Interview mit Mira von Candelilla

Interview mit Mira von Candelilla

Im März haben Candelilla ihr neues Album Camping herausgebracht. Damit waren Mira, Lina, Rita und Sandra die letzten Wochen erfolgreich auf Tour. In Karlsruhe habe ich mich mit Sängerin und Bassistin Mira getroffen, um über ihre Musik, und das ewig leidige Thema von Frauen im Musikgeschäft zu sprechen.

Wie ist Candelilla ins Rollen gekommen?

Ganz Klassisch, Rita und ich waren mit 13 Nirvana Fans und haben eine Band gegründet. Sie hat Gitarre gespielt, ich habe Bass gespielt, ihr kleiner Bruder hat Schlagzeug gespielt. Das war sozusagen die erste Formation.

Wir haben auch von Anfang an selbst geschrieben, das war sehr wild und echt laut – sehr sehr wütend. Das ist jetzt 18 Jahre her.

Candelilla in der Besetzung gibt es seit Zehn Jahren. Rita, Lina und ich sind alle aus Parsing. Wir sind zwar auf unterschiedliche Schulen gegangen, das ist aber alles so im gleichen Viertel. Daher kennen wir uns. Und Sandra hat bei einer anderen Band Schlagzeug gespielt, die sich dann aufgelöst hat und dann haben wir sie gefragt, ob sie bei uns spielen will, weil sie halt einfach sau geil spielt.

Habt ihr euch dann auch schnell geeinigt was ihr machen wollt?

Ich habe gar nicht das Gefühl, dass wir bis heute einen Konsens gefunden haben, was wir für Musik machen wollen.
Tatsächlich kann ich mir das auch gar nicht richtig vorstellen wie man das machen kann. Ich glaube das ist doch immer so eine Suche, der Stil, das stellt sich jedes mal wieder aufs Neue.

Wir sind eine sehr lebendige Künstlerinnengruppe. Mit sehr unterschiedlichen Sichtweisen und auch Geschmäckern.

Führt das öfter mal zu Streit zwischen euch?

Ja Natürlich!! Wir sind seit zehn Jahren eine Band, ja klar streiten wir. Aber gerade geben wir uns sehr liebevoll Kritik.

Habt ihr einen bestimmten musikalischen Hintergrund, oder kam das alles von selbst?

Rita spielt sehr gut klassisches Klavier, aber sie ist auch die einzige mit klassischer Ausbildung. Lina spielt auch schon sehr lang und sehr viel Gitarre, aber schon eher autodidaktisch. Sandra auch. Aaah! Stimmt gar nicht. Sandra hat immer wieder Lehrer. Also nicht einen Festen, sondern sie hat dann mal so einen brasilianischen Lehrer, und dann hat sie noch den und dann geht sie so Sechs, Sieben, Acht Mal hin, holt sich was ab und dann entsteht daraus irgendwas. Ich habe das ganz ohne Lehrer gemacht.

Bei vielen Bands ist die Musik ja doch nebenbei, habt ihr auch alle noch einen hauptsächlichen Beruf?

Wir arbeiten alle. Rita ist Journalistin, schreibt für die süddeutsche Zeitung, vor allem über Klassik. Also sie hat da auch den akademischen klassischen Hintergrund und hört auch in dem Zuge viel klassische Musik.

Lina ist Geologin schreibt gerade ihre Doktorarbeit. Sandra ist Dozentin für Videokunst in einem Projekt in München. Und ich mache den Milla-Club in München.

Ist das Ziel die Band zum Hauptberuf zu machen?

Ich glaube da bin ich zu sehr Realistin. Wir wollen uns nicht irgendwelchen Marketingstrategien unterordnen. Und wir wollen einfach frei sein. Das ist eine extrem hohe Priorität, da werden keine Abstriche gemacht. Und wenn man das wirklich ernst meint und dann realistisch und erwachsen ist, dann weiß man, dass man gut daran tut das nebenher zu machen. Und jeder von uns hat einen schönen Platz gefunden.

Man muss sich mit eurer Musik auseinandersetzen, und kann sie schwer im Hintergrund laufen lassen. Was wollt ihr dem Hörer vermitteln?

Das hat sich auf jeden Fall von Album zu Album geändert, und kann sich auch von Song zu Song ändern. Aber vielleicht kann man sagen, auf Camping ist es die Beschäftigung damit, was möglich ist auszudrücken? Was kann man erzählen, oder wie kann man sprechen. Was ja auch ein wichtiges Thema in der heutigen Zeit ist. Was sind Infos und wie gehen die von A nach B? Und das ist eine Forschungsarbeit, die wir auf Camping versucht haben zu machen.

Wenn man jetzt Intimität anschaut, den Song, das sieht man an der Textarbeit, die dann so bröckelig und brüchig, so halb und unbefriedigend ist.

