BERICHT: Pukkelpop / 14.08.2014 – 16.08.2014, Hasselt Belgien

BERICHT: Pukkelpop / 14.08.2014 – 16.08.2014, Hasselt Belgien

Das dritte Augustwochenende hatte es was die Festivaldichte angeht wirklich in sich: Summer Breeze, Highfield, Rock ‘n‘ Heim, Dockville und noch viele weitere Veranstaltungen wurden durchgeführt. Die Entscheidung für das Pukkelpop Festival in Hasselt war allerdings relativ einfach nach dem letztjährigen Besuch. Vor allem die große Auswahl an Bands verschiedener Genres ist wirklich schwer zu toppen. An der Spitze des diesjährigen Line Ups standen Editors, The National und Queens of the Stone Age als Headliner. Ein Name wie Eminem fehlt im Gegensatz zu 2013er Ausgabe, aber es ist auch naiv zu glauben, dass jedes Jahr solche absoluten Megastars des Business gebucht werden können und darüber hinaus macht ein Name noch lange kein Line Up.

Leider suchte das Pech auch dieses Jahr das Festival heim, denn am Dienstag vor dem Festival stürzte bei einem Sturm das Zelt der Club Stage ein. Verletzte gab es zum Glück keine und die Veranstalter schafften es tatsächlich innerhalb von zwei Tagen ein neues Zelt aufzubauen. Dafür gebührt ihnen auf jeden Fall Respekt.

Mittwoch:
Zur Anreise ist eigentlich nur eine Sache zu sagen. Für ein Festival dieser Größenordnung verläuft die Anfahrt komplett entspannt. Kein bzw. kaum Stau oder Warten. Alles ist wunderbar geregelt und die Ordner sind immer freundlich und hilfsbereit. Es gibt zwei große Campingplätze, einen direkt gegenüber des Festivalgeländes und einen etwas abseits. Bereits bei der Bestellung der Tickets muss der Campingplatz mit angegeben werden.

Abends gibt es wie jedes Jahr eine Party im Boiler Room auf dem Festivalgelände, die wir aber auslassen und stattdessen lieber beim Kartenspielen den Abend ausklingen lassen.

Donnerstag:
Der erste Festivaltag startet mit einer kostenlosen, warmen Dusche. Da ist auch der etwas zu geringe Wasserdruck zu verschmerzen. Der Weg vom etwas abseits gelegenen Campingplatz zum Festivalgelände nimmt zwar ungefähr eine halbe Stunde Fußweg in Anspruch, führt dabei aber durch ein hübsches Waldgebiet, was den Weg sehr erträglich macht. Alternativ kann allerdings auch ein Shuttle Bus genommen werden, welcher direkt vor dem Eingang des Festivals hält.

Das Festivalgelände ist mit viel Liebe gestaltet. Es werden viele Fahnen aufgestellt. Das Riesenrad aus dem letzten Jahr ist in einer deutlich größeren Version an anderer Stelle zu finden. Darüber hinaus gibt es immer wieder Sachen zu entdecken wie eine Blaskapelle, die den ganzen Tag über das Gelände streift und hier und da ein Stück zum Besten gibt. Außerdem sorgen Ruhezonen abseits der Bühne mit diversen Sitzgelegenheiten für eine entspannte Stimmung fern ab von den Konzerten. Das Essensangebot ist wirklich reichhaltig. Vom Standardfestivalessen a la Pommes, Döner und Pizza abgesehen gibt es auch Ausgefallenes wie zum Beispiel Muscheln. Die Preise reichen dabei allerdings von gerade noch verschmerzbar bis völlig überteuert.
Herzstück des Geländes sind die acht Bühnen. Neben der Main Stage gibt es noch sieben weitere Bühnen, die alle in Zelten untergebracht sind: Marquee, Shelter, Dance Hall, Boiler Room, Club, Castello und Wablief. Die beiden letzten sind in geschlossenen Zelten untergebracht, deren Besucheranzahl über Ampeln am Ein- und Ausgang geregelt wird. Die anderen Zelte sind zu jeder Zeit frei zugänglich. Außerdem befindet sich vor dem Boiler Room eine weitere große überdachte Fläche auf der nach Herzenslust getanzt werden kann.

