Swutscher – Wahnwitz (+Bodo)

Swutscher – Wahnwitz (+Bodo)

Mittlerweile sind mehr kuriose Anekdoten über Swutscher im Umlauf als über Gunter Gabriel (Gott hab ihn selig !) zu seinen besten Zeiten.

LP kaufen Vö: 22.09.2017 La Pochette Surprise Records

Überdrehte Storys und Mutmaßungen um die Band aus dem Norden drehen in dunklen, Zigarettenrauch gepeinigten Kneipen ihre Runden.

„SWUTSCHER?!! Ist das die Band mit dem exhibitionistisch wirkenden Sänger im Schützenkönig Dress ?!“

oder

„SWUTSCHER?!? Das sind doch die, die immer so nett tun und hinterrücks das ganze Bier klauen!“

Kann sein, verdammt! Dann sei doch froh dass du von ihnen beklaut wurdest ! Besser kann Bier nicht aufgehoben sein, Freundchen!! Was auch immer. Von Bedeutung ist hier die gewichtige Information, dass die Jungs (mittlerweile ein Sextett der feinsten Hamburger Musikerauslese) am 22.September ihre EP „Wahnwitz“+ Bodo Single auf sattes 12“ Vinyl rausbringen by La Pochette Surprise Records! „Wahnwitz“ war und ist seit Mai 2016 in physischer Form lediglich auf Tape erhältlich, desto erfreulicher es nun auch auf geliebtes Vinyl erwerben zu können.

Es erwarten euch sechs wüste Garagefolk-Country Rock ’n‘ Roll Songs, die sich verschroben durch deine Ohrmuscheln fressen, sich mal rüde, mal herzlich, mal verspielt und mal voller Finesse in dein Hirn einnisten und Tonnen von Dopamin freisetzen. Höchst reputabel !

Aufgenommen und gemischt wurde die „Wahnwitz“ EP von Velvet Bein (La Pochette Surprise Rec.), einer der drei Gitarristen der Band und eingespielt wurde das Ganze in Martin’s Bauwagen (Martin= Swutscher’s Drummer) welcher an einem der idyllischsten, fast schon lächerlich pittoresken Orte im Norden steht und der Platte nochmal mehr den passend garagigen Sound verleiht.

Im letzten Jahr waren sie ziemlich viel unterwegs, beispielsweise mit keiner geringeren Band als Isolation Berlin und Fat White Family tourten sie lustig durch die Gegend; waren auf’m Reeperbahn Festival zu sehen, auf dem c/o pop Festival-Intro, Burger Invasion Hamburg und haben zig weitere Clubs, Kneipen und unzählig verloren geglaubte Seelen glücklich gemacht.

Ihre Texte- keine anstrengende, erkünselte und auf die intellektuelle Scheiße hauende Dichtkunst sondern ehrliche Kost über’s Alltägliche. Bodenständige Zeilen über’s kleine Große. Ob über die innige Freundschaft zum eigenen Drahtesel oder über die Liebe auf neuem heimatlichen Boden. Ich fragte den Sänger und Swutscher-Urheber Sascha Utech mal auf irgendeiner Party woher er den Stoff für seine Texte nehme, daraufhin er „Ich könnte genauso gut über das Öffnen einer Dose Ravioli schreiben, weißt du was ich meine?“ Noch Fragen?

„Wahnwitz“ fängt mit „OkiDoki“ an und baut sich von einem kleinen, lockeren Gitarren Intro zu einem Cowpunk-artigen Muskel einer zuhauenden Faust auf und ich merke wie der Song die ganze Malaise , die im Laufe des heutigen Tages auf mich eingeprallt ist, Stück für Stück abpellt. Ein verdammt probates Mittel als Stimmungsaufheller. „Hallihallo wie gehts wie stehts?! Alles gut, ja kein Problem. Ich könnte kotzen, jeden Tag. Ich hör dir zu klar blablabla!“

Es folgt „Drahtesel“, rythmisch langsamer und gediegener als der Vorgänger, lässt er uns Platz nehmen um uns Erlebnisse mit dem zweirädrigen Tretmobil zu erzählen. „Drahtesel“ hat eine beruhigende, phlegmatische Art mit seinem locker geschwungenem Tamburin und den anderen gar schwerelos gespielten Instrumenten. Sein Refrain kommt einer Lobeshymne gleich,.. eingängig, mehrstimmig und spätestens beim zweiten Refrain wird jeder in der Lage sein mitzusingen. Abgedrehte Steppenzonen-Atmosphäre trifft ordentliches Bier am Anschlag.

