KRITIK: ABBA – Gold – Greatest Hits (2022 Re-Issue)

KRITIK: ABBA – Gold – Greatest Hits (2022 Re-Issue)

Die Schwedische Märchen-Saga um die Neuerfindung der Europäischen Popmusik.

Machen wir es kurz: jede:r kennt ABBA. Wie bei vielen anderen, enorm erfolgreichen Formationen oder Künstler:innen, kommt man unter keinen Umständen an den schmissigen Klängen der vier Schwedischen Pop-Giganten vorbei. Nahezu jeder Radiosender hat die großen Hits im Programm, es gibt Musicals, ein eigenes Museum im Stockholm und vor allem unzählige Coverversionen (spontan fallen mir mit Frank Turner und Ghost zwei eher ausgefallenere Vertreter ein). Zudem bekennen sich zahllose Musiker:innen zum Fandom und benennen ABBA als ihre musikalische Sozialisation und Inspiration.

Und natürlich, die Zahl der Hater umfasst ganze Generationen! Jedoch wird die Hitmaschine in den seltensten Fällen tatsächlich ernstlich verachtet oder gescholten. Immer öfter hört man den Begriff „guilty pleasure“ und die wenigsten können verhehlen, dass es nicht zumindest einzelne Songs gibt, denen man etwas abgewinnen kann.

Order: ABBAGold – Greatest Hits (2022 Re-Issue)

Meine Eltern lieben ABBA. Meine Mutter bezeichnet beispielsweise Fernando als einen ihrer absoluten Favoriten und ließ es sich vor vielen Jahren nicht nehmen, ihrem Sproß diesen und weitere Stücke der Band zu füttern. Was ist passiert? Na freilich, ich fand es absolut furchtbar und grenzüberschreitend peinlich. Ich entwickelte mich in Richtung Rock, fühle mich auch heute noch dort zu Hause und ließ Agneta, Björn, Benny und Anni-Frid mit Gewalt links liegen. Aber was war mit den wunderbaren (ok, teils unsagbar pathetisch-kitschigen) Melodien und Texten, die ich in meiner frühesten musikalischen Entwicklung unbeabsichtigt aufgesogen habe? Sie blieben. Bis heute.

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Als die Compilation Gold – Greatest Hits erschien, gab es ABBA bereits seit 10 Jahren nicht mehr. Offiziell war immer von einer Pause die Rede, aber insgeheim war klar, dass die Luft endgültig draußen war.

Das Beziehungsende zweier der Mitglieder verkomplizierte vieles, der große Erfolg hinterließ natürlich seine Spuren, ABBA war Geschichte. Bevor es allerdings zu still wurde, kam mit der Zusammenstellung noch einmal eine massive Kelle Schwung in Sache!

Heue nach all den Jahren sitze ich in meiner Butze und höre mir das komplette Programm (mehrfach) mit Begeisterung an, staune über die wahnsinnige kompositorische Energie, schwelge in tatsächlich eher unfreiwilligen Erinnerungen.

Schmonzige Tanznummern wie Dancing Queen oder Mamma Mia besitzen trotz allem Glitter und Glam einen unglaublichen Tiefgang! Ich bin tatsächlich noch zu jung für die klassische Disco-Szene, aber ich kann mir bildlich vorstellen, was dort abgegangen sein mag! Neben diesem, stets launigen Pfuhl aus anregenden Gefühlen, neben happy tunes wie Take A Chance On Me oder Super Trouper, gibt es natürlich auch melancholische oder gar finstere Momente.

Knowing Me, Knowing You ist eine verdammt bittere Aufarbeitung einer Trennung, hinter deren Botschaft man sichtlich nicht sofort steigt. Schon gar nicht, wenn man dem catchy Gitarrenlick nur ein Fußwippen widmet. Junge, das muss weh getan haben! Eben so The Winner Takes It All oder One Of Us spiegeln große Gefühle dieses thematischen Feldes wider.

Hört man die Singles in ihrer auf der Compilation festgelegten Reihenfolge, wird einem schnell bewusst, wie unterschiedlich die Stücke eigentlich sind und letztlich auch, wie wohl durchdacht hier komponiert wurde. Björn und Benny haben einen beinahe unmenschlichen Aufwand betrieben, um monumentale Werke zu schreiben. Der Erfolg gibt ihnen natürlich stets recht. Neben den unterschiedlichsten Synthesizer-Sounds finden sich immer wieder klassische Instrumente wie Klavier oder Gitarre, bei I Have A Dream wurde mit einem Kinderchor gearbeitet und der erzeugt reinste Gänsehaut! Viele der Songs wurden ins Spanische übersetzt und natürlich schlugen sie spanischsprachigen Ländern ein wie Granaten. Allem voran natürlich das bewusst darauf hin komponierte Chiquitita.

Man kann es drehen und wenden wie man will, ABBA waren eine reine Maschine. Waterloo, Money, Money, Money, das freche Voulez-Vous… es ist wirklich kaum möglich die Nummern vollen Herzens Scheiße zu finden, dafür merkt jede:r, die/der sich auch nur im entferntesten der Popularmusik angenähert hat, wie viele Liebe in ABBAs Schaffen steckt.

Nun, bevor ich wieder zum Tagesgeschäft, Jazz, Death Metal, Menschheit in Frage stellen, usw. übergehe, genehmige ich mir noch einen weiteren Durchgang dieser wunderbaren Zusammenstellung. Man braucht nicht zwingend alle Studioalben, schon gar nicht in übertrieben teuren Box-Sets, für den Anfang reicht Gold völlig aus.

Thank you for the music!

P.S.: In einer Fußnote sei natürlich erwähnt, dass es ABBA wieder gibt und dass man tatsächlich erst vor kurzem ein wahrlich halbgares Album zusammen geschustert hat. Dazu kommt die bescheuerte Idee, seine Hologramme auf Tour zu schicken. Bleiben wir einfach dabei, dass sich ABBA 1983 aufgelöst haben. Ok?

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Von Veröffentlicht am: 04.10.2022Zuletzt bearbeitet: 04.10.2022783 WörterLesedauer 3,9 MinAnsichten: 838Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , 0 Kommentare on KRITIK: ABBA – Gold – Greatest Hits (2022 Re-Issue)
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Über den Autor: Steffen Eggert

Ich bin 37, verheiratet, habe zwei Töchter, lebe in Bayern und bin im echten Leben Sozialpädagoge. Meine musikalischen Wurzeln liegen grundsätzlich im Bereich Indie, Punk und im klassischen Heavy Metal, bin aber eigentlich offen für alles, solange es gut gemacht ist...

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