KRITIK: HVOB – Rocco
81 Minuten. Eine Stunde und einundzwanzig Minuten ist Rocco lang.
Rocco von HVOB hat mit einer Ausnahme keinen Song unter fünf Minuten. Kommt ganz unscheinbar, Sonntagmittag loungig, Berlin-Galerie-Eröffnung-Prosecco-saufend daher. Loungemusik, musikalisches Todesurteil. Aber.
HVOB (Her Voice over Boys) haben hier etwas geschafft, was zuletzt Moderat mit III gelungen ist. Sich musikalisch so zwischen Schweben und Fallen zu positionieren, dass man keine Sekunde weghören kann. Es nie ganz belanglos, ganz todtraurig, ganz Elektro oder ganz Pop ist. Das hält fest. Sehr.
Und die Songlängen sind keine Ausreden, kein Nicht-zum-Punkt-kommen, sondern im Gegenteil: Ein Statement. Hier wird sich textlich und musikalisch mit aller Tiefe mit sich und der Welt auseinandergesetzt. Ohne Kompromisse. Aber mit Zeit. Der Prozess ist das Ziel. Das ist selten und mutig. Und es hypnotisiert.
Auf einzelne Songs einzugehen, den einen oder anderen hervorzuheben, würde Rocco als Gesamtwerk, als 81-minütige Geschichte unrecht tun. Nichts sticht hervor, nichts drängt sich auf. Alles hypnotisiert, kitzelt gleichzeitig das Tanzbein, die Seele und das Ohr.
Was Anna Müller und Paul Wallner auf ihrem vierten Album geschaffen haben ist das Gegenteil von Wegwerfmusik. Man kann sich Rocco weder entziehen, noch es greifen. Songstrukturen, Melodielinien, Themen – alles wird entwickelt, ausgereift und zu Ende gedacht. Im ganz eigenen Kosmos, so fremd und doch so transparent, wie es Nils Frahm oder in seinen besten Zeiten Aphex Twin schaffen. Diese Platte wird auf Jahreslisten landen. Und wirken. Und inspirieren. Alles nur halb so wichtig, denn: Rocco berührt ganz, ganz tief.
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HVOB – Too (LP) (08.04.2022)26,99 €
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HVOB – Live In London (3LP) (12.03.2021)39,99 €
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