Interview mit Robert Ehrenbrand (Boysetsfire) zur Neuauflage des Family First Festivals

Interview mit Robert Ehrenbrand (Boysetsfire) zur Neuauflage des Family First Festivals

Schlendert man am vierten Augustwochenende 2015 durch die Kölner Innenstadt, sieht der aufmerksame Beobachter mehr Touristen in Boysetsfire-Shirts als gewöhnlich. Kein Wunder, die Post-Hardcore-Pioniere spielen im Palladium mit der ersten Ausgabe des Family First Festivals ihre bisher größte Headliner-Show. Mit dabei sind namhafte Freunde und alte Wegbegleiter der Band. Das Konzept geht auf – das Tagesfestival wird ein voller Erfolg. Grund genug, nach anderthalbjähriger Bühnenabstinenz den Fans eine Neuauflage des Festivals zu kredenzen.


Erneut dient das Palladium als Austragungsort des Familienfestes, wie 2015 liefern BSF und End Hits Records ein stimmiges Rahmenprogramm: Bereits am Tag vor der großen Sause kann man BSF beim Aufwärmprogramm in der Live Music Hall erleben. Weil Matt Davies aus persönlichen Gründen absagen musste, springt Everybody‘s Darling Matze Rossi mit seiner Klampfe ein. Für die Warm-Up-Show sind noch Restkarten erhältlich. Am Tag nach dem Festival startet BSF-Sänger Nathan Gray die Solo-Tour zu seinem Album „Feral Hymns“, die kompletten Daten zur (ausverkauften) Tour findet ihr am Ende des Artikels.

Family First Festival
Alles, was es sonst noch zum Festival und zum aktuellen Stand bei Boysetsfire zu wissen gibt, erfahrt ihr im aufschlussreichen Interview mit Bassist Robert Ehrenbrand.

Schön, dass ihr mit Boysetsfire zurück seid und mit eurem eigenen Tagesfestival gleich wieder so in die Vollen geht! Wie kam es ursprünglich zu der Idee zum Family First Festival? Hattet ihr erwartet, letzten Endes eine derart große Halle zu füllen?

Robert Ehrenbrand

Robert Ehrenbrand | © Uncle M

Robert: Vor einigen Jahren ließen sich unser Gitarrist Chad und ich vor einer Show in Berlin tätowieren und wir einigten uns darauf, uns FAMILY FIRST Tattoos stechen zu lassen, weil wir fanden, dass dieser Slogan sowohl unsere Band bestens charakterisiert sowie auch unsere generelle Herangehensweise an unser Leben. BOYSETSFIRE war und ist für uns weit mehr als „nur“ eine Entität um Musik zu machen, wir sind eine wirkliche Familie durch und durch und dass wir gemeinsam schon viele Jahre Musik machen, ist ein toller Bonus, jedoch nicht der Kern des Ganzen. Es geht um viel mehr. Dies umfasst übrigens nicht nur die Band. Unser Manager Oise ist zum Beispiel mein bester Freund, mit dem ich täglich spreche und so weiter. Es geht um mehr als nur Musik. Und dieser Familiengedanke zieht sich durch alle Entscheidungen von BSF. Sei es, weil wir Pausen machen, um mehr Zeit für unsere Kinder und Partner zu haben oder wie wir an das Erschaffen von neuen Songs herangehen. Viel wichtiger als Erfolg oder Plattenverkäufe ist uns der Gedanke, dass wir eben kein betriebswirtschaftlich-motivierter Zusammenschluss von Musikern, sondern beste Freunde und eine Familie sind. Family First eben! Und so war es nur richtig diesen Namen auch unserem eigenen Festival zu geben, das wir uns schon lange gewünscht hatten. Ziel war, unserer musikalischen Familie eine Plattform zu bieten und gleichzeitig mit unseren Supportern zu feiern. Dass es dieses für uns so wichtige Konstrukt nun schon zum zweiten Mal geben wird, freut uns riesig. Wir hätten nie gedacht, eine Halle von der Größe des Palladiums füllen zu können. Die Show war nach kurzer Zeit ausverkauft und wir mussten aufgrund der vielen Anfragen von Fans sogar noch eine eigentlich gar nicht angedachte „Warm up Show“ in der LIVE MUSIC HALL hinzubuchen, für die es übrigens noch einige wenige Karten gibt! Es ist also noch nicht zu spät dabeizusein!

Die letzten beiden Konzerte, die ich von euch sehen durfte, waren das erste FFF und als krasser Gegensatz eine Show vor 150 Leuten im Münchener Sunny Red. Auch im Februar gibt es eine kleinere Show am Vorabend des FFFs. Was reizt dich persönlich mehr, kleine Clubs oder große Hallen? Wo funktionieren BSF besser?