Dann steckt da die These drin: Ich höre auf zu sprechen an dem Punkt wo ich anfange Scheiße zu erzählen oder wo ich Scheiß erzählen würde. Ich komme nicht übers Hauptwort raus und verlasse mich auf Keyboard, Gitarre, Schlagzeug und Bass oder die Energie, die Menschen haben, die gemeinsam was machen. Und das hat dann so eine Art von Sinnlichkeit oder einen sinnlichen Zugang zu Informationen und das ist glaube ich der Vorschlag der da drin steckt.

Das kommt sehr gut rüber, gerade durch diese instabilen Texte, fühlt man sich unmittelbar angesprochen, auch wenn es nicht bequem ist.

Was bei Camping sehr wichtig war, war Vorschläge zu machen und sich zu trauen ein Visionär zu sein, das Risiko einzugehen etwas zu erschaffen. Sozusagen sich zum Affen zu machen, weil man sagt ich kann mir was vorstellen, was dir vielleicht auch gefallen würde. Ich wollte nicht stehen bleiben bei der Beobachtung, dass echt viel scheiße ist. Ich wollte mehr. Und ich weiß nicht ob es mir gelungen ist.

Viele Bands sagen ja, sie machen einfach Musik, die ihnen gefällt. Wie ist das bei euch? Ihr tretet ja auf und veröffentlicht Alben, also wollt ihr ja, dass eure Musik gehört wird.

Das ist ganz lustig, weil das ist gerade ein kleiner Diskurs, den wir gemeinsam in der Band haben. Das ist tatsächlich ganz unterschiedlich. Zum Beispiel rede ich ganz viel mit Rita darüber. Sie sagt: „ich möchte als nächstes, dann gerne ein Musikprojekt machen, das komplett unterm Radar ist“, sie fremdelt gerade total damit. „Ich will das jetzt nicht mehr, ich glaube ich mache jetzt mal eine Platte, die irgendwie niemand mitkriegt.“

Ich selbst merke wie sehr ich das brauche, ich merke wie gut mir das tut. Also Meine private Weltkommunikation läuft nicht so ganz rund. Und ich glaube über Musik und Kunst dann doch. Und das ist ein voll schönes Gefühl, wenn es mir gelingt und das ist schon Teil meiner Motivation.

Wie ist es dann für dich, wenn du von jemandem hörst, dass er das ganz schlimm findest was du machst?

Ist mir lange nicht mehr passiert. Ich würde sagen so lange Kommunikation inhaltlich ist, ist sie für mich sehr erfreulich. Ich glaube auf einen Song wie Ruhig draußen, kann man total unterschiedlich reagieren. Mir hat das noch niemand ins Gesicht gesagt aber ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass jemand sich denkt, „Hey was soll die Schnulze da?“ weil es ja auch gerade formal kommunizieren will und dafür sind nicht so viele Leute offen. Also kann ich mir schon vorstellen, dass man das einfach nicht versteht oder denkt, das ist too much, aber das wäre glaube ich voll ok für mich.

Die deutschen Feuilletons schauen ja gerade eher nach Stuttgart, wie ist es um die Szene in München bestellt?

Wir sind auf keinen Fall alleine. Ich war ja 2015 für eine Zeit in Berlin und habe da gelebt und man sagt immer die Szene wäre so groß. Ist sie auch, aber ich finde es kommt voll stark darauf an, wie kommunikativ so eine Szene ist. Und da lobe ich mir München schon extrem. Die Szene ist möglicherweise klein aber sie ist voll da und sehr progressiv. Es sind gerade sehr viele sehr gute Menschen in München. Das ist echt gut.

Gibt es etwas, das dich total an der deutschen Musikszene nervt?

Dass die Szene machoid und Männerdominiert ist, natürlich bin ich ungeduldig dass das endlich aufhört. Ich sehe total den Prozess und dass das läuft. Ich treffe viele Menschen, die da engagiert sind in dem Bereich, aber manchmal kann es mich schon nerven, dass man dann auf solche Leute trifft. Das ist echt ätzend.

Glaubst du, dass die Punkszene da offener als die Popszene ist?

Ich weiß nicht wie Lady Gaga das so empfindet, aber ich finde es manchmal schon bemerkenswert wie rückständig Subkultur in dem Thema sein kann.

Vor allem wenn die Leute euch nicht mehr als Band sondern nur als Frauen sehen.

Also wir sind ja auch schon überspannt was das Thema angeht, aber man kann das an der Bookingpraxis ablesen, wenn dann zu Frauen einfach radikal einfach immer Frauen dazu gebucht werden. Da findet fast schon eine Ghettoisierung statt und dann wird man immer mit dem gleichen Thema konfrontiert. Wir sind jetzt schon seit zehn Jahren eine Band, dann sagt man irgendwann „Hey es langweilt krass“.

Und wir versuchen ja tatsächlich inhaltlich etwas anzubieten, es ist ja jetzt nicht so dass wir total inhaltlose Musik machen.

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Von Veröffentlicht am: 05.05.2017Zuletzt bearbeitet: 02.12.20181473 WörterLesedauer 7,4 MinAnsichten: 1275Kategorien: InterviewsSchlagwörter: , 0 Kommentare on Interview mit Mira von Candelilla
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Über den Autor: Jonathan Scheid

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