KRITIK: Cave In – Heavy Pendulum

KRITIK: Cave In – Heavy Pendulum

Hart aber herzlich kehren Cave In, wiederbelebt mit Heavy Pendulum, mit ihrem Relapse Records Einstieg zurück.

Auf die Frage hin, wer denn da gerade aus meinen Lautsprechern kriecht würde ich nicht lange zögernd erwidern: Cave In, der neue Heavy Shit aus Boston, Massachusetts. Heavy Pendulum ist das erste komplette, neue Album der Band seit einem Jahrzehnt, bietet Einblicke in ihre Diskografie und weist mit eindringlichen Momenten den Weg in die Zukunft.

An sich sind Cave In alles andere als neu, mit ihren 26 in die Tür des Proberaum geritzten Kerben, aber ihre hier zu Tage beförderten Facetten können durchaus so bezeichnet werden und mit vierzehn Tracks liefert das Album eine stattliche Spielzeit kostenlos mit.

Cave In packen Bruchteile der melodischen Versatzstücke ihrer Caleb gewidmeten Final Transmission Collection in ihre Rücksäcke, treffen sich im Proberaum, philosophieren über Flanger- und Distortion-Pedale und rocken dir voller Inbrunst die New Reality ins Gesicht. So heftig wie der Opener geradeaus eine massiv rockende Pipeline öffnet, rechnest du sicher damit, dass Nate Newton schon zu Beginn volles Rohr, dir seinen, durch die Doomriders bekannten Brüllgesang entgegenzuschmettern, aber nix da. Stephen Brodsky führt dich mit seinem klaren Vokabular auf den Punkt, Nate drückt dir den Refrain erst Solo ins Gesicht, nachdem Stephen ihn auf ein leicht versetztes Duett einlädt. Gitarrist Adam McGrath lässt dir schmissig, moschende Riffs durch die Haare föhnen und dieses Riff, was der Herrn Brodsky, am Ende des Songs aus dem im Videoclip getragenen Schlosseranzug kitzelt erinnert, wie eine witzige Hommage, an eines der treffsichersten Slayer-Riffs.

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Die Trance verstärkenden Riffs bei Blood Spiller küssen abwechselnd eine Twin-Gitarren-Kerze die sekundenweise durch eine siebziger Jahre Rock-Saite im Sludge Kontext auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. Den alles verschärfenden Groove hämmert John Robert Conners zwischen seine Felle, Nate ruft mit Bandana und Holzfällerhemd bekleidet den Fürst des Blutes höchstpersönlich auf den Plan, das eindrucksvoll in einem verrücktem Videoclip ebenso bluttriefend wie augenzwinkernd umgesetzt, nachgesehen werden kann. In Floating Skulls wird das Tempolimit dann minimal überschritten, es gibt eine Menge Fuzz-Riffs, die nach vollzogenem Wechsel zu jenem Stadionrock verdächtigem Refrain mutieren, aus dem ohne Ende Heavy Stoner Rock-Attitüde tropft. Ich höre des Sängers mehrfach umsetzenden Gesang, der so geschmeidig zwischen kraftvoll und hymnisch den Schalter hin und her kippt dass es uns mit den Ohrläppchen wackeln lässt. Wenn das mal kein lupenreiner Hit ist, wie ihn die Queens Of The Stone Age vor rund zwanzig Jahren, lang ists her, verzapft haben. Immer wieder blitzen klitzekleine Grunge-Tupfer auf, die sich in der Stimmlage oder Atmosphäre entladen. Von allen guten Geistern verlassen, muss unbedingt das überschaubar eingestreute Gitarren-Tapping Erwähnung finden, die so manchen Schlagzeuger und Bassisten anspornen, jene griffige Kante an hartem Rock bei Bedarf dem Lied aufzudrücken und Nate mit verstellter Stimme dazu wild gestikulieren zu lassen.

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Ausufernd versetzt uns Heavy Pendulum ins Schneckentempo und klassisch angesetzte Vokalharmonien lösen jegliche, in unseren Nacken angesammelte Verspannung mit Vorsicht und bedacht, ohne ein Knacken zu verursachen. Klasse, den Gegenpol auslotend, kommen hier Riffs an die Reihe, die auch von Steve Snare, These Arms Are Snakes stammen könnten. Leider befinden sich die Wüstenrocker:innen von Kylesa, Savannah weiterhin im unbefristetem Schlummerschlaf, sonst wäre es durchaus nachvollziehbar die Namen Cave In, Torche mit ihnen als dritte im Bunde, auf diversen Tour Postern von den Litfaßsäulen der Stadt pranken zu lassen.