Robert: Ich finde was BOYSETSFIRE wirklich ausmacht ist, dass wir Grenzgänger sind zwischen verschiedenen Welten. Genau das ist die Essenz von uns und Platten wie z.B. THE MISERY INDEX. Wir sind ein sehr unterschiedlicher Haufen von sehr emotionalen und sturköpfigen Persönlichkeiten und genau das macht BSF aus. Und darum finde ich, dass wir auf beiden Ebenen gleichermaßen funktionieren und für uns auch emotional genau so viel rausholen können. Ich bin in der Hardcore-Szene mit Keller-Shows ohne Bühne aufgewachsen und war es gewohnt, einfach während dem Spielen in die Leute springen zu können und diesen unmittelbaren Austausch zu haben. Andererseits habe ich als Musiker natürlich immer davon geträumt, mal eine dieser großen Festivalbühnen mit einigen von mir geliebten Bands bespielen zu dürfen. Das BSF uns beides ermöglicht ist fantastisch. Ich bin wirklich dankbar für jede Show, die wir spielen, und die Größe des Konzerts ist da wirklich zweitrangig. Versprechen kann ich, dass wir vor 150 genau wie vor 5.000 genau wie vor 80.000 Leuten immer alles geben.

Dave Hause ersetzt Chuck Ragan, Fjørt ersetzen Adam Angst…kommt noch jemand, der Funeral for a Friend ersetzt? Oder ist das Lineup mit Great Collapse und Ays komplett? Falls noch mit Bands zu rechnen ist, wann werdet ihr die bekannt geben?

Robert: Für die Show im Palladium ist das Line Up komplett. Ich freue mich riesig, mit Dave Hause einen meiner besten Freunde aus der Musikszene dabeizuhaben. Ich treffe Dave jedes Mal, wenn er in München spielt, und wir sind bereits seit seiner Zeit als SickOfItAll-Roadie enge Freunde. Gleiches gilt für Thomas von Strike Anywhere, der mit seiner Band GREAT COLLAPSE dabei ist, die auch eine Platte auf End Hits veröffentlichen. Wirklich jeder einzelne Act ist so gewählt, dass wir an dem Abend nur super Bands und echte Freunde um uns haben, und ich freue mich riesig, die anderen Bands zu sehen. Aber ja, Palladium ist also komplett. Für die Live Music Hall haben wir noch eine Überraschung.

Nathan tourt im Anschluss an das Festival mit seinem Soloalbum, im BSF-Kalender stehen bisher das Vainstream und Southside/ Hurricane. Welche Pläne habt ihr für 2018 und darüber hinaus?

Robert: Ja, Nathan veröffentlicht im Januar eine tolle Solo-Platte und wird so viele Konzerte spielen wie möglich. Er findet sich gerade als Solo-Künstler und ich nörgle an ihn schon seit 15 Jahren hin, das doch endlich mal auf diese Weise durchzuziehen (lacht). Ich finde, er entfaltet in dieser intimen Atmosphäre eine ganz besondere Stimmung und ich freue mich, ihn in München live zu sehen. Und wer weiß, vielleicht stürme ich die Bühne mit meiner akkustischen Gitarre und wir spielen ein Lied zusammen. Was die Pläne von BSF anbelangt, wird es die FFF Shows geben und im Sommer eine kurze, aber sehr schöne Tour inkl. Southside/Hurricane und Vainstream. Das war es dann aber für 2018. Was weiter geschieht, ist noch völlig unklar. Wir planen nie sehr weit voraus und mittlerweile weiß ja auch jeder, was wir von strategischen Marketingentscheidungen und solchem Bullshit halten. Fuck that. Wir sind eine Familie die, wenn es sich richtig anfühlt, zusammenkommt und alles gibt. Und das sind wir nicht für ein paar Jahre, sondern ein Leben lang.

Die meisten eurer Konzerte habt ihr in den vergangenen Jahren in Europa, vor allem in Deutschland, gespielt. Liegt das ausschließlich daran, dass euer Bassist in München lebt, oder hat das auch andere Gründe?