Mein Tag beginnt vor der Main Stage mit Wallace Vanborn. Die Band kommt aus Belgien und hat heute dementsprechend Heimspiel. Anders als letzte Woche auf dem Ieperfest heißt das leider nicht, dass es vor der Bühne voll wird. Die Band spielt vor einer sehr überschaubaren Anzahl an Personen. Geboten wird eine Mischung aus Garage und Stoner Rock, der durchaus ordentlich daherkommt. Auf der technischen Ebene sicherlich noch ausbaufähig bleibt im Nachhinein vor allem die markante Stimme des Sängers im Gedächtnis.
Im Marquee spielen anschließend St. Lucia ihren ersten Auftritt auf belgischen Boden. Auf der Bühne stehen unter anderem zwei Keyboards, die mal beide, mal auch nur einzeln ihren Nutzen finden. Ab und zu wird auch in Songs auf diverse Trommeln zurückgegriffen, was dem Mix aus Indie und Elektro ein Bisschen Härte verleiht. Insgesamt kommen Songs wie „Elevate“ gut beim Publikum und bei auch mir an. Was sich die Band bzw. der Sänger allerdings hätte sparen können ist die Windmaschine direkt vor ihm. Das war irgendwie noch nie cool, nicht beim Power Metal und auch nicht bei St. Lucia.
Wieder zurück auf der Main Stage bieten American Authors einen Sound, irgendwo im Bereich von Indie und Alternative Rock. Die Sonne ist nach einem verregneten Morgen mittlerweile sichtbar und die Musik eignet sich gut zum seichten Kopfnicken im Sonnenschein. Wirkliche Begeisterung lösen die Herren in mir allerdings auch nicht aus. Wie schon bei der vorherigen Band ist es auch hier eine Premiere: der erste Festivalauftritt in Europa. Der Sänger scheint dabei zu versuchen, das Publikum durch überschwängliches Loben auf seine Seite zu ziehen. Spätestens nach der 5. Lobeshymne nervt es allerdings nur noch. Zwischendurch wird noch ein kleines Geburtstagsständchen für den Gitarristen eingestreut, bevor mit der Single Best Day of my Life das Set abgeschlossen wird. Diese hat ziemlichen Ohrwurmcharakter und verfolgt mich noch eine ganze Weile nach dem Auftritt.

Nun muss ich zum ersten Mal an diesem Wochenende den längsten aller Fußwege zurücklegen. Von der Main Stage zur Dance Hall dauert es trotzdem nur 5-10 Minuten, je nach Besucheraufkommen. An dieser Stelle möchte ich einmal kurz auf die Besucher eingehen. Durch das große Tageskontingent finden sich viele Leute gehobenen Alters auf dem Gelände. Das wird allerdings dadurch kompensiert, dass die Besitzer eines Wochenendtickets sehr jung sind. Also ein Festival für jung und alt. Leider auch ein Festival des Sehen und Gesehenwerden. Vielleicht habe ich an dieser Stelle auch eine falsche Vorstellung, aber für viele Leute scheint hier das gute Aussehen deutlich wichtiger zu sein als praktische Klamotten. Trotz allem Styling sind die Leute aber durchweg musikbegeistert. Das Gelände ist immer sehr früh gut gefüllt und Leute, die das Festival vor allem auf dem Campingplatz verbringen, scheint es nur ganz wenige zu geben.

Auf der Dance Hall Stage spielen nun Cut Copy aus Australien. Ich ziehe die Band an dieser Stelle Vance Joy vor. Berichten zufolge ist das wohl auch eine gute Entscheidung, da dort das gesamte Publikum quasi nur auf Riptide gewartet hat. Cut Copy sind noch kommen noch deutlich elektronischer daher als St. Lucia. Zum ersten Mal an diesem Tag kommt richtig Bewegung ins Publikum. Diverse Leute tanzen ausgelassen zu den feinen Elektroparts, die sich immer wieder zwischen den vom Indie geprägten Sound mischen. Untermalt wird das Ganze von ersten kleineren Videos auf der Leinwand im Hintergrund. Einige Songs kommen sehr basslastig daher, was zwar cool ist, teilweise aber den Sound zu einem Dröhnen verkommen lässt. Alles in allem ist es aber ein sehr sehenswerter Auftritt.
Danach begebe ich mich ins Castello, wo Young Fathers das Publikum mit ihrer speziellen Art von Hip Hop begeistern. Das Gesamtkonzept der Band ist hochinteressant und innovativ. Drei Herren rappen zu seichten, aber trotzdem druckvolle Elektrobeats. Diese werden immer wieder durch Drums unterstützt. Ruhige und tanzbare Parts wechseln sich ab. Die Lichtshow im ziemlich dunklen Castello ist zwar schlicht, erfüllt aber trotzdem ihren Zweck. Die Band ist in ihrer Art und Weise sicherlich etwas Besonderes und sollte im Auge behalten werden.

Anschließend folgt auch schon mein persönlicher Tiefpunkt des Wochenendes: Perfect Pussy auf der Marquee Stage. Das erste, was ins Auge sticht, ist die sehr androgyne Sängerin in einem weißen Rock und bauchfreiem Top. Der Sound der Band ist auch auffallend. Auffallend daneben. Es klingt alles sehr schlecht abgemischt, Rückkopplungen inklusive. Mit der Zeit beschleicht mich aber auch das Gefühl, dass dies Absicht sein könnte. Die Band klingt an sich so wie eine Punkband, die sich überlegt hat, dass sie jetzt lieber wie Converge klingen möchte, dies aber auf technischer Ebene einfach nicht realisieren kann. Zusätzlich wird noch eine Prise Elektro eingestreut, was die Sache aber auch nicht besser macht.
Zurück im Castello begebe ich mich genremäßig in ganz neue Gewässer. Der momentan schwer angesagte Soulsänger Kwabs macht sich bereit für seinen Auftritt. Nur begleitet von Keyboard und Acoustic Gitarre gibt er seine Songs zum Besten. Die Stimme ist wirklich beeindruckend. Leider ist Soul noch nie mein Fall gewesen und so können mich die Songs nicht wirklich begeistern. Die etwas poppigeren Nummern kommen dabei zumindest bei mir besser an. Zu den Klängen des Radiohits Wrong Or Right verlasse ich allerdings das Zelt und mache mich auf den Weg zur Dance Hall.

