Juliane Streich – These Girls: Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte

Juliane Streich – These Girls: Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte

Es ist ja nicht so, dass Frauen in der Popgeschichte nie Beachtung gefunden hätten.

Buch kaufen Vö: 06.12.2019 Ventil Verlag

Das Problem liegt häufig viel mehr in der Art und Weise, wie ihnen Aufmerksamkeit zuteil wird: Marianne Faithfull kennen viele zum Beispiel nur als die sexy Muse von Mick Jagger, und bei einer Künstlerin wie Björk werden all die schlauen Feuilletonisten auch über 25 Jahre nach Beginn ihrer Solokarriere nicht müde, zu betonen, dass sie ihre Musik selber schreibt UND produziert – ALS FRAU. Damit gilt sie dann gewissermaßen als Exotin, durch die Stilisierung als Ausnahme zugleich als Bestätigung der Regel, nämlich der, dass Männer das Handwerk der Musik beherrschen und Frauen immer noch zu häufig zum gut-aussehen respektive singen degradiert werden. Dass es neben Björk noch tausende und abertausende andere „Ausnahmen“ gibt, davon zeugt unter Anderem das im Dezember erschienene Buch These Girls – Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte.

Herausgegeben wurde das Buch von Juliane Streich. Es umfasst rund 140 kurze Liebeserklärungen an Künstlerinnen der Pop- und Rockgeschichte.

Dass hier auf stumpfe Biographiearbeit verzichtet wurde, ist ein großes Plus des Sammelbandes, denn wer sich einfach einen kurzen Überblick über Werk und Leben der besprochenen Künstlerinnen verschaffen möchte, kann ja auch auf Wikipedia zurück greifen. Nein, die hier vorzufindenden Texte sind radikal subjektiv. Oftmals erfährt man mehr über die Biographie der/ des jeweiligen Autor_in als über die besprochene Künstlerin, was gut ist, denn das Schreiben über Musik kann erst dadurch lebendig werden, indem das Empfinden, das Musik in einer jeweiligen Person auszulösen vermag, in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt wird.

Gegliedert ist das Buch chronologisch in verschiedene Jahrzehnte, angefangen von den 1940ern bis in die 2010er Jahre. Somit bietet es auch einen wunderbaren Überblick über Popgeschichte im Allgemeinen.

Angefangen vom Jazz und Chanson der 40er und 50er, zum R’n’B der 60er, dem Punk der späten 70er und New Wave der frühen 80er, den Riot Grrls der 90er und der gegenwärtigen Popmusik bietet es einiges und darüber hinaus noch vieles mehr, was hier leider aufgrund fehlender Kapazitäten unerwähnt bleiben muss. Und auch Leute, die gemeinhin glauben, einen ganz guten Überblick über 70 Jahre Populärkultur zu haben, können davon ausgehen, noch so manche Perle in diesem Buch zu entdecken, die ihnen bisher verborgen geblieben ist.

Unter den Autor_innen gibt es so manchen bekannten Namen: Andreas Spechtl, seines Zeichen Sänger und Gitarrist der Gruppe Ja, Panik und seit einigen Jahren auch als Solokünstler aktiv, schreibt etwa überaus liebenswürdige Zeilen über die Band Britta, welche Ja, Panik im Jahr 2006 als Vorband mit auf Tournee und damit erstmals eine größere Bühne bot. Die Doctorella-Schwestern Sandra und Kerstin Grether schreiben eine euphorisierte Liebeserklärung an Annette Humpe, die sie einst baten, ihre Platte Ich will alles von dir wissen zu produzieren. Daraus wurde zwar nichts, dafür aber erhielten sie eine Einladung zum gemeinsamen Kaffee bei Annette zuhause, die sie überglücklich, aber mit vor Ehrfurcht erweichten Knien annahmen. Doctorella wiederum erhalten eine Laudatio von Kerstin Petermann, die auf die über ihre Musik weit hinausgehende Bedeutung der beiden Grether-Schwestern hinweist, insbesondere auf ihren Kampf für mehr Sichtbarkeit und Repräsentation von Frauen in der Popmusik.

Die Bandbreite an Textformen ist vielfältig, die darin besprochenen Musikerinnen ebenfalls.

Nicht alle Beiträge halten das hohe Niveau, doch darüber lässt sich hinwegsehen, da das Buch durch seine Form ohnehin zum Stöbern einlädt und es dem Lesefluss daher keineswegs schadet, wenn der eine oder andere Beitrag nur angelesen oder übersprungen wird. Und durch seinen inhaltlichen Schwerpunkt bietet es sich darüberhinaus an, das Smartphone samt Spotify-App (oder eine der diversen vergleichbaren Apps) neben sich liegen zu haben, um nach der Lektüre eines Beitrags den entsprechenden Soundtrack hören zu können.

Kleiner Tipp: Auf Spotify wartet schon eine auf das Buch zugeschnittene Playlist von Herausgeberin Juliane Streich, in der jeweils 2 Songs der im Buch besprochenen Künstlerinnen und Bands vertreten sind.

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Von Veröffentlicht am: 05.04.2020Zuletzt bearbeitet: 05.04.2020691 WörterLesedauer 3,5 MinAnsichten: 823Kategorien: Buch, KritikenSchlagwörter: , 0 Kommentare on Juliane Streich – These Girls: Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte
Von |Veröffentlicht am: 05.04.2020|Zuletzt bearbeitet: 05.04.2020|691 Wörter|Lesedauer 3,5 Min|Ansichten: 823|Kategorien: Buch, Kritiken|Schlagwörter: , |0 Kommentare on Juliane Streich – These Girls: Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte|

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Über den Autor: Luca Glenzer

Musiker und Soziologe.

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