Robert: Ich glaube Europa und gerade auch Deutschland waren für BOYSETSFIRE schon immer ein sehr wichtiger Ort, einfach weil von der ersten Show an so viel Liebe zurückkam und die Leute der Band entgegen aller Trends und entgegen aller Bevormundung durch die Marketing-Strategen von großen Labels einfach die Treue gehalten haben. Wir wissen das SEHR zu schätzen und lieben es hier zu spielen. Nicht nur Deutschland – auch Österreich, Holland, Belgien, Ungarn, etc. Natürlich spielen wir auch gerne in den USA und Australien und Kanada, aber Mainland Europe war vom 1. Tag einfach besonders unterstützend. Ob das etwas mit meiner Wenigkeit zu tun hat, kann ich Dir nicht beantworten – geschadet hat meine Anwesenheit wohl nicht (lacht).

Du arbeitest bei einer Booking Agentur, gibst Yoga-Seminare und spielst in einer Hardcore-Band, das klingt nach einem spannenden Mischmasch und voller Belastung. Wie wird dein Alltag in zehn Jahren aussehen?

(Roberts Antwort auf dieselbe Frage in einem Interview mit My Hero Died Today im Ox 2006: „Letzte Woche hätte ich dir noch gesagt, mit Kindern, zwei Hunden, einer Webdesign-Firma, die Webseiten für vegane Restaurants und Ashrams in den USA baut. Aber heute bin ich mir gerade nicht so sicher, wie sich alles entwickeln wird. Wo ich mir sicher bin, ist, dass ich auch in zehn Jahren noch auf Flos Fußboden sitzen und stundenlang über Ryan Adams reden und OASIS hören kann. Familie ist der wichtigste Teil in meinem Leben und MHDT sind ein Teil meiner Familie. Wo ich persönlich sein werde, weiß nur Gott.“)

Robert: Ich habe in der Tat vor Kurzem mit meiner Frau zusammen diese Antwort gelesen und musste sehr lachen, denn meine Prognose war nicht so weit von meinem jetzigen Leben entfernt (lacht). Du siehst schon, damals waren Spiritualität und Familie die Kernpunkte meiner Existenz und genau so wird mein Weg auch weiter gehen. In 10 Jahren arbeite ich wohl nicht mehr in der Musikbranche, sondern werde mein Warrior Yoga & Movement Training mit BECOMINGME ausgeweitet haben (www.be-coming.me). Diese Arbeit gibt mir unglaublich viel und ich finde in mir eine Passion dafür wieder, wie es war als ich mit 12 Jahren ständig vom weltweiten Touren und Live-Spielen geträumt habe. Diese Träume wurden allesamt durch BSF erfüllt – wofür ich ewig dankbar sein werde – aber mittlerweile ist beruflich gesehen meine größte Passion, Menschen dabei zu helfen, Bewegung, Meditation und Atmung zu erlernen. Das wird also ein immer zentralerer Punkt in meinem Leben, der dank des großen Interesses auch immer mehr Platz einnimmt. Ansonsten werde ich weiter sehr glücklich verheiratet sein und alle verfügbare Zeit mit meinen zwei Kindern und unserem Hund Greta verbringen.

Mein Alltag ist – und wird das auch bleiben – sehr einfach. Er beinhaltet meine Familie, viel Bewegung, sei es auf der Yogamatte, im Boxgym oder im Park mit meinem Hund, viel Meditation und viel Lachen. Die restliche Zeit bin ich absolut süchtig nach Lesen, vegetarischem Essen und natürlich höre ich immer noch hauptsächlich Oasis, Kirtan – das ist indische Call-and-Response-Musik – oder Country (lacht).

Wer ein bißchen an meiner „Reise“ teilhaben will kann mir auf Instagram unter @be_coming_me folgen – hier werde ich auf Instagram Stories auch sehr eingehend alles rund ums FFF und die Sommertour dokumentieren. Also wer schon immer mal wissen wollte, was bei BSF hinter den Kulissen so abgeht, möge gern vorbeischauen.

Nathan Gray auf Tour:
03.02.2018 – Köln – Jungle Club
04.02.2018 – Hannover – Faust
05.02.2018 – Münster – Pension Schmidt
06.02.2018 – Berlin – Baumhaus Bar
07.02.2018 – Jena – Rosenkeller
08.02.2018 – Nürnberg – Club Stereo
09.02.2018 – Wien – Rhiz
10.02.2018 – München – Heppel & Ettlich
11.02.2018 – Karlsruhe – Cafe Nun

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Von |Veröffentlicht am: 15.01.2018|Zuletzt bearbeitet: 16.01.2018|1849 Wörter|Lesedauer 9,3 Min|Ansichten: 1141|Kategorien: Events, Interviews|Schlagwörter: , , , , , , , , , |0 Kommentare on Interview mit Robert Ehrenbrand (Boysetsfire) zur Neuauflage des Family First Festivals|

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Über den Autor: Florian Pichlmaier

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