Dort spielt mit eine Künstlerin, die mir beim Durchhören der mir unbekannten Acts des Festivals sehr positiv aufgefallen ist. Dementsprechend hoch sind meine Erwartungen und was soll ich groß sagen? Die Dame aus Dänemark überbietet diese mit Leichtigkeit. Der Sound irgendwo zwischen Indie und Dream Pop lädt zum Tanzen und Träumen an. Ganz im Gegensatz zu den recht ruhigen Klängen macht Karen Marie Ørsted, wie mit bürgerlichen Namen heißt, ordentlich Stimmung. Eigentlich immer in Bewegung ist sie diverse Male im Publikum zu finden. Ob Crowdsurfend oder in der Menge stehend, Die Frau weiß, wie man eine Menge mitreißen kann. Nach diversen Songs des aktuellen Albums No Mythologies to Follow wird als kleines Highlight mit Say You’ll Be There ein Spice Girls Cover gespielt, bei dem die Herzen aller höher schlagen, die in den 90ern aufgewachsen sind. Mit Don’t Wanna Dance wird anschließend das Set abgeschlossen, welches zum ersten Highlight des Festivaltages avanciert.

Anschließend begebe ich mich wieder zur Marquee, wo To Kill a King leider vor einer geringen Besucherzahl ihren Auftritt absolvieren. Die meisten Leute ziehen an dieser Stelle wohl die parallel spielenden Die Antwoord vor. Was an dieser Band auch nur ansatzweise cool oder spannend sein soll wird sich mir wohl nie eröffnen. To Kill a King bieten Indie/Folk mit einer Prise Elektro. Zu Beginn sind die Songs recht ruhig und es kommt auch vermehrt die Acoustic Gitarre zum Einsatz. Mit der Zeit kommen die Stücke aber deutlich flotter oder spielfreudiger daher und sorgen für solide Unterhaltung. Leider muss ich der Band ein Bisschen früher den Rücken kehren um mich zur Club Stage zu begeben.

Auf dem Weg dahin bewahrheitet sich meine Vermutung. Vor der Main Stage ist es bei Die Antwoord so voll als würden bereits die Editors spielen. Einfach unglaublich, aber in Deutschland ziehen Bands wie Deichkind mit ihrem partytauglichen Elektro auch Tausende Leute vor die Bühnen. Also warum wundere ich mich hier? Zurück zur nächsten Band. Das sind Deafheaven, welche heute wirklich glänzend aufgelegt sind. Der Soundmix von Black Metal und Post-Rock ist einfach einzigartig und darüber hinaus noch großartig. An dieser Stelle hat vor allem der Sänger ein Lob verdient. Im Gegensatz zur Tour mit Russian Circles vor zwei Jahren hat sich seine Stimme deutlich verbessert. Das ganze Set hindurch behält sie ihren Klang und das Kreischen ist gut zu hören. Sein Gehabe ist zwar immer noch etwas merkwürdig, aber darüber kann ich bei Songs wie Dream House hinwegsehen. Das Publikum ist ebenfalls begeistert. Einige Leute ignorieren dabei das Crowdsurfverbot. Nachdem auch noch ein neuer Song gespielt wird schließt die Band das Set mit Unrequited ab. Für mich ist dies der beste Auftritt des Festivals. Bitte möglichst schnell wieder nach Europa kommen!

Mein Plan sieht es nun eigentlich vor im Castello den Rest von Jungle zu sehen. Leider ist das Zelt komplett überfüllt und ich stehe vor einer roten Ampel. Notgedrungen entscheide ich mich dafür, Ella Eyre auf der Marquee Stage zu schauen.  Die junge Dame wird dabei von einer Band und zwei Backgroundsängerinnen begleitet. Noch immer etwas geflasht von Deafheaven kann dieser Auftritt eigentlich nur ein Rückschritt werden. Aber die Dame macht ihre Sache wirklich ordentlich und singt sich routiniert durch ihr Repertoire an Hits. Das Publikum ist begeistert, ich eher weniger, komme allerdings nicht drum herum hier anzumerken, dass sie eine wirklich fantastische Stimme hat. Leider verhält sie sich ähnlich wie der Sänger der American Authors und bekundet nach jedem Song ihre Liebe zum Publikum. Das sollte sie in Zukunft besser lassen.
Anschließend geht es wieder rüber zum Club Stage zu Temples. Der Sänger mit seinem Afro bekommt im Vorhinein schon mal den Award für die beste Frisur des Festivals. Die Musik kann sich aber durchaus auch sehen/hören lassen. Der Psychodelic Rock kommt sehr ruhig und entspannt daher. Insgesamt fühlt man sich während des Auftritts in die 60/70er Jahre zurückversetzt. Teilweise ist es sogar ein Bisschen zu ruhig. Die cooler eingestreuten Stoner Riffs und der Keyboardsound trösten allerdings darüber hinweg und machen das Set zu einer rundum gelungenen Sache.

