An Early Cascade – Alteration

An Early Cascade – Alteration

Genrewundertüte aus komplexem Alternative- und Progrock mit Post-Hardcore Einflüssen und einer Schippe Post-Rock

Die Stuttgarter Formation An Early Cascade hatte sich einst dem Metalcore verschrieben, hat sich aber mit jeder Veröffentlichung weiter- und vom wütenden Geprügel wegentwickelt. Die letzte EP „Kairos“ (2015) hat schon recht deutlich durchscheinen lassen, in welche Richtung man sich zukünftig bewegen wird. „Alteration“ kommt als logische Konsequenz der Bandentwicklung und stellt zweifelsfrei den bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens dar.

Wer hier jetzt seichten, positiv beschwingten, leicht verdaulichen Alternative-Rock mit eingängigen Texten erwartet, sollte in der nächsten Dreiviertelstunde vielleicht einen Kaffee trinken gehen, hier gibt es nichts zu holen. Ganz im Gegenteil, hier gibt es anspruchsvolle, perfekt durchdachte Musik, tiefgründige und überaus emotionale Lyrics und eine eher düstere und manchmal fast unheilschwangere Stimmung. „Alteration“ ist ein recht derber Batzen, dem man unbedingt einige Durchgänge gewähren sollte, um ihn gänzlich zu begreifen und um sein volles Potenzial zu entdecken.

„Reset“ leitet das Album mit einem groovigen Riff ein, geht direkt nach vorne und erreicht quasi gleich zu Anfang ein hohes Niveau, das bis zum letzten Track gehalten wird. Sänger Maik Czymaras Gesang variiert von Brust- zu Kopfstimme, bis hin zu derben Shouts. Ein Akustikgitarrenpart stellt einen der wenigen Ruhemomente der Platte dar, bis es mit dem ersten Hit „Living In Exile“ wieder ordentlich zur Sache geht. Eine Perle an mitreißendem Alternative-Prog, mit arschcoolem, hymnischen Refrain, der sofort hängen bleibt und den auch der Rezensent nach einigen Durchläufen bislang nicht mehr aus dem Kopf bekommt. „Without You I Am Nothing“ brilliert im eher klassischen Post-Rock Gewand, mit zusätzlich rumpelndem Bass und perfekt passenden Soundscapes im Hintergrund, während „Desolate“ und „Narrow“ dem modernen Alternative-Rock huldigen und direkt an Kollegen wie Thrice oder Dredg erinnern, vor allem weil hier wie bereits eingangs erwähnt auch gerne mit vertrackteren Strukturen und vielen unterschiedlichen Parts gearbeitet wird. „Wrong Things“ wirkt erst ein wenig unstrukturiert, entwickelt sich aber spätestens im letzten Drittel zu wirklich feinen 90er Reminiszenz mit angebluestem Gesang, was allerdings wirklich gut ins Konzept passt. „Dependents“ schön abwechslungsreich und stilistisch durchwachsen, mit groovenden Licks, Post-Hardcore Anleihen und hymnischen Bombastchorus bereitet den Weg zu „Blue-Eyed“, dem nächsten hitverdächtigen Song auf dem Album, der punkig und eher positiv belegt rüberkommt, geile, aufrüttelnde Rhythmen und irre Gitarren im Hintergrund. Großartiger Song! Mit „Resolutes“ bleibt es etwas poppiger, aber auch hier braucht man eine Weile, bis man durchgestiegen ist. „Everything Is Alright, Nothing Is Ok“ ist musikalisch wie textlich ein sehr bitterer und schwermütiger Song und spiegelt offenbar eine erlebte Tragödie wider. Mit den Worten werden sich sicherlich einige Hörer identifizieren können, soviel sei dazu gesagt. „Asunder“, ganz bestimmt eine Herzgeschichte ohne Happy End („There’s no more blood in you and I“), hat eine balladeske Grundstruktur, bekommt aber durch eingestreutes, derbes Gebrüll die nötige Härte verliehen um nicht als Schwachpunkt des Albums durchzugehen. „All I Need“ schließt „Alteration“ ab. Eine gute Mischung als Melodie und Aggression, der Sänger erreicht die letzten ungeahnten Sphären seiner Fähigkeiten und macht damit selbst einem Matthew Bellamy (MUSE) ernsthafte Konkurrenz. Nur dass dieser mit seiner Band in den letzten Jahren kein so starkes Album hingelegt hat.

Besondere Aufmerksamkeit darf auch der Qualität und der Aufmachung des Vinyls geschenkt werden. Midsummer Records beschert uns hier eine saubere, fehlerfreie Scheibe mit klarem Klang und einem wunderschön gestalteten Cover, das durch kräftige Farben und gute Verarbeitung glänzt. Ein fettes Insert im gleichen Design, mit allen Lyrics und Credits gehört zudem zum Lieferumfang.

An Early Cascade haben einen absoluten Grower abgeliefert! Man muss dem Album ein wenig Zeit widmen, wird aber letztlich mit einem wirklich geilen, modernen Rockalbum belohnt.

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Von Veröffentlicht am: 08.06.2017Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018637 WörterLesedauer 3,2 MinAnsichten: 1227Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , , 0 Kommentare on An Early Cascade – Alteration
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Über den Autor: Steffen Eggert

Ich bin 37, verheiratet, habe zwei Töchter, lebe in Bayern und bin im echten Leben Sozialpädagoge. Meine musikalischen Wurzeln liegen grundsätzlich im Bereich Indie, Punk und im klassischen Heavy Metal, bin aber eigentlich offen für alles, solange es gut gemacht ist...

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