KRITIK: Frank Schäfer – Krachgeschichten

KRITIK: Frank Schäfer – Krachgeschichten

Es gibt Autor:innen, die schreiben und veröffentlichen in einem solchen Tempo neue Bücher, dass einem mitunter schwindelig werden kann: Hat man das eine just zu Ende gelesen, erscheint schon wieder das nächste. Wiederholt sich dieses Prozedere von Mal zu Mal, von Jahr zu Jahr, steht man irgendwann vor dem Problem, dass kaum noch Zeit für die Lektüre von Büchern anderer Autor:innen bleibt…

Man ahnt es schon: Bei Frank Schäfer handelt es sich um einen Autor dieser Spezies. Wer mal „einen Schäfer“ gelesen hat, weiß um die Qualitäten seiner Bücher, und nimmt dabei wohl notfalls auch in Kauf, einen literarischen Tunnelblick zu entwickeln (oder bereits entwickelt zu haben). Dabei ist es gar nicht von besonderem Interesse, welchem thematischen Schwerpunkt Schäfer sich in seinem jeweils neuen Buch widmet (meistens ist es eh die Metalmusik): Denn die Lektüre seiner Bücher und Texte erweist sich so oder so als lohnenswert. Nicht umsonst hat der (nach eigener Auskunft) nicht sonderlich Metal-begeisterte Franz Dobler über sein bald erscheinendes Buch Krachgeschichten geschrieben, Schäfer „könnte auch ein Buch über „Die aktuellen Ergebnisse der sekundären Kunststoffchemie in Luxemburg“ schreiben und ich würde es lesen.“

Jeder weiß: Ein solches Urteil ist der Literaturnobelpreis light des kleinen Schriftstellers. Folgerichtig schreibt Schäfer bereits im ersten Kapitel des neuen Buches, ganz besonders freue er sich, wenn Leser jene seiner Texte goutieren, deren Wertung sie nicht teilen, denn: „Nur so kann ich sicher sein, dass er nicht bloß von der Bestätigung des eigenen Geschmacks gebauchpinselt wird.“ Und mit H. G. Wells findet er sodann den passenden Kronzeugen, indem er dessen legendär gewordenes Zitat anführt, demnach die Welt groß genug sei, „dass wir beide darin Unrecht haben können.“

Das angenehme an Krachgeschichten ist seine Uneitelkeit. Niemand auf der Welt bräuchte ein weiteres Metal-Buch, in dem in borniert-engstirniger Weise ein autistisches Detailfeuerwerk um seiner selbst willen heruntergespult werden würde, ohne dass den Lesenden in irgendeiner Form der Zweck oder Kontext dieser Informationen einleuchtet. Schäfer bewahrt uns davor, und seine Uneitelkeit ist nicht zuletzt Resultat der feinen Ironie (sich selbst und seinem so geliebten Umfeld gegenüber), die zwar nie seine ehrliche Zuneigung zu der Musik des Schwermetalls verhehlt, aber um alle unappetitlichen Formen des Dogmatismus einen großen Bogen macht. Schäfers Wissen über die Metal-Szene ist zwar über alle Zweifel erhaben, aber seine Texte sind zugleich Ausdruck der Fähigkeit, stets auch über den eigenen Tellerrand hinausschauen zu können. Was begrüßenswert, aber keinesfalls selbstverständlich ist.

Nicht zuletzt daher rührt wohl auch Doblers weiter oben angeführtes Urteil, mit dem sich der (ebenfalls nicht sonderlich Metal-affine) Autor dieser Zeilen uneingeschränkt gemein macht. So kann die Lektüre über das im vergangenen Sommer Corona-bedingt nur Online ausgetragene Wacken-Festival oder jene über eine Schiffsreise auf der Full Metal Cruise zu großer Unterhaltungskunst werden, wenn Schäfer darüber schreibt, dass der „größte Kegeltrupp der Welt“ mal wieder seine Vereinstracht übergeworfen hat: „Hauptsache schwarz“. Überaus interessant sind darüber hinaus seine Ausführungen über das Berliner Metal-Label Noise Records, das Anfang der 1980er Jahre heute legendäre Metal-Bands wie Kreator oder Celtic Frost entdeckte und herausbrachte, sich dabei aber höchst skrupelloser Manieren bediente. So erfährt man in dem Artikel etwa, dass den damals gleichermaßen blutjungen wie naiven Bands Knebelverträge vorgelegt wurden, die Martin Walkyier, Sänger der legendären Thrash-Metal-Band Sabbat, im Rückblick lapidar als „Kindesmissbrauch“ titulierte.

Insgesamt umfasst das Buch 55 „Krachgeschichten“, von denen einige bereits in Zeitungen und Zeitschriften wie der Jungen Welt, der Taz oder der Neuen Züricher Zeitung erschienen sind, in denen Schäfer mal mehr, was weniger regelmäßig publiziert. Seine Geschichten sind mal informativ, mal lakonisch und mal urkomisch – nicht selten alles zusammen.

Krachgeschichten ist am 30. Juli im Leipziger Verlag Zweitausendeins erschienen und kostet 16€.

Fazit:
Krachgeschichten von Frank Schäfer vereint 55 bunt-schwarze Geschichten aus und über die Metal-Szene. Schäfer beweist mitunter große Detailkenntnis über das Milieu und dennoch ist das Buch auch überaus lesenswert für all jene, die sich für gewöhnlich aus Circle-Pits und Moshpits lieber rauszuhalten pflegen oder bei Slayer als erstes an Vampire denken. Ob ersteres oder letzteres auch nach der Lektüre noch der Fall sein wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt…

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Von Veröffentlicht am: 07.08.2021Zuletzt bearbeitet: 07.08.2021728 WörterLesedauer 3,6 MinAnsichten: 878Kategorien: Buch, KritikenSchlagwörter: , 0 Kommentare on KRITIK: Frank Schäfer – Krachgeschichten
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Über den Autor: Luca Glenzer

Musiker und Soziologe.

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