Nun wird es wieder voll vor der Main Stage, denn nun spielt die Band, auf die ich mich wahrscheinlich am meisten gefreut habe. Outkast, das Hip Hop Duo aus Atlanta, sind zurück und machen auf ihrer umfassenden Festivaltour im Jahr 2014 auch auf dem Pukkelpop halt. Begonnen wird mit einem Klassiker vom Album Stankonia. B.O.B. ist meiner Meinung nach ein wirklich gelungener Opener. Andre 3000 und Big Boi zeigen auch direkt, dass sie nach der langen Pause nichts verlernt haben. Die beiden bieten wirklich eine super Show unterstützt von allerlei Videos. Bereits als dritter Song wird Atliens gespielt und ich hoffe, dass nun auch wirklich die letzter Person vor der Bühne merkt, dass Outkast mehr als Ms. Jackson und Hey Ya! zu bieten haben. Natürlich werden im späteren Verlauf auch diese Hits gespielt und natürlich herrscht dabei auch die beste Stimmung, aber auch dazwischen überzeugen die beiden Herren mit alten Songs wie Aquemini. Ich habe auch das Gefühl, dass sie wirklich Lust haben wieder live zu spielen und dabei Spaß für 10 Leute haben. Unterstützt werden sie dabei von einem Gastsänger und zwei Backgroundsängerinnen. Selbstverständlich werden auch Einzelsongs des Speakerboxxx/The Love Below gespielt. Anders als bei Eminem im letzten Jahr werden hier auch viele Songs komplett vorgetragen, was ich sehr begrüße. Nach dem bärenstarken So Fresh, so Clean wird langsam zum großen Finale angesetzt und das Set finde mit The Whole World einen würdigen Abschluss. Top Auftritt, super Unterhaltung, ich bin begeistert.

Die letzte Band vor dem Headliner, die ich schaue, sind Black Lips auf der Club Stage. Dazu sei gesagt, dass die Club Stage am Ende des Platzes vor der Main Stage steht und die beiden Bühnen immer abwechselnd bespielt werden. Der Sound bewegt sich im Bereich des Garage Rock. Dabei weiß die Band vor allem auf der instrumentellen Ebene zu überzeugen. Die Stimmen der Sänger hingegen nerven auf Dauer etwas. Allerdings nimmt das Set im Verlaufe des Sets mehr und mehr Fahrt auf. Auch der zwischenzeitliche Einsatz eines Saxophons wirkt sich positiv auf den Gesamteindruck aus. Das Publikum würdigt den Auftritt lautstark und mit einigen Crowdsurfern.
Als Headliner des heutigen Tages wurden die Editors gebucht. Interessant, wenn man bedenkt, dass die Band in Deutschland diese Größe noch lange nicht inne hat. Allerdings haben in Belgien im Gegenzug Bands wie Billy Talent einen deutlich kleineren Status. Meine persönliche Meinung: Belgien macht es an dieser Stelle besser. Das Set beginnt mit Sugar und Band und Publikum sind von Anfang an mit vollem Eifer dabei. Es ist ein würdiger Auftritt für einen Headliner. Die Lichtshow ist ebenfalls angemessen und auch die eingespielten Videos können sich sehen lassen. Nach Nothing verlässt die Band zum ersten Mal die Bühne. Anschließend werden aber noch fünf weitere Songs zum Besten gegeben. Der erste dieser Songs, The Weight, wird dabei in einer Acoustic Version gespielt. Endgültig abgeschlossen wird das Set mit Papillon und einem kleinen Feuerwerk abgeschlossen. Ich bin wirklich kein großer Fan der Editors, aber an diesem Auftritt gibt es wirklich nichts auszusetzen.

Danach geht es wieder zurück zur Club Stage, wo wohl die Shoegaze Legenden schlechthin spielen. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich mich vorher nie mit Slowdive beschäftigt habe. Jaja, ich weiß, Schande auf mein Haupt. Dennoch kann ich dem Auftritt einiges abgewinnen. Die Songs sind ruhig und langsam, aber dennoch nie langweilig und immer fesselnd. Die Bezeichnung Dream Pop ist hier wirklich goldrichtig. Der Sound versetzt einen in eine Art Trance aus der man nicht entkommen kann. Im Zelt ist es auch verhältnismäßig ruhig. Die Zuschauer lauschen alle bedächtig, wohl wissend, dass dies wahrscheinlich die einzige Chance ist diese band live zu erleben. Abgeschlossen wird der Auftritt schließlich mit einem Cover von Syd Barrett.
Nach dieser ruhigen Stunde schließe ich meinen Tag noch mit etwas Krawallmusik ab. Die Dance Hall ist völlig überfüllt während Disclosure ihre Show abziehen. Der Sound zwischen House und Dubstep bringt das ganze Zelt zum Beben. Dazu erleuchtet die Bühne in allen Farben, die man sich vorstellen kann. Songs wie You & Me und Help Me Lose My Mind veranlassen selbst Menschen wie mich, die sonst eher in der Disco lieber an der Bar statt auf der Tanzfläche stehen, ihre müden Beine in Bewegung zu versetzen. Hier wird wirklich von der ersten bis zur letzten Minute eine astreine Elektroshow geboten. Der Tag wird zu guter Letzt mit Latch abgeschlossen, dem wohl bekanntesten Song von Disclosure. Ein würdiger Abschluss eines sehr unterhaltsamen Sets.

