KRITIK: William Fitzsimmons – Covers Vol. I

KRITIK: William Fitzsimmons – Covers Vol. I

Die Reduktion auf das Wesentliche – in Perfektion!

Der gute Williams Fitzsimmons hat sich seit je her durch wunderbare, von Akustikgitarre getragene Alben und seine außergewöhnlich sanfte und warme Stimme hervorgetan. Wie sehr viele andere Künstler:innen haben ihm die Pandemie und die damit in Verbindung stehenden Einschränkungen übel mitgespielt. Ebenso wie die anderen hat sich auch William in der Zeit zurückgezogen und in der Isolation ein Album aufgenommen. Allerdings, hier kommt der große Unterschied zu den meisten anderen: es ist absolut keine halbgare Kreativflatulenz, sondern ein überraschend abwechslungsreiches und eingängiges Cover-Album entstanden.

Beim Lesen der Tracklist fallen einige durchaus beliebte, sehr Jahren etablierte Cover-Opfer auf, die einen vorerst die Augen rollen lassen. Dazu gesellen sich moderne Nummern, von denen der Rezensent einige zugegebenermaßen gar nicht kannte. Ja, ich gebe es zu, an mir ist sogar Taylor Swift vorbei gegangen, die kannte ich nur vom Namen.

Ein Song der Künstlerin macht auch den Anfang. The 1 gibt sofort die Stimmung vor, die das Album bis zur Auslaufrille beibehalten soll. Ruhig, deutlich reduziert und zu jeder Zeit von schwebenden Synthesizer-Teppichen unterlegt. Nicht jedermanns Fall, aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, viel besser könnte man Williams Stimme kaum untermalen. Bevor alles zu gediegen wird, werden noch aufrüttelnde E-Drums eingebaut und man ist augenblicklich im Album angekommen.

Mit der sensationellen Version von Joy Divisions‘ größtem Hit Love Will Tear Us Apart erreichen wir gleich den ersten Höhepunkt von Covers Vol. I.

Unfassbar schön wird hier auf der Akustikgitarre gepicked, das Stück mitnichten verschandelt, sondern auf eine beinahe magische Weise auf Hochglanz poliert. Ich wette, dass es nicht lange dauern wird, bis genau diese Nummer in einer US-amerikanischen Drama-Serie landet, vermutlich gegen Ende einer Staffel, direkt nach einem darstellten Schicksalsschlag. Wetten hierzu dürfen natürlich bei der Redaktion eingereicht werden.

Das ätherische The Commander Thinks Aloud der einstigen Indie-Institution The Long Winters wirkt im ersten Moment etwas ausgebremst, nimmt die Hörer:innen aber schon bald völlig für sich ein. Nicht zuletzt weil hier Williams Langzeit-Kollaborateurin Abbie Gunderson mit den Vocals hilft. Wie immer harmoniert hier alles hervorragend. Nächster Höhepunkt und absolut Überraschung stellt die Version von Peter Gabriels Radiohit Solsbury Hill dar.

Runtergebrochen auf das akustische Gerippe eines aufgebauschten (deshalb aber nicht weniger großartigem) Songs, ohne ihn oder das in ihm transportierte Gefühl zu zerstören, ist alleine schon eine Kunst für sich. Ruhige Synthparts und Streicher sind die Kirsche auf der Torte!

Annie’s Song von Countrylegende John Denver beginnt mit a capella Intro von William und Abbie und das Duo klopft dem alten Schinken sofort den Staub aus dem Kittel. Obwohl man das Stück sicher schon hunderte Male gehört hat, kann es hier neu entdeckt werden. Die erste Plattenseite schließt mit Please, im Original von (der mir bisher völlig unbekannten) Chelsea Cutler, einer jungen Indiepopperin. Im Vergleich zu ihrer Version geht hier etwas Unschuld, aber auf keinen Fall Qualität verloren.

Seite B startet mit Sufjan Stevens schönem Futile Devices, das im Original von einem Klavier begleitet wird, von William Fitzsimmons aber mit einem typischen Folk-Picking mit Akustikgitarre unterlegt wird. Ohne dabei die gleichen Unmengen an Hall zu verwenden, natürlich. Das von R.E.M. sicherlich bestem Album Automatic For The People entliehene und dort eher unauffällige Sweetness Follows erblüht in ganz neuem Glanz und man könnte meinen, die Coverversion sei schon immer da gewesen. Auch hier wurde das Ganze mit einem Tritt auf die Bremse ausgestaltet und das Stück sehr respekt- und effektvoll gestaltet. Naked As We Came, von Williams eben so bärtigen Kollegen Sam Beam a.k.a. Iron & Wine ist tatsächlich sehr nah am Original, was diesbezüglich der letzte Kritikpunkt des Albums bleiben wird. Trotzdem fügt sich das Stück ins Konzept und gefällt nicht minder gut.

Warum zur Hölle ausgerechnet die völlig ausgelutschte Elton John Nummer Your Song auf gefühlt jedem Coveralbum landen muss, ist mir ein einziges Rätsel. Wenige Takte dieser Version und mein anfänglicher Groll ist völlig verflogen! Kein Klavier, akustische Gitarre und eine zweite Stimme von Allie Moss schaffen auch hier etwas völlig anderes und erstaunlich unpathetisches.

Lovin’s For Fools der hierzulande weitgehend unbekannten Sarah Siskind ist einfach nur ein wunderschöner Song, mit akustischer Gitarre und das abschließende Smoke Signals der jungen Singer-Songwriterin Phoebe Bridgers ist nicht minder schön, unterliegt dem gespenstischen Original allerdings marginal.

Jetzt, wo es draußen endlich kälter wird (Stand Anfang November 2022), die Kaminfeuer knacken und der Tee auf dem Stövchen steht, kommt Covers Vol. I gerade recht. Ein Album um sich darin zu verlieren, das überrascht und weit mehr ist, als eine in der Pandemie entstandene Notlösung.

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Von Veröffentlicht am: 05.11.2022Zuletzt bearbeitet: 05.11.2022811 WörterLesedauer 4,1 MinAnsichten: 852Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on KRITIK: William Fitzsimmons – Covers Vol. I
Von |Veröffentlicht am: 05.11.2022|Zuletzt bearbeitet: 05.11.2022|811 Wörter|Lesedauer 4,1 Min|Ansichten: 852|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on KRITIK: William Fitzsimmons – Covers Vol. I|

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Über den Autor: Steffen Eggert

Ich bin 37, verheiratet, habe zwei Töchter, lebe in Bayern und bin im echten Leben Sozialpädagoge. Meine musikalischen Wurzeln liegen grundsätzlich im Bereich Indie, Punk und im klassischen Heavy Metal, bin aber eigentlich offen für alles, solange es gut gemacht ist...

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