„Ich und mein Drahtesel, wir sind ein duftes Team. Ich und mein Drahtesel, im dritten Gang durch die Prärie!“

Nach diesen erholenden und Kräfteauftankenden 4 Minuten 39, beginnt „Marktplatz Connection“ mit ähnlicher Stimmung, demselben gemütlichen Anschlagmuster und einem schön knarzigen, lethargischen Gesang. Ein Gemütszustand des Wohlbehagens macht sich breit..jaa, breeeite Stimmung. Ohne es zu registrieren wackelt mein Kopf tremorartig auf und ab zum Takt meines wippenden Fußes…

Vielleicht sind die schönsten Momente tatsächlich die, die man teilt ….

„Rhener Romantik“ beschreibt völlige Hingabe gegenüber den neuen heimatlichen Gefilden im Norden und seine heilende, heilige und zu schätzen wissende Dreifaltigkeit- Natur, Menschen und Kultur. Vielleicht ist der Song auch ein Gegenstück zur Berliner „Großstadt Romantik“, denn Sascha Utech ist gebürtiger Berliner und zog mit sechs Jahren (mehr oder weniger freiwillig) in den Norden, den er auf seine ganz eigene Art zu lieben und zu würdigen verstand.

„Perle“, ein 168 Sekunden langer sakraler Moment, ist der fünfte Song dieser Platte und verleiht „Wahnwitz“ eine dünne, aufrichtig melancholische Seite. Das Schlagzeug komplett ersetzt durch leichte reverb durchtränkte Tamburinschläge, ein schlaf- und sehnsüchtig hervorgebrachter Gesang und zwei miteinander verpflochtene Gitarren, die dir geschmeidigst Wick Vaporub auf die kranke Brust auftragen. Vielleicht kein Song für kürzlich verlassene Menschen, denn „Perle“ besitzt die Kraft Kummer zu potenzieren aber auf der anderen Seite auch Freude und Euphorie zu steigern. Ein sehr grandioser Song mit viel Seele.

Der letzte Song nennt sich „Bodo“ und ist gleichzeitig Titel des ersten Comics Sascha Utechs. Eine Art collagierte und teilweise handgemalte Bildgeschichte, ..verstörend, schön, provokant, lohnenswert. Das Lied wirkt wie ein leicht musikalisch untermalter Bericht über die freiwillige Klinikeinweisung eines manisch depressiven Typen. Tja, Swutscher wird halt alles andere als langweilig……..

Mittlerweile kann man sich die Hamburger-Szene ohne Swutscher nicht mehr vorstellen, ..das käme einer Entzugsklinik ohne Methadon gleich.

Swutscher ist Plattdeutsch für „liederlich lebender Mensch“. Für mich ist er ein Begriff, der jegliche Ordnung mit einem schalkhaften Grinsen vermissen lässt- spaßbringend, höchst deviant und hochgradig effizient. Swutscher ist die Axt im Keller und das Scheit im Feuer.

Live sowieso immer zu empfehlen, also hin da…
29.09. Hamburg – Balkon der Liebe
21.10. Flensburg – Volksbad
17.11. St. Peter Ording – Hang Ten Garage Club @ Beach Motel
12.12. Berlin – Monarch
14.12. Chemnitz – Nikola Tesla

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Von Veröffentlicht am: 18.09.2017Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018959 WörterLesedauer 4,8 MinAnsichten: 904Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Swutscher – Wahnwitz (+Bodo)
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Über den Autor: Matthias Prawinski

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