulicht und schön nihilistisch geht Aromaterapi zu Ende.

Im November sind Daufødt in Dänemark und Norwegen unterwegs um Konzerte zu spielen und nächstes Jahr sollten sie ruhig mal hierzulande auch die Balken mindestens zum biegen bringen.

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Von Veröffentlicht am: 18.10.2022Zuletzt bearbeitet: 18.10.2022874 WörterLesedauer 4,4 MinAnsichten: 611Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on KRITIK: Daufødt – Aromaterapi
Von |Veröffentlicht am: 18.10.2022|Zuletzt bearbeitet: 18.10.2022|874 Wörter|Lesedauer 4,4 Min|Ansichten: 611|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on KRITIK: Daufødt – Aromaterapi|

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Über den Autor: Nico Pfueller

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