Freitag:
Der Freitag beginnt genauso wie der vorherige Tag um 11:20 Uhr. An diesem Tag lassen es die meisten Festivalbesucher aber etwas gemächlicher angehen. Das Gelände ist im Gegensatz zu Donnerstag erst zu einem späteren Zeitpunkt gefüllt. Den meisten Leuten scheinen die letzten beiden Tage ordentlich in den Knochen zu stecken.

Meine erste Band an diesem Tag sind The Bohicas auf der Club Stage. Die Band bietet einen Mix aus Punk und Rock ‘n‘ Roll. Die Musik plätschert dabei vor sich hin und die überschaubare Zahl von Zuschauer spendet eher aus Höflichkeit Applaus. Man könnte an diese Stelle eine Floskel aus der Schulzeit nutzen. Die Band war stets bemüht. Mehr ist leider nicht drin.

Anschließend spielen Lucius auf der Club Stage. Die beiden Damen haben auffallend gelbe Regenjacken an und sehen aus wie ein Mix aus Lady Gaga und Reese Witherspoon. Beide spielen Keyboard und werden noch von weiteren Musikern begleitet. Auf für diesen Act ist es heute das erste Festival auf europäischem Boden. Die Band spielt Indie, der aber recht experimentell daherkommt. Vor allem die zwischenzeitlichen Trommel Parts sind eine willkommene Abwechslung in diesem grundsoliden Auftritt.

Drenge haben anschließend einen schweren Stand, denn der Großteil der Leute zieht es bei dem aufkommenden Regen vor sich unterzustellen. Die Band besteht nur aus zwei sehr jungen Herren. Mit Schlagzeug und Gitarre, diese Band Konstellation scheint in Mode zu kommen, wird teilweise wild gejamt. Der Garage Rock weiß durch einige coole Parts zu überzeugen. Leider stehen dem im Gegenzug viele Abschnitte gegenüber, die etwas langweilig daherkommen und deutlich mehr Pep vertragen könnten. Deswegen ist es insgesamt zwar ganz nett, ich würde aber noch keine Empfehlung aussprechen. Die Band muss und wird sich sicherlich noch entwickeln.

Danach zieht es mich bereits zum dritten Mal an diesem noch jungen Tag vor die Club Stage. Boy & Bear wurden im Vorfeld von meiner Mitfahrerin hoch gelobt und das Lob ist durchaus gerechtfertigt. Hier wird eine Mischung aus Indie und Folk geboten, welche in den letzten Jahren nach meinem Empfinden generell immer mehr Anklang findet. Die Musik plätschert auf eine positive Art und Weise vor sich hin und die angenehmen Stimmen der Sänger fügen sich gut ins Gesamtkonzept ein. Ein Keyboard darf zwischen den Standardinstrumenten natürlich nicht fehlen und auch zwei bis drei Gitarrensoli finden den Weg in die Songs. Die Band scheint in Belgien schon angekommen zu sein, denn das Zelt ist rappelvoll und es finden sich auch viele textsichere Leute. Die Band wird sicherlich auch in unseren Gegenden ihren Weg machen.

