FJØRT – Couleur
Die Kinnlade. Sie fällt und fällt und fällt durch alle Böden, die FJØRT mit ihren Song-Gewittern bereits durchgetreten haben.
Vö: 17.11.2017 Grand Hotel van Cleef iTunes LP kaufenWie viel Wucht kann Musik haben? Wie direkt kann Gefühl aus einem Lied sprechen, und dabei ein so eigenes Universum sein? FJØRT geben mit „Couleur“ die Antwort der Stunde.
„Südwärts“ trabt an und bricht mit dem größten Donner-Tom-Schlag der Rockgeschichte ins erste Ungewitter los. Titeltrack „Couleur“ – bekannt aus dem bereits erschienenen Video – macht klar: so sehr uns FJØRT wieder in ihr ganz eigenes Universum mitnehmen, die Tür dahin ist offener denn je. Die Aachener geben sich zugänglicher, die Gitarren im Vergleich zum Vorgänger wieder lauter, die Strukturen aufgeräumter. Hier wird auch die Handschrift von Produzent Phil Koch, Gitarrist bei Heisskalt, deutlich. Die Melodien und dynamischen Sprünge sind alle FJØRTs, einige aber hätte man durchaus bei „Wissen und Wollen“ wieder finden können. Und das tut der Band gut.
„Eden“ ist ein wunderschönes Beispiel dafür, wie sehr die drei Musiker in ihren Songs damit spielen, sich in ihre jeweiligen Ecken zu verziehen, jedem Instrument seinen eigenen Platz und Rhythmus zu geben, um dann wieder als alles nieder walzende Einheit loszubrechen. Mit ähnlicher Wucht brettert „Mitnichten“ los, Sänger Chris schreit durch die Peitschenden Snare-Drum-Salven ein klagendes „Warum muss ich mich entscheiden?“, und spätestens jetzt wird die Song-writerische Weiterentwicklung klar, die FJØRT mit diesem Album gemacht haben. Auf Dynamik, Innehalten und Losbrechen, geradere Strukturen wird mehr Wert gelegt und damit dem kommenden Ausbruch 1933 Ausrufezeichen verliehen.
Eben diese Zahl kommt in bester Tradition FJØRTs, die politische Zeitenwende zu reflektieren, bei „Raison“ zum tragen:
Ich habe 1933 Gründe schwarz zu sehen!
Wie schon bei „Paroli“ vom Vorgänger „Kontakt“ machen FJØRT klar, wo sie sich auf der politischen Skala sehen, und was sie von den aktuellen Entwicklungen halten. „Windschief“ ist gleichzeitig Zitat ihrer noch stärker vom PostHardcore geprägten Anfänge und Brücke zum neuen Soundungetüm.
Du bist nicht echt, nur Gedankenpest
Nach dem Blick nach außen von „Raison“, ist „Windschief“ der Blick in den Spiegel.
Und immer wenn man glaubt, die Platte, das Muster der Band durchschaut zu haben, biegen sie im richtigen Moment ab. „Fingerbreit“ kommt fast beschwingt daher, bricht mit der ganzen eiskalten Getragenheit der vorherigen Songs. Ähnlich verhält es sich mit der zweiten Single „Magnifique“. Ein elektronischer Beat und eine Heisskalt-esque Melodie eröffnen einen Song, der musikalisch zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Unschuld und Verletzung schwankt. Das vor kurzem erschienene Video hat das untermalt.
„Bastion“ stürmt doomig los, hält an, macht klar, wo bei aller Veränderung die Wurzeln liegen. Ähnlich macht es „Zutage“, fragt klagend
Wenn du fällst und keiner sieht’s, bist du dann gefallen?
„Karat“ zieht erst mal verhalten los, macht ein „Friedensangebot“, nach 11 Liedern voller musikalischer Angriffe. Der langsamste Doom-Metal-Song der Geschichte walzt ohne Gnade durch die Gehörgänge, schlägt lyrisch die Brücke zu „Südwärts“ und läuft genauso aus, wie ein Album dieser Intensität auslaufen sollte. Das Gewitter wird lauter, verschwindet im Rauschen und. Stoppt.
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