KRITIK: Melting Palms – Noise Between The Shades

KRITIK: Melting Palms – Noise Between The Shades

Melting Palms aus Hamburg leiten pünktlich zum Beginn und ihrer auf den 01.09.2022 datiertem LP-Release-Konzert im Berliner Cassiopeia, auch in der Hauptstadt den zweiten Sommer ein.

Kämen die Booker:innen der Ride 40th Anniversary Tour auf mich zu, sie seien auf der Suche nach einem passenden Tour-Support für dieses musikhistorische Ereignis, würde meine Direktantwort, ohne mit der Schulter zu zucken lauten, Melting Palms, da sie mit ihrer feurigen Mischung aus Shoegazer-Post-Punk und Post-Rock immer mehr Hörer:innen mitreißen können.

Der wohlklingende, hohe Gesang von Sänger Mike Krumhorn fließt ungewöhnlich eingängig, nicht zu vordergründig aufgenommen, über die Instrumentierung, wechselt sich mit Gitarristin Teresa Koeberle ab, während in einer Handvoll Tracks das Mikrofon komplett Teresa gehört und Mike konzentriert sich auf seine Gitarrenteppiche, wie es bereits Slowdive perfektionierten.

Ein weiteres Indiz, meines Vorschlag in Richtung Booking-Agentur, kann gut beim antesten des Album-Einstiegs, Withering Flowers erkundet werden. Drive und die sich umgarnenden Gitarrenmelodien erinnern mich durchaus an die beiden Ride-Alben, die nach ihrer Reunion 2017 und 2019 entstanden und einen ähnlichen Flow versprühen die fünf Musiker:innen wieder bei Ark, dem B-Seiten-Opener des mir vorliegenden Doppel-Vinyls.

So variantenreich alle vorab veröffentlichten Songs grob den weiter akzentuierten Band Sound skizzierten, legt Noise Between The Shades immer wieder neue Argumente frei, die mich zu dem Schluss kommen lassen, wir lauschen gerade der besten, mir bekannten deutschen Band deren Musik beweiskräftig von Shoegaze bis Post-Punk reicht.

Nova kontert die treibende Attitüde von Withering Flowers mit Zeitlupen-Atmosphäre, Mike addiert zusätzliche Klänge aus dem ansonsten eher sparsam genutzten Synthesizer, wobei Drummer Johann Wientjes seine Drumfills nicht weniger druckvoll einsetzt.

Schon der dritte Track Cascades Of Noise setzt die Gesetzmäßigkeiten des doch oft eher melodisch, melancholisch und dunkel angehauchten Genres ordentlich außer Kraft, lässt noch keine klassische Instrumentierung zu, denn ein Hit mit solchen Qualitäten tischt ordentlich Punk-Power auf, haut einige Breakdowns aus den Ärmeln und versprüht einhundert Tonnen positive Energie. Dem Konzert-Publikum scheint bei einem Auftritt nur ein Ausweg zu bleiben, denn wer jetzt nicht auf die Idee kommt eine Stafette an Crowdsurfing anzuzetteln und wenigstens einmal über den Mob zu gleiten, muss schon hoffen die fünf setzten ihr Post-Punk Kraftpaket Fuzed vom Debüt Abyss auf die Setlist.

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Ark hat ein Cello im Gepäck, Teresas und Mikes Stimmen überlagern sich, wir hören Pianoklänge und ein Dinosaur Jr./Sonic Youth infiziertes Gitarrenriff lässt den Midtempo-Indie-Rocker in eine atonalen Schleife enden.

Halte ich zu Beginn von Tangerine noch kurz inne, die Gitarren spielen ein unendlich klingelnde, den Memory-Effekt hervorrufende Melodie aber spätestens nach dem Refrain kommt so etwas wie ein von mir viel gerühmter Sunny Day Real Estate/Appleseed Cast Gedächtnis-Part zum tragen, erinnert mich an psychedelische Momente beider Emo-Kapellen und bricht zu Ende doch noch ordentlich aus. Drei Gitarristen:innen erzeugen dann doch eine oft intensivere Wall Of Sound, Gitarrist Tim Dajan Thiele ist der Dritte im Bunde und glücklicherweise geht das tighte Basspiel von Lukas Schulz auch aufgrund der guten Produktion nicht in ihr unter, oder werden von den Cymbals erschlagen. Auf der anderen Seite der Medaille zeigt sich, wie super Teresa, Mike, Lukas, Johan und Tim aufeinander eingespielt sind und genau wissen wie ihr Sound klingen sollte.

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Nach dem Instrumental Cocoon, welches musikalisch an This Mortail Coil und die Cocteau Twins erinnert, haut Tim zum vierten und letzten Streich zusätzliche seine Ambient-Guitarlines unter jetzt Feedback getränkte Riffs. Teresa führt mit ihrem Gesang den wohl untypischsten Song des Albums an und entführt uns in goldene Zeiten, in denen späte X-Mal Deutschland, Skeletal Family oder auch Siouxsie And The Banshees in den Single-Charts vertreten waren und lässt die leicht lärmigen Gitarren nicht zu kurz kommen. Obwohl untypisch steht der „Song der Achtziger“ Nymph, wie handgefertigt und abgeschmeckt nicht abseits im Kontext der übrigen Songs, sondern unterstreicht die Klasse des zweiten Melting Palms-Album, welches sich nicht davor scheut klassische Instrumente wie Viola, Cello, Trompeten und Piano, ohne das diese die Überhand gewinnen würden, klug einzusetzen und wurden größtenteils von Gastmusiker:innen eingespielt.

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Orchards Lie, Sheela, das vorletzte Lied Cyclone, welches ohne Schlagzeug auskommt und lieber den Synthesizer in Betracht zieht, oder auch Aurora, bei dem wir wieder Teresas unverwechselbar, wandelbare Stimme zu Hören bekommen vollenden ein verdammt gutes Album, das in punkto Songwriting und Produktion ihr Debüt doch um einiges überrundet.

Falls ihr nun Blut geleckt habt, unterstützt diese fantastische Hamburger Band, denn La Pochette Surprise Records, haben das Album in Top Pressqualität und Druck umsetzen lassen können, dessen Artwork von Teresa und Rieke Spindeldreher entworfen, Heerschaaren von Schmetterlingen zeigt.

Wie ihr in meinem, mit der Band kürzlich geführten Interview nachlesen könnt, wenn ihr wollt, konnte ich leider zu erwähnter Release-Show nicht erscheinen und auch der Hintergrund zum Videoclip von Crimson Eye wird dort thematisiert.

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Von Veröffentlicht am: 05.10.2022Zuletzt bearbeitet: 05.10.2022846 WörterLesedauer 4,2 MinAnsichten: 681Kategorien: Alben, Kritiken0 Kommentare on KRITIK: Melting Palms – Noise Between The Shades
Von |Veröffentlicht am: 05.10.2022|Zuletzt bearbeitet: 05.10.2022|846 Wörter|Lesedauer 4,2 Min|Ansichten: 681|Kategorien: Alben, Kritiken|0 Kommentare on KRITIK: Melting Palms – Noise Between The Shades|

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Über den Autor: Nico Pfueller

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