Nick Drake – Pink Moon [KLASSIKER-Review]

Nick Drake – Pink Moon [KLASSIKER-Review]

Pink Moon von Nick Drake wird, am 25.02.2022, 50 Jahre alt.

Musik schreibt im Laufe der Zeit immer wieder ihre eigenen traurigen Geschichten. Ausbleibender kommerzieller Erfolg, angeborene Depressionen, egozentrische Charakterzüge, langjähriger Drogenkonsum, oder auch Hadern mit dem eigenen Dasein, scheinen seit jeher immer wieder Musiker:innen auch auf dunkle, negative Weise vereinnahmen zu können. Für Betroffene erscheint der Freitod der letzte Ausweg aus einer extremen Situation zu sein, aber auch die Verknüpfung tragischer Umstände mündete in der Vergangenheit des öfteren in einem Nachruf.

Der sogenannte Club 27 vereint Persönlichkeiten wie Janis Joplin, Jimi Hendrix oder auch Jim Morrison, Leadsänger von The Doors, die mit 27 Jahren viel zu früh verstarben.

Aber auch etwas unbekanntere, nicht minder geniale Songschreiber der amerikanischen Folkmusik sollten schicksalhafte Figuren verkörpern. Besonders hierbei erwähnt seien Tim Buckley, Vater von Jeff Buckley der nach dem Konsum von unverschnittenem Koks 1975 verstarb und Townes Van Zandt, der infolge eines Herzinfarktes, bedingt durch eine schwere Hüftoperation nur 52 Jahre alt wurde. Rund 14.307 Meilen entfernt, wird am 19.06.1948 Nick Drake als Nicholas Rodney Drake in Rangun (Burma) geboren. Bereits in der Schulzeit entdeckt der schlaksig daherkommende, schüchtern und unsicher agierende Nick die Gitarre für sich und widmet sich der Folkmusik. Die Tradition der britischen Folklore reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück und mit Beginn der sechziger Jahre hielten moderne Einflüsse und Strömungen stetig Einzug und auch die Form des Folk aus Übersee hinterließ ihre Spuren. Schon 1968 ergatterte Drake einen der heißbegehrten Plattendeals im Mainstream-Kosmos der ein Jahr später sein Debüt Five Leaves Left nach sich zieht. Ungewöhnlich für ein reines Folkalbum wurden auf seinem Erstling Kontrabass, Vibraphon, Congas und Violoncello eingearbeitet. Alle der zehn vertretenen Kompositionen wurden von ihm selbst geschrieben, von Joe Boyd produziert und Toningenieur John Wood, der auch sein finales, drittes Album produzieren würde, richtete seine Skalen ultimativ auf diese eigenwillige Mischung aus Kammermusik und Folk aus. Kommerziell wurde diese Sammlung an feinnervigen Liedern ein absoluter Schlag ins Wasser, dem erst Jahre später größere Aufmerksamkeit zu Teil werden würde.

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Die Kritiken fielen zwar allgemein gut aus, aber eine gute Rezension geht bekanntlich nicht gleichberechtigt mit hohen Verkaufszahlen einher. Sträflich wurde das Album flächendeckend übersehen und der sowieso schon Bühnen scheue und nicht überzeugte Live-Musiker sah sich mit ausbleibenden Erfolg konfrontiert, an dem auch sein zweites Album nicht viel ändern sollte.

Lag es an seinem eher gehauchten Gesang eines Jünglings, fehlte die zu Zeiten des Vietnam-Krieges vorherrschende Protest-Note in Texten und Musik oder war er einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Irgendwie beschreibt das dazugehörige Artwork diesen Umstand ganz gut. Nick Drake schaut darauf anscheinend unverstanden und ratlos aus dem Fenster, nachdem er seiner Schwester Gabrielle ein Exemplar des Albums auf ihr Bett gelegt hatte.

John Cale von Velvet Underground gehörte zum erweiterten Musiker-Karussell das für sein Nachfolger-Album Bryter Layter seine Runden drehte und mit Jazz-Anklängen und Flöten die grandios verwebten Melodie-Teppiche Drakes abrundete. Ebenfalls sollte sich die erneute Zusammenarbeit mit seinen Produzenten zumindest auf künstlerischer Ebene auszahlen, da auch dieses zweite Album Jahrzehnte später als Klassiker zu seinem verdienten, wenn auch spätem Ruhm kommen würde. Der erneut ausbleibende große Erfolg stürzte ihn eine Sinnkrise, Depressionen die ärztlich nicht näher untersucht wurden, klebten fortan an ihm wie ein ungeliebter Schatten die ihn dazu zwangen, zu viel Zeit in seinen eigenen vier Wänden verbringen zu müssen.