Durch die Absage von Of Mice & Men, eine Band die meiner Meinung nach niemand braucht, verschiebt sich der Zeitplan auf der Shelter Bühne. Verbrachte ich im letzten Jahr noch einen Großteil des Festivals vor dieser Bühne ist die Anzahl der interessanten Bands in diesem Jahr wirklich überschaubar. Nun stehen Arcane Roots auf dem Programm und die Band gibt von Anfang an Vollgas. Der Sound der Progressive Band besticht durch viele instrumentelle Parts. Der Gitarrist leistet hierbei wirklich ausgezeichnete Arbeit, aber auch die beiden anderen Bandmitglieder beherrschen ihre Instrumente aus dem Effeff. Bei einer technisch so guten Band kann man dann auch darüber hinwegsehen, dass der Mikrosound im Vergleich zum Rest zu leise ist. Leider hat die Band nur eine bescheidene Spieldauer von 40 Minuten. Mehr wäre hier definitiv wünschenswert gewesen.
Der Weg zum Marquee ist zum Glück in 20 Sekunden zurückgelegt, denn dort beginnen Other Lives gleichzeitig mit dem Ende von Arcane Roots mit ihrem Set. Zu dieser Zeit schüttet es wie aus Eimern, was die völlige Überfüllung des Zeltes erklärt. Die Band weiß aber auch so zu überzeugen. Neben den üblichen Instrumenten wird hier wirklich einiges aufgefahren. Unter anderem finden Keyboard, Trompete, Violine und Mundharmonika Verwendung in den Songs. Da überrascht es nicht, dass der experimentelle Folk der Band sehr abwechslungsreich daherkommt. Überhaupt klingt jeder Song für sich anders, aber immer klanggewaltig. Über die recht spezielle Stimme des Sängers lässt sich sicherlich streiten. Mich hat sie nicht gestört. Unterstrichen wird der interessante Auftritt noch von einem wirklich guten Sound.
Zurück im Shelter habe ich zum zweiten Mal in diesem Jahr die Ehre Kadavar live zu sehen. Die Band aus Berlin startet momentan ziemlich durch und das zu Recht. Hätte dieser Sound einen Bart, es wäre der schönste von allen. Songs wie All Our Thoughts sind einfach zu cool für diese Welt. Die Stoner Riffs kommen schleppend, aber niemals langatmig daher. Dazu gibt es zwischendurch immer noch psychodelisch angehauchte Parts. Ähnlich wie gestern bei Temples fühlt man sich um mindestens 40 Jahre zurückversetzt. Nur auf eine noch coolere Art und Weise. Die Stimme des Frontmanns erinnert mich dabei teilweise sogar an Robert Plant. Leider ist auch hier die Auftrittsdauer ziemlich beschränkt, aber ich kann jedem nur empfehlen einen Termin der kommenden Deutschland Tour mitzunehmen. Ich werde in Dortmund sein, um ein weiteres Mal diesen bärtigen Sound zu genießen.

Anschließend geht es heute zum gefühlt 13. Mal zur Club Stage, deren Programm bis zum Nachmittag mich heute wirklich überzeugt. Zwei Damen, besser bekannt als First Aid Kit, beschallen dort die Besucher mit sanften Klängen. Der Mix aus Indie und Folk sorgt für gute Laune im guten gefüllten Zelt, auch wenn die Songs in einigen Passagen doch etwas ereignislos sind. Der wohl bekannteste Song der Band My Silver Lining und das Love Interruption Cover von Jack White sind wohl die Highlights des recht kurzweiligen Sets.

Nicht weit entfernt auf der Main Stage macht sich Tinie Tempah bereit. Für ein Festival ist die Aufmachung der Bühne zu so früher Stunde schon recht fein. Der DJ steht auf einem riesigen Podest, welches auch beleuchtet werden kann. Auch Videos werden abgespielt und zum ersten Mal an diesem Wochenende werden Flammenwerfer eingesetzt. Der musikalische Anspruch ist hier nicht unbedingt hoch. Es wird vermehrt Wert auf Stimmung machen gelegt. Der Hip Hop/Grime des Herren ist sicherlich nicht schlecht und auch tanzbar, allerdings geht die Musik durch die übertriebene Stimmungsmache zum Teil unter. Das Publikum feiert es trotzdem und ich begebe mich noch vor Ende des Auftritts auf den Weg Richtung Dance Hall.

An dieser Stelle siegt meine Neugier über meine bösen Vorahnungen, die sich leider bestätigen sollen. Auf der Dance Hall Stage spielen Icona Pop, ein Elektroduo, welches in letzter Zeit im Radio sehr präsent ist. Das Zelt ist dementsprechend bis zum letzten Platz besetzt und ich begnüge mich mit einem Platz im Freien, um das Schauspiel aus sicherer Entfernung zu begutachten. Das erste, was ins spricht, sind die Outfits der Damen, die stark an Figuren aus Sailor Moon erinnern. Die Musik fällt im Gegensatz zu den Klamotten schon stark ab. Sehr durchschnittliche Elektrosongs reihen sich aneinander ohne dass ich wirklich mitgerissen werde. Auch lichttechnisch hätte ich hier irgendwie mehr erwartet. Abgeschlossen wird der Auftritt natürlich mit I Love It, welches von der Menge bedingungslos abgefeiert wird, mich aber ein weiteres Mal nicht überzeugen kann.

Spontan entscheide ich mich dazu den langen Weg zur Main Stage und damit Balthazar sausen zu lassen. Stattdessen schaue ich The Amazing Snakeheads im Castello. Im Gegensatz zu den sonstigen Bands im Castello, bei denen es immer etwas elektronischer zugeht, hat sich die Band eher dem Psychodelic Rock verschrieben. Der Sound ist ganz in Ordnung und nur vereinzelte Gitarrensoli durchbrechen die sehr ruhige, entspannte Stimmung. Wirklich begeistern kann mich der Auftritt aber auch nicht.

Wieder zurück im Dance Hall Zelt wird es wieder einmal Zeit für einen innovativen und in seiner Form recht einzigartigen Act. Dub Fx ist ein Australier, der einen absolut genialen Mix aus Hip Hop, Raggae und Elektro macht. Dabei ist Abwechslung garantiert. Mal beatboxt der Herr alleine vor sich hin, dann rapt er begleitet von einem Saxophon, aber egal was er macht. Die Zuschauer gehen völlig steil. Das und die hypnotisierende Lichtshow ergeben einen wirklich guten Auftritt. Der Mann versteht es auch zwischen den Songs das Publikum immer wieder zu animieren ohne dass es nervig wird. In mir hat er auf jeden Fall einen Fan gewonnen.

