Caspian im Interview – Dust and Disquiet Tour
Caspian im Interview zum aktuellen Album „Dust and Disquiet“ und ihrer Tour!
Caspian, die Post-Rock-Größen aus den USA, haben im September ihr aktuelles und insgesamt viertes Langspielalbum veröffentlicht und nun seit fast zwei Monaten kontinuierlich auf Tour in Europa und den USA. Ich traf Phil, Erin und Jonny in Dresden zum Interview über das Album, die Tour und persönliche Vorlieben, die euch sicher schon immer interessierten!
Phil: Es gab Höhen und Tiefen, aber mehr Höhen. Erin ist auf unserer US-Tour sehr krank geworden und das war eine Herausforderung für ihn. Wir sind viel herumgefahren, haben viele Shows gespielt und spielten auch jeden Abend die selbe Setlist, mit Ausnahme der Zugaben. Das ist auch neu für uns. Aber eigentlich läuft alles gut und es ist eine ziemlich gute Tour. Wir hatten bisher schon einige unserer besten Shows, vor allem hier in Europa.
Phil: Das Minard in Gent, Belgien ist eine Location, die mit keiner anderen vergleichbar ist, in der wir je gespielt haben. Es ist sehr opulent, schick und einzigartig, eher ein Opernhaus.
Phil: Das Larcom ist ähnlich, aber abgenutzter. Das Minard fühlt sich sehr neu an. Das Larcom hat eine ähnliche Atmosphäre, hat aber nicht diese vielen Theaterränge, die alles rausgeholt haben. Das Minard ist ebenfalls vergleichbar mit dem KOKO in London, aber eben kleiner.
Phil: Ich denke, es hat viel damit zu tun, wie wir begonnen haben. Wir haben 2005 unser erstes Album in den USA veröffentlicht und zwischen 2006 und 2007 vier Touren gespielt. In Deutschland wurde „The Four Trees“ dann 2008 durch Make My Day Records rausgebracht und wir hatten unsere erste Tour in Übersee, die größtenteils in Deutschland stattgefunden hat. Unsere erste Show hat in Duisburg stattgefunden, in einem Club namens Steinbruch. Und wie du ja auch selbst feststellen kannst, ist die Gastfreundschaft hier in Deutschland unglaublich. Es war nichts, woran wir gewöhnt waren und was uns zuerst fremd erschien, aber sehr schön war. Und da es der erste Abend außerhalb der USA war, hat das natürlich unseren Eindruck geprägt. Es ist egal, wo du deine Flagge zuerst hisst – wenn unser erster Auftritt in Spanien, Frankreich oder Russland gewesen wäre, würden wir über das entsprechende Land heute bestimmt das gleiche sagen.
Phil: Welche Shows haben wir vorher gespielt?
Erin: Wir waren in Providence und auf dem dunk!.
Phil: Ich glaube, die Leute fanden die Songs gut, aber sie waren nicht umgehauen. Es geht sicherlich jeder Band so, die neue Alben produziert, dass das Publikum eine bestimmte Vorstellung davon hat, wie die Band klingen soll. Und wenn man sich das neue Material dann anhört und bemerkt, dass es von der Vorstellung abweicht, dann braucht man eine Weile, um sich daran anzupassen. Also glaube ich, dass die Leute unsere neuen Songs mochten, aber dass sie nicht erwartet hatten, dass es so heavy werden würde. Wir haben positives Feedback bekommen, aber es war nicht so, dass die Leute ausgerastet wären. Wir haben auf dem dunk! ja auch „Darkfield“ und „Arcs of Command“ gespielt und das Publikum mochte „Arcs“ lieber als „Darkfield“. Ich glaube, sie haben „Darkfield“ nicht verstanden. Sie mussten es zuerst auf dem Album hören. „Arcs“ ist eher einschlägig und es ist einfacher, hineinzukommen, wenn man ihn live hört. In „Darkfield“ haben wir so viele Effekte benutzt, um ihn eben zu dem zu machen, was es ist.
Phil: Meistens gehe ich mit einer Vorauswahl der Songs, die ich gerne spielen würde, zu den Jungs und wenn sie nicht viel daran auszusetzen haben, spielen wir die dann auch. Ähnlich wie bei einem Album ist es auch bei einer Tour so, dass du mit deiner Songauswahl eine Geschichte erzählen willst. Es gibt Menschen, die lieber unsere härteren Stücke hören und solche, die lieber die ruhigeren mögen. Wenn es nach unserem Tourmanager ginge, würden wir nur die harten Songs spielen. *lachen aus dem Hintergrund* Aber was ich an unserer Sammlung mag ist, dass sie viele verschiedene Stimmungen enthält. Es gibt viel Licht und Schatten, es gibt definitiv die harten Songs, aber auch viele schöne Songs. Und damit kann man dann die Basis abdecken. Es ist vielleicht gut, damit zu beginnen, sich zu überlegen, welche Songs von welchem Album man spielen will und von dort aus alles herunter zu brechen.
