The Flaming Lips – American Head
Das 16. Studio-Album American Head von The Flaming Lips ist aufgrund der Inspiration aus einer Dokumentation über den verstorbenen All-American-Rockstar Tom Petty entstanden, der Anfang der 70er-Jahre auf dem Weg nach L. A. in Oklahoma Halt machte. Grundidee des Albums ist, dass Tom Petty den Drogen dealenden älteren Brüdern von Frontmann Wayne Coyne in die Finger gefallen ist und Oklahoma nie wieder verlassen hat.
Das Ergebnis dieses Gedankenspiels ist nicht weniger als die Neu-Erfindung der The Flaming Lips hin zur All-American-Band. Ein tolles Konzeptalbum mit einer ganzen Reihe wunderbarer Songs wartet hier auf die HörerInnen.
Dabei finden sich auf dem Album – ganz untypisch für The Flaming Lips – kaum oder nur wenig ausgeflippte Sound-Experimente oder Audio-Outtakes wie auf so manchem Vorgänger sondern richtige klassische Rock- und Folk-Songs, so dass das Album erstmals seit dem 2002er Album Yoshimi Battles The Pink Robots auch mit radiotauglichen Tracks aufwartet. Viele der Songs gehen fast übergangslos ineinander über, so dass man das Gefühl eines langen dahinfließenden Klangflusses hat.
Die meisten der insgesamt 13 Songs sind eine feine und gelungene Mischung aus den Beach Boys, den Byrds und Pink Floyd mit einem Spritzer Beatles sowie einer Prise America. Im Grunde sind die Songs lakonische Kleinstadt-Geschichten, in denen Drogen probiert und verkauft werden, Freunde fahren sich auf ihren Motorrädern tot oder man geht high ins Kino. Der ganz normale Wahnsinn in einer Midwestern-Kleinstadt. Hätte es eines Beweises bedurft, dass The Flaming Lips eine im Grunde solide Indie-Rock-Band mit klassischen Flower-Power-Wurzeln sind, so liefern sie diesen mit dem vorliegenden Album selbst.
Bereits der hymnische Opener Will you return/When you come down ist eine Offenbarung. Begleitet von wunderbar mystischer-elektronischem Sound und schönen abwechselnden Gesangsparts von Wayne Coyne und seinem musikalischen Mastermind Steven Drozd ist der Song schon zu Beginn des Albums ein absoluter Höhepunkt.
Es folgt mit Watching the Lightbugs Glow ein nahezu instrumentaler Song im Ennio Morricone-Stil. Die weiblichen Vocals steuerte – nicht nur bei diesem Song – mit einer unglaublichen Grazie die Country-Sängerin Kacey Musgraves bei. Mit geschlossenen Augen fühlt man sich im Rausch der Drogen in die Hippie-Zeit der späten 60er-Jahre versetzt.
Mit Flowers of Neptune 6 folgt der nächste musikalische Höhepunkt. Ein schön entspannter Song im Stil von America oder Crosby, Stills and Nash nur mit ganz viel Orchester, schönen Klavierpassagen und ein paar Bläsern. Wayne Coyne kann hier sowohl seine Fähigkeiten als Komponist als auch als Sänger unter Beweis stellen. Ein wunderbar gelungener Song, der auch ideal ins Radio passen könnte.
Bei dem Song Dinosaurs on the Mountains kommt wieder eine schöne psychedelische Note dazu, die dem Song mit Hilfe der Vocoder den richtigen Dreh verleiht. Schön komponiert und genauso gut interpretiert. Die Liste der Höhepunkte wird länger. Hier kann man sogar die überdrehten The Flaming Lips hinter der Songstruktur heraushören. Fast ohne Unterbrechung ist der Übergang in den nächsten Song At The Movies On Quaaludes, der eine schöne Fortsetzung des vorherigen Songs mit eigenem thematischem Inhalt ist.
Die hymnische Ballade Mother I’ve Taken LSD ist genauso toll wie der nachfolgende Song Brother Eye, die von der Sehnsucht nach Nähe und der Überwindung der Distanz durch den Gebrauch von Drogen erzählen. Logischerweise setzt sich das omnipräsente Thema Drogen auch im Song You n Me Sellin‘ Weed fort. Eine schöne chor-getragene Ballade mit gesprochenen Textpassagen, kleinem Hilly-Billy-Einwurf und Kuh-Muhen. Da sind sie wieder die kleinen Sound-Ideen die typisch sind für The Flaming Lips.
Mit wunderbar trauriger Trompete beginnt Mother Please Don’t Be Sad, eine schöne Ballade, die ein unbedingter Anspiel-Tipp auf dem Album ist. Mit Streichern und einem tolle E-Gitarren-Soli wird wirklich alles aus dem Song rausgeholt. Das klingt sehr eigenständig aber auch stark nach den Soloarbeiten von John Lennon. Ein wunderbar gemachter Song, der ohne Pause in den schwächsten Song des Albums When We Die When We’re High übergeht, der lediglich eine instrumentale Abwandlung des vorher gehörten mit Jazz-Anspielungen und einigen nervigen Soundeffekten darstellt. Dieses Songs hätte es eigentlich nicht bedurft.
Leider genauso wenig überzeugend ist Assassins of Youth, der uninspiriert und ohne richtig spannende Grundidee daherkommt. Nach den ersten beiden Textzeilen wandelt sich der Track in einen Electronica-Indie-Pop-Track, der wie eine Parodie eines frühen The Flaming Lips-Songs klingt.
Dankenswerterweise kommt dann mit der Indie-Ballade God and the Policeman ein schönes Duett von Wayne Coyne mit Kacey Musgraves und wieder ein Höhepunkt auf dem Album, das nun leider sowohl inhaltlich als auch thematisch spürbar in die finale Phase geht.
Der letzte Song auf dem Album ist auch musikalisch und textlich ein gelungener Abschluss. Das hymnische My Religion Is You kann man gut nach einer langen Nacht auf dem Weg nach Hause hören und weiß, dass alles irgendwann wieder gut wird.
Ein ausgezeichnet produziertes Album mit verträumt schönen Pop-Songs- und Balladen aber auch tollen Ohrwurm-Rocksongs, die richtig Spaß machen. Das ist ganz großes Kino und Tom Petty hätte seine helle Freude daran gehabt. Trotz zweier weniger guter Songs ist dies das beste Album von The Flaming Lips seit Langem.
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