Danach betrete ich zum ersten Mal in zwei Jahren Pukkelpop den Boiler Room. Im Gegensatz zu allen anderen Bühnen gibt es in diesem Zelt „nur“ DJ Sets. Dementsprechend sind auch keine Umbaupausen nötig und die Übergänge sind fließend. Mein erster Gedanke in diesem Zelt ist, dass man anscheinend an jedem Quadratmeter der Decke mindestens vier Scheinwerfer angebracht hat. Das ganze Zelt blinkt. Als DJ legt im Moment Duke Dumont auf, welcher seine Sache wirklich ganz ordentlich erledigt. Die Zeit bis zum nächsten Act vergeht auf jeden Fall wie im Fluge. Allerdings ist das Zelt so überfüllt, dass Tanzen quasi nicht möglich ist.
In der Dance Hall spielt nun mit Sub Focus ein Act, auf den ich mich wirklich gefreut habe. Nick Douwma, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, steht dabei mit seinem DJ Pult zwischen zwei großen Kreisen, die Teil der Lichtshow sind und mit all dem anderen Schnick Schnack an der Zeltdecke für ansprechende visuelle Effekte sorgen. Zusätzlich zu dem DJ ist noch ein weiterer Herr auf der Bühne, der als eine Art Motivator fungiert. Etwas unnötig wie ich finde, da die Musik für sich spricht und das Publikum sowieso von der ersten Sekunde an tanzt und springt, als gäbe es kein Morgen mehr. Sogar einige Crowdsurfer sind zu beobachten, die während Hits wie Tidal Wave nach vorne getragen werden. Den absoluten Höhepunkt des Sets bildet dann der letzte Song Turn Back Time, bei dem es wirklich kein Halten mehr gibt. Insgesamt ein sehr guter Auftritt von Sub Focus. Hätte mir jemand mit 15 Jahren erzählt, dass ich einmal so etwas cool finde, ich hätte die Person wohl für verrückt erklärt.
Jetzt ist es Zeit für den Headliner des heutigen Tages. The National starten mit Don’t Swallow the Cap. Die Songs der Band aus Brooklyn gehen allesamt wirklich gut ins Ohr, der Sound ist in Ordnung und die Lichtshow zwar schlicht, aber dennoch passend. Zu den teils sehr ruhigen Indie Hymnen passt wirklich keine Bühne, die in allen Farben blinkt. Zum Glück wurde darauf verzichtet. Allerdings wirkt die Band auf dem Slot etwas verloren. Anders als bei den Editors am vorherigen Tag habe ich auch nicht das Gefühl, dass die Band das Publikum wirklich erreicht und so mache ich mich nach gut der Hälfte der Spielt lieber auf den Weg zur Marquee. The National sind eine wirklich gute Band, aber der Headliner Slot auf einem so großen Festival hätte ruhig so 2-3 Jahre warten können.

Im Marquee spielen nun das norwegische Duo Röyksopp und die schwedische Sängerinnen Robyn. Das ganze läuft unter dem Namen Röyksopp & Robyn Do It Again. Um eins vorweg zu nehmen. Dieser Auftritt ist das Highlight des Tages. Zu Beginn starten Röyksopp mit ihrem elektronischen Sound, der auch durchaus seine Wurzel im Ambient hat. Wer jetzt an Langweilig denkt ist völlig auf dem Holzweg. Die Songs kommen super an und einer der beiden Herren lässt es sich auch nicht nehmen aus dem Bühnengraben zu singen. Unterstützt werden Röyksopp dabei zwischenzeitlich von der Sängerin Susanne Sundfør. Anschließend gibt es einen Teil nur mit Robyn, bei dem die Stimmung wirklich am Maximum ist. Das ganze Publikum singt Hits wie Dancing on my Own und With Every Heartbeat mit, die Sängerin hat sichtlich Spaß und die Lichtshow untermalt das Ganze perfekt. Zum großen Finale spielen beide Acts zusammen und geben noch einmal alles. Hier passt wirklich alles. Im Nachhinein bin ich froh diese spezielle Kombination einmal live gesehen zu haben, da es sicher nichts ist, was man jedes Jahr erleben kann.