Jonny: Ich denke manchmal, wir sollten einige Songs aufschreiben und sie einfach von vorne nach hinten durchspielen. Das wäre schön, aber ist schwer umzusetzen, denn man verfällt zu leicht in die Angewohnheit zu sagen „Oh, dieser Song gehört aber vor den Song“ und das bleibt dann praktisch hängen.
Phil: Es gibt einige Songs, zu denen ich keine richtige emotionale Beziehung mehr habe, weil wir sie einfach so oft gespielt haben.
Phil: Mit „Sycamore“ ist es etwas anders. Ich weiß, dass bei jeder Show jemand im Publikum steht, der uns noch nie gesehen hat und ich weiß, dass es ein unglaublich kraftvoller Eindruck ist, wenn man „Sycamore“ zum ersten Mal sieht. Und wir wollen niemandem diese Erfahrung verwehren. Aber wir spielen es immer und immer wieder und irgendwann hatten wir uns bei einer Tour gedacht, es soll nicht immer das selbe sein und das Publikum müsse sich den Song verdienen. Und wir sind drei Tage dabei geblieben, aber es fühlte sich einfach nicht wie eine Caspian-Show an ohne diesen Song.
Phil: In erster Linie wählen wir keine Bands, die wie wir klingen, weil wir denken, dass es langweilig ist. Wir wollen den Besuchern einen möglichst vielschichtigen Abend bieten. Bei Jo Quail war es so, dass ich ihre Show auf dem dunk! Festival gesehen habe und ich finde, dass sie einen unglaubliches musikalisches Talent hat. Sie ist eine tolle Künstlerin und ich finde, dass ihre Songs auf eine ähnliche Art und Weise dramatisch ausgerichtet sind wie unsere. Es ist auch immer interessant für das Publikum. Wenn die Leute zu einem Caspian-Konzert gehen, erwarten sie, dass der Support Act ähnlich klingt. Und es ist vielleicht eine schöne Überraschung, wenn sie feststellen, dass die Vorband völlig anders klingt. Deswegen hatten wir für unsere US-Tour dieses Mal zum Beispiel Circle Takes The Square ausgewählt. Es ist schön, mit den Erwartungen des Publikums zu spielen. Früher haben wir versucht, so viele Post Rock-Bands wie möglich zusammenzukriegen, aber nach einer Weile wird das eintönig und es kommt zu einer Art Wettkampf, weil die eine Post Rock-Band besser sein will als die andere. Und das ist wirklich nicht unser Ding. Mit Circle Takes The Square ist es so, dass sie selbst sehr heavy sind und dass sie darum auch in gewisser Weise zu uns passen.
Phil: Nun, Erin, Jonny und ich leben in Beverly. Joe lebt in Waltham – das ist etwa 40 Minuten entfernt. Als wir das Album aufgenommen haben, hat Jani ebenfalls in Beverly gelebt und Cal lebt in Ipswich, das auch etwa 20 Minuten entfernt ist.
Phil: Ja, wir treffen uns meistens zwei- oder dreimal pro Woche, immer zwischen zwei und vier oder fünf Stunden lang. Als wir das Album geschrieben haben, hatte ich ein paar Ideen zu Songs, habe sie bei mir zuhause eingespielt und den Jungs geschickt und wenn sie sie gut fanden oder einfach nicht geantwortet haben, dann haben wir sie im Proberaum weiter bearbeitet. Beim Titelsong des Albums war es zum Beispiel so, dass wir im Proberaum waren und einer angefangen hat, irgend etwas zu spielen und der Rest dann wie in einer Kettenreaktion eingestimmt hat. Und so kam eins zum Anderen und der Song hat sich einfach aufgebaut. Es ist aber bei jedem Song unterschiedlich. Entweder, wir entwickeln ihn auf diese Art zusammen, oder jemand pflanzt mit seiner Idee den Samen für einen Song. Erin hat zum Beispiel für „Echo and Abyss“ ein Gitarrenriff in der Mitte des Songs geschrieben und daraus hat sich der Rest entwickelt. Wäre das nicht geschehen, hätte es den Song womöglich nicht gegeben.