Bei seinen rar gesäten Auftritten kristallisiert sich ein schwerwiegendes Problem heraus. Die immensen Spielpausen, die aufgrund von Drakes besonderen Griff-Techniken ein permanentes umstimmen der Gitarre nach jedem Song unabdingbar werden lassen, zerstören nahezu jeden Spielfluss, was in Folge das Publikum gegen ihn aufbringt. Nick beginnt sich immer mehr zu isolieren und entscheidet dass auf seinem dritten Album innerhalb von 3 Jahren nur er, seine Gitarre und die schwebende Melancholie, unterstützt von eingestreuten Klaviertönen zu hören sein sollen. Zu dieser Zeit scheint er schon diverse Opiate und Antidepressiva gegen die anhaltenden Depressionen einzunehmen.

Nick stürzt in eine noch tiefere Sinnkrise, bricht sein Studium in Cambridge ab und beginnt mit der Komposition seines dritten und letzten Albums. Innerhalb von nur zwei Tagen durchläuft er diesen Entstehungsprozess, schreibt zehn sehr reduzierte Lieder deren Traurigkeit und Melancholie auf Pink Moon greifbarer denn je zu sein scheinen.

Angefangenen bei dem gleichnamigen Opener über Place To Be und Road, legt Pink Moon gleich zu Beginn drei grandiose, in ihrer Einfachheit wunderschön arrangierte Lieder in das erste Drittel.

Es braucht hier nicht mehr als Gitarre, Gesang und seine von Zweifeln und Niedergeschlagenheit geprägten Textzeilen. Benutzte Pink Moon noch verschiedene bunte Aspekte, tendieren die anderen Songs mit ihrer Komplexität weiter in eine barocken Ebene, die ihre beunruhigen und düsteren Lieder gut beschreibt. Place To Be von Drake scheint von seiner eher dunkel geprägten Kindheit zu erzählen, bevor Know sehr traditionell in Gesang und Melodieführung durch das Album schimmert.

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Minimalistisch angelegt enden einige der Lieder einfach eher abrupt. Parasite klingt in seiner Stimmung fast schon etwas euphorisch und verharrt in einer Zeitlupen-Geschwindigkeit.

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Die mitschwingende übernatürliche Aura durchzieht auch die letzten drei Songs, die aufgrund seiner sanften Stimme und der großen musikalischen Gesten im Gegensatz zu den sehr depressiven Texten sich verträglich in den Gehörgängen festsetzen und From The Morning schließt das nur knapp 30 Minuten lange Album ehrwürdig ab.

Pink Moon ereilt zu Lebzeiten Drakes ein ähnliches Schicksal wie seine Vorgänger. Kritiker:innen sind sich einig, aber die Verkaufszahlen spiegeln das genaue Gegenteil wieder, da nur ungefähr 5000 Einheiten der Tonträger verkauft wurden. Allein einer Vertragsklausel bei Verkauf des Labels war es zu verdanken, dass seine Tonträger immer irgendwie erhältlich sein mussten.

Am 25.11.1974 wurde Nick Drake tot in seinem Bett aufgefunden. Klar ist, dass er an einer Überdosis Antidepressiva verstarb, aber ob diese durch eine Verschreibungsdosis oder durch selbst herbeigeführten Suizid ausgelöst wurde, bleibt bis heute weiter im Dunkeln.

Erst mit Beginn der achtziger Jahre steigerten Anerkennung und Verkaufszahlen für das Schaffen des im Alter von nur 26 Jahren verstorbenen Musikers. Allen die mit dunkler, reduzierter Akustikmusik etwas anfangen können und dieses bei Erscheinen oft verkannte Meisterwerk nicht schon ihr eigen nennen, möchte ich den Pink Moon hiermit ans Herz legen.

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Von Veröffentlicht am: 25.02.2022Zuletzt bearbeitet: 25.02.20221087 WörterLesedauer 5,4 MinAnsichten: 1218Kategorien: Klassiker, KritikenSchlagwörter: , 0 Kommentare on Nick Drake – Pink Moon [KLASSIKER-Review]
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Über den Autor: Nico Pfueller

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