 

Zum Abschluss des Tages schaue ich Macklemore & Ryan Lewis auf der Main Stage. Der Rapper aus Seattle ist ja bekanntermaßen im letzten Jahr ziemlich durch die Decke gegangen. Über die Livequalitäten habe ich bis jetzt aber nur schlechtes gehört. Gestartet wird mit Ten Thousand Hours, um anschließend den wohl größten Hit zu spielen. Bei Thrift Shop herrscht natürlich eine Bombenstimmung im Publikum und Macklemore hat wirklich leichtes Spiel die Leute auch im weiteren Verlauf des Sets zu begeistern. Man mag von ihm Halten, was man will, aber er hat durchaus was zu sagen in seinen Songs. Leider und das ist zwischen den Songs auch das größte Problem, denn er redet sich oftmals um Kopf und Kragen. Ich bin durchaus ein Fan von guten Ansagen, aber hier wäre weniger Reden und mehr Songs Spielen wirklich angebracht gewesen. Auch Kostümwechseln braucht niemand. Schade, aber trotzdem fühle ich mich gut unterhalten. Dass zum Abschluss Can’t Hold Us zweimal gespielt wird zeugt natürlich auch davon, dass das Songrepertoire noch recht gering ist. Gebt dem Mann einfach noch Zeit für 1-2 weitere Alben, dann dürfte auch ein vollständiges 90 Minuten Set im Bereich des Möglichen sein.

Samstag:
Nach dem Abbau geht es schnell auf den Weg zum Festival, wo wir leider nur noch die Hälfte von Maybeshewill zu Gesicht bekommen. Überhaupt ist es eine Schande, dass eine so geniale Band mit einem 35 Minuten Slot abgespeist wird. Aber genug gemeckert. Die Band lässt es wie immer ordentlich Krachen, die Ausbrüche sind klasse und das Publikum hellauf begeistert. Das Piano sorgt immer wieder für sanfte Abschnitte. Der Auftritt macht auf jeden Fall Lust auf die ausgedehnte Europatour im Oktober/November.

Im Wablief, wo durchgehend nur national Acts spielen, schaue ich anschließend Evil Invaders. Dabei handelt es sich um eine Speed Metal Band, die ihre Sache mehr schlecht als recht erledigt. Zu Beginn ist der Sound noch ganz okay, doch nach und nach wird deutlich, dass die Herren technisch noch einiges lernen müssen. Vor allem die fehlenden Soli schmerzen in diesem Genre natürlich.

Danach zieht es mich vor die Marquee Stage, wo mit Big Ups eine sehr interessante Band spielt. Ihr Math Rock Sound wird beherrscht von sehr experimentellen, frickeligen Parts. Technisch hat die Band auf jeden Fall einiges zu bieten. Auch ein ruhiger Song wird zwischendurch eingestreut. Auffälligstes Bandmitglied ist trotz der guten instrumentellen Arbeit allerdings der Sänger, der abwechselnd ins Mikro redet oder schreit. Wenn er das gerade nicht tut wickelt er sich komplett in das Mikrophonkabel ein. Sicherlich etwas unnötig, aber trotzdem unterhaltsam.

Zu Beginn des Auftritts von The Neighbourhood kommt es zum wohl heftigsten Schauer des ganzen Wochenendes. Dementsprechend wenige Leute stehen vor der Main Stage. Der Indie Rock plätschert vor sich hin und ich werde das Gefühl nicht los, dass viele der weiblichen Besucher eher aufgrund des Frontmannes statt der Musik vor der Bühne stehen. Nach und nach lässt der Regen zwar nach, die Zuschauerzahl erhöht sich aber nur geringfügig. Die Musik verliert sich irgendwo im Mittelmaß und mich zieht es zur Dance Hall.

Dort spielen Drumsound & Bassline Smith, die sich, man will es kaum glauben, dem Drum and Bass verschrieben haben. Insgesamt drei Herren stehen an den Turntables während, ähnlich wie gestern bei Sub Focus, ein Anheizer für Stimmung sorgt. Dieser übertreibt es aber maßlos und nervt schon nach fünf Minuten. Die Musik gefällt mir aber ziemlich gut und der Rest des Publikums tanzt und pogt auch wie wild. Die Lichtshow geht am helllichten Tage natürlich völlig unter, aber der durch Mark und Bein dringende Bass entschädigt dafür. Mit Trhough the Night wird das Zelt ein letztes Mal zum Beben gebracht. Sicherlich nicht so unterhaltsam wie Sub Focus, gelohnt hat es sich trotzdem.
Basslastig geht es anschließend auf der Marquee Stage weiter, denn auch bei Glass Animals ist es kaum möglich sich direkt vor die Boxen zu stellen. Die Musik hat darüber hinaus aber einiges zu bieten. Der Trip-Hop mit allerlei Elektroparts sorgt für eine entspannte Stimmung im Zelt und die hohe Stimme des Sängers fügt sich gut in den Gesamtsound ein.  Auch das Publikum hat sichtlich Spaß, vor allem beim wohl bekanntesten Song der Band Gooey. Insgesamt hat die Musik einen hohen Wiedererkennungswert und die Herren werden sicher ihren Weg machen.

Zwanzig Meter weiter im Shelter wird mein Tag bei Dave Hause fortgesetzt, der in diesem Jahr schon als Support von Frank Turner unterwegs war. Dass dies keine Fehlbesetzung war zeigt sich in den nächsten Minuten. Dave Hause wirkt sympathisch und wird während seiner Songs von einem Herrn am Keyboard unterstützt. Leider will der Funke nicht auf das Publikum überspringen und so wird es doch ein eