City Light Thief – Nothing Is Simple
Vö: 03.05.2018 Midusmmer Records iTunes LP kaufenVielfältiges Genrefeuerwerk fernab von jeglicher Beliebigkeit.
Der letzte Longplayer der Grevenbroicher Post Hardcore Spezis von City Light Thief liegt bereits fünf Jahre zurück. Zwischenzeitlich gab es eine EP und eine Single, dennoch war es überwiegend still um die Band. Natürlich hat es uns umso mehr gefreut, als bekannt wurde, dass in diesem Jahr endlich der Nachfolger des geilen Vacilando (2013) in den Startlöchern steht. Vorerst nur digital zu haben, kommt im Laufe des Jahres auch eine Vinylversion des Albums via Midsummer Records. Den Grund für die Abstinenz haben sie uns auch verraten, es wurden nämlich (ich zitiere) „Kinder bekommen, Ehen geschlossen, Arbeitsverträge unterschrieben und vor allem Grenzen verschoben“, der ganz normale Wahnsinn eben und ein Indiz für uns, dass wir es hier mit überaus normalen Leuten zu tun haben. So richtig normal ist „Nothing Is Simple“ allerdings nicht geworden, sondern überaus explosiv und ambitioniert.
Bereits im ersten Song passiert unglaublich viel. „To Hysteria“ startet furios. Es kratzt, Melodien sprießen, es wird gebrüllt und gesungen, Tempiwechsel und Chöre sorgen für die nötige Vielfältigkeit. Screamoparts münden in schwebende Postrock Parts, angepisste Aggressionen koexistieren mit wohliger Harmonie, frickelig und progressiv ist es von Anfang bis Ende. Irgendwo im Punk liegt dann „Death Trip“, mit einem catchigen, aber keinesfalls zu glattgebügelten Riff. Der Gesang ist absolut ungetrübt und steht über dem scheppernden Rest. Kaum sind wir im Chorus, wird auch wieder ordentlich geplärrt, allerdings unterstützt durch eine Horde Frauen. Oder Kastraten. Ok, ich gestehe, es gab eine Schrecksekunde, aber kaum war diese verstrichen, verbuche ich das unter „coolem Move“, es passt und macht Spaß. Feine 90er Emo-Anleihen sind hier auch zu vernehmen, das sei an der Stelle noch erwähnt.
„Fatique“ ist wieder völlig anders. Drogig und psychedelisch kriecht die Musik unter der lasziven Stimme durch, bis der mathige, anspruchsvolle Refrain Erinnerungen an frühe (und damit gute) MUSE weckt. Das Ding wird sicher eine Single, hier sind eigentlich alle Wesensmerkmale einer Hymne vorhanden. Wieder fällt mir auf, dass der Gesamtsound alles andere als brillant, sondern trotz all der durchdachten Musik sehr schroff daherkommt. Aber es hat alles Hand und Fuß und passt zusammen. Die Halbballade „Somersault“ schaukelt sich nach und nach zum brüllenden Uptempo-Ungetüm hoch und verbreitet wieder ordentlich Spannung, bis mit „Infinity Loop“ ein lupenreiner Post Hardcore Kracher zündet. Wehmütige Synthesizertöne, deutliches, präsentes Schlagzeug, arschfetter Bass und insgesamt viele künstliche Töne kitzeln letztlich wieder herbes Gebrüll aus dem Leib des Sängers. Mal lauter, mal leiser, mal dezent poppig, die Richtung steht hier überhaupt nicht fest. Supergeil auch die 80er-Tribute Gitarren. Bisher mein absoluter Favorit und ausgesprochener Anspieltipp!
„Say Yes To Everything“ kommt erstmals richtig verträumt daher. Ein sehr geiles und ruhiges Gitarrenriff wird mit einer auf seltsame Art und Weise passenden Orgel umschmeichelt. Trotzdem fehlt es keinesfalls an Druck. Hier platzt der Pop auch erstmals richtig deutlich in die Veranstaltung und die Musik erinnert irgendwie an die Glanzzeiten von Jimmy Eat World, natürlich mit viel brachialerer Stimme, versteht sich. „No one, nowhere“ ist knüppelige, aggressive Hektik in psychedelischem Kontext. Schräg, aber irgendwie logisch. Etwas erwachsener wird es dann mit dem krassen „Trickster“ und dem eher versöhnlichen „Communion“. Ersteres wütet zwar ernstlich, lässt aber immer wieder harmonische und ruhige Passagen zu, bis letzteres wieder um dezente Synthesizer ergänzt in Post- und Indie Rock Gefilden fischt.
Auch das wieder kompliziertere, mehrschichtige „Body Horror“ wechselt von kratzig und chaotisch zu träumerisch und schweifend und stützt das bisher aufgebaut Konzept perfekt. Zum Ende schmeißt der „Torch Song“ noch einmal amtlich alles um und konkurriert hart mit „Infinity Loop“ um den Platz des geilsten Songs auf dem Album. Die Mischung aus sanfter Ballade und brachialer Hymne ist abschließend noch einmal ein Ausdruck für Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit der Band.
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