Es wechseln sich langsame Stücke mit schnelleren fast stetig ab und bei Careless Offering quietscht uns wieder so ein Steve Snare Riff mit dazugehörigem Brian Cook Basston vor die Paukenhöhle, die Nate, mit seinen alles zermalmenden Wortmeldungen in die Zeitlupe des Sludge-Metal schickt.

Stephen erinnert mich, wie auch schon auf Antenna und der Jupiter LP geschehen, nicht nur zufällig an die sich windenden Gesangscollagen von Jeremy Enigk, Sänger der frisch wieder vermählten Sunny Day Real Estate, die im Herbst mit The Appleseed Cast erstmals seit Urzeiten auf Tour gehen und auch die rockige Eingängigkeit der Lieder spielt mit, nur eben um einige Härtegrade erweitert. Typisch Cave In und doch auch komplett anders, beides vereint im Gedenken an Caleb, ihren verunglückten Bassisten der nicht gewollt hätte, das die Band aufhören würde ohne ihn zu existieren. Nach dem Trio der Absacker kommt mit Nightmare Eyes wieder Feuerholz in den Ofen und Days Of Nothing mündet in dieses verhallende Waiting Of Love, in dem scheint alle Bandmitglieder würden gegeneinander anspielen, sich in den Vordergrund drängen zu wollen, was in einer Vielzahl von Riffs und Rhythmen endet.

Nach so einem Strauß an metallischem Rock, treibenden, alles abhängenden Heavy Sounds und Halbballaden, zeigen die vier eindrucksvoll mit Cave In ist auf der nächsten Stufe zu rechnen.

Stephen atmet einen schweren Seufzer aus, beäugt den Kameramann mit seinem nachdenklich gestimmten Blick und schwingt ausgelassen seine Akustikgitarre, die allem Anschein nach elektrisch betont wird. Nate unterstützt seine Freunde mit Schlägen auf dem für ihn ungewöhnlichen Schellenkranz während seine Bassgitarre verständlicherweise noch ruht, denn dieser vorletzte Song ist Caleb Scofield gewidmet. Reckoning kommt fast wie ein von Boston aus gesteuerter, nachträglicher Beitrag zur lange versiegten Quelle des Grunge daher und versprüht sandige Geheimnisse eines Desert-Rocks und hach, Adam singt die meisten Strophen als hätte er nie etwas anderes gelernt. Hier wird in Gedenken gerockt, aufgeräumt und geträumt, mit Prisma gefärbten Textzeilen, die ihrem verstorbenen Freund und Bandkollegen Caleb Scofield gewidmet sind. Schlagzeuger John schenkt dem emotionalen Akt der Trauer mit erdigen Tribal-Drums eine zukunftsträchtige Silbe ein, die nun auch die Saiten der Bassgitarre mitreißen dürfen.

Ganz in weiß gekleidet, durchstreifen die vier die bunten Lichtkegel ihrer im Videoclip zu sehenden Umgebung, klettern spielerisch auf die Empore des Rock Olymps und grüßen Caleb aus der Ferne der für immer in ihren Gedanken und Herzen weiterlebt.

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We’re gonna celebrate with the songs we sing
We’re gonna seal your fate With a hollow ring……
Reckoning Everything The Day that you died
Recognize Wrecking the gleam inside

Auszug: Lyrics aus Reckoning

Rest In Power, Caleb.

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Von Veröffentlicht am: 29.05.2022Zuletzt bearbeitet: 09.06.20221073 WörterLesedauer 5,4 MinAnsichten: 605Kategorien: Alben, Kritiken0 Kommentare on KRITIK: Cave In – Heavy Pendulum
Von |Veröffentlicht am: 29.05.2022|Zuletzt bearbeitet: 09.06.2022|1073 Wörter|Lesedauer 5,4 Min|Ansichten: 605|Kategorien: Alben, Kritiken|0 Kommentare on KRITIK: Cave In – Heavy Pendulum|

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Über den Autor: Nico Pfueller

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