Erin: Es kam einfach so. Mir ist einfach dieser Text zu Echo eingefallen und ähnlich erging es Cal, als er „Run Dry“ geschrieben hat. Es waren Gedanken, die einfach raus mussten.
Erin: Wir wollten natürlich immer Teile von uns selbst beibehalten, uns ausprobieren, neue Wege finden, unsere Gitarren anders klingen zu lassen und so weiter. Und der Gesang war nun eben ein Teil davon.
Phil: Nun, es ist etwas, das man nicht ignorieren kann, es ist unbestreitbar. Es ist an uns als Künstler, auszudrücken und zu vermitteln, was wir denken und empfinden. Das passiert natürlicherweise, weil es uns zu jeder Zeit umgibt, und darum ist es unvermeidbar, es sei denn, man ist manipulativ, was irgendwie übel ist, denke ich.
Es war da, es ist da, aber es ist hilfreich, wenn man auch optimistisch und hoffnungsvoll ist. Unsere Alben sind ja immer so etwas wie musikalische Dialoge und die Trauer war natürlich ein Hauptdarsteller auf diesem Album, aber es war auch nicht der einzige. Ich meine, wir sind eine große, seltsame, emotional verwirrte Familie *lacht*.
Bei „Sad Heart of Mine“ haben zum Beispiel einige Menschen nicht verstanden, wieso er diesen Titel trägt. Es ist ja gar kein trauriger Song. Ich frage mich, ob dieser Song jemals verstanden werden wird. „Sad Heart of Mine“ ist eine deskriptive Äußerung. Der Titel beschreibt eine Empfindung und der Song selbst steht eigentlich als Gegenmittel zu diesem Gefühl. Es soll ein Trank, eine Pille sein, gegen dieses Gefühl. Mein Herz ist traurig – hier ist dieser unglaublich hoffnungsvolle und erhebende Song. Und hoffentlich bist du am Ende auch nicht mehr traurig!
Phil: Ja. Oder was meint ihr?
Jonny: Ja, auf jeden Fall.
Erin: Beides. Wir sind aber auch älter geworden.
Erin: Ja, aber es ist in den Jahren auch einiges passiert.
Phil: Wir wollen aber auch immer etwas Anspruchsvolles erschaffen. Je älter man wird, desto weniger schwarz-weiß-Sehen gibt es auch – zumindest bei mir. Es gibt mehr Grautöne, mehr Farben. Und ich hoffe, dass man diesen Anspruch auf dem Album wiederfindet. Es gibt mehr Nuancen, nicht nur diese offensichtliche Crescendo-Intensität, nicht mehr diesen Drang, einen harten Song zu produzieren. Wir haben eine Pflicht zu wachsen, weil die Lebenserfahrungen konstant wachsen und die Musik das auch widerspiegeln sollte. Es war auf jeden Fall eine bewusste Entscheidung, etwas zu produzieren, das irgendwie erwachsener wirkt, zweifellos. Ich nehme das jetzt mal als Kompliment.
Phil: Wir sind keine Punk Rock-Band, die versucht, sich zu benehmen, als wären sie 25 Jahre alt. Ich verstehe auch gar nicht, wie Bands das anstellen. Ich finde das seltsam.
Phil: Ja, der ist immer da. Das ist eine der großartigen Eigenschaften dieser speziellen Musikrichtung. Du hast immer diese gewisse Spur von Dunkelheit in dem Genre, es muss unglaublich emotional sein und dies zu spielen ist ziemlich natürlich für uns. Bezogen auf die Art und Weise, in der wir unsere Songs schreiben und zusammenarbeiten, um all das zu erreichen, wachsen wir immer, schätze ich. Es ist schön, neues zu erkunden. Ich denke, einige andere Bands in diesem Genre sollten das auch mal ausprobieren.
Jonny: An einem Abend saßen wir mit den Produzenten zusammen und haben einige Demos besprochen. Es war so vier Uhr am Morgen, wir haben Bier getrunken, uns die Aufnahmen angehört und dann sagte einer „Oh man, du solltest in dem Schlussteil von ‚Echo and Abyss’ wirklich schreien.“ und ich sagte „Hell Yeah!“ und bin zum Mikrophon gegangen, habe es eingeschaltet und einfach geschrien. Und genau die Aufnahme aus jener Nacht ist die, die wirklich auf dem Album gelandet ist. Wenn du etwas fühlst, mach was draus.
Phil: Wir haben dieses Mal wirklich alles zusammengeworfen. Streicher, Gesang, Gitarren, Drum Sounds… Wir haben einfach alles genommen, was man irgendwie auf ein Caspian-Album tun kann.
Phil: Ja, natürlich würde ich immer gerne Dinge ändern. Deswegen versuche ich auch immer, das Album nach der Fertigstellung nicht mehr anzuhören. *lacht*
Phil: Ich habe noch nie Leute weinen gesehen.
Phil: Wenn ich ins Publikum schaue, dann sehe ich entweder Leute, die SMS schreiben oder gähnen. Deswegen gucke ich nicht ins Publikum. Ich habe damit aufgehört, denn immer wenn ich das getan habe, habe ich die eine Person gesehen, die so unglaublich gelangweilt aussah. Manchmal passiert es noch, aber eigentlich versuche ich, die Leute nicht anzusehen.
Phil: Gut zu wissen. Es ist schön zu wissen, dass man so einen Einfluss auf Menschen hat. Das ist ein wirklich tolles Gefühl. Wenn Menschen sich frei genug fühlen, ihre Gefühle in so einer öffentlichen Situation auszudrücken, weil die Musik es auch in ihnen auslöst, ist das badass.
Phil: Ja, manche Musiker arbeiten viel mit ihren Effektgeräten und müssen sich darauf konzentrieren. Manche möchten auch sicherlich einen mysteriösen Eindruck vermitteln. Manche sind einfach schüchtern. Ich bin ziemlich schüchtern und wenn ich tatsächlich einmal Augenkontakt mit einer Person im Publikum habe, fühle ich mich sehr seltsam.
Jonny: Es kommt ganz auf die Gastgeber an. Die meisten sind schon sehr darum bemüht, dass wir uns wohlfühlen. Bei Audiotree zum Beispiel haben sie ein schönes Studio und tun alles dafür, dass es für uns eine einfache Sache ist. Manchmal ist es aber schon komisch. Wir waren neulich bei KEXP und die bauen jetzt zum Beispiel ein neues Studio, in dem auch Platz für Publikum sein wird, das dann zusehen kann. Das wird ziemlich cool.
Phil: Du kannst uns ja trotzdem fragen.
Erin: Liebster Disney-Zeichentrickfilm?
Erin: Aladdin.
Jonny: Also, Maler?
Jonny: Failure.
Phil: Strymon El Capistan.
Erin: Spaghetti.
Erin: Nur Spaghetti mit Käse und Knoblauch.
Jonny: Whiskey.
Jonny: Jameson.
Phil: Oh, ich spiele nicht. Ähm. Tetris?
Erin: Äh, Sketchers, im Moment. Aber ich gehe eigentlich nicht einkaufen.
Phil: Cello. In einem anderen Leben würde ich Cellist sein.
Erin: Kirschen.
Jonny: Eishockey.
So ging es dann noch eine ganze Weile weiter…
Mein größter Dank geht an die Jungs dafür, dass sie mir ihre Zeit gewidmet haben und so offen und ausführlich alle Fragen beantwortet haben.
KEXP haben in der Zwischenzeit einige Ausschnitte aus der Live Session von Caspian im Oktober auf ihrem YouTube-Kanal veröffentlicht.
Eine weitere aktuelle Live Session gibt es bei den last.fm Lighship95 Series.
Und wer gar nicht genug von den Jungs bekommen kann, dem sei das Audiotree Green Roomers-Interview ans Herz gelegt, in dem sie über Minecraft sprechen.
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One Comment
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Ein schönes Interview, ebenso wie der Konzertbericht. Danke dafür, Lara.
Wir waren auch beim Konzert in Dresden, ungefähr zweite Reihe, und ich kann Phils Eindruck nicht bestätigen, dass sich da wer gelangweilt hat. Zumindest dort und bei den Caspian-Konzerten, bei denen ich vorher war, gab es klar die üblichen Verdächtigen (ständig Bier holen; schreiend über den Arbeitstag labern). Aber gerade in Dresden habe ich mich ein, zwei mal umgedreht und da Leute gesehen, die sich an manchen Stellen ungläubig die Hände vor’s Gesicht gehalten haben (da haben wir auch ab und an dazu gehört:), andere haben andächtig den Kopf geschüttelt. Dazu wurde ordentlich, aber immer in Maßen abgegangen. Und die ein oder andere Träne ist wohl tatsächlich gekullert und das ist auch vollkommen nachvollziehbar bei der, ich nenn’s mal “emotionalen Tragweite” der Setlist:)
Das Konzert war der Wahnsinn, eine unfassbar performante Liveband. Muss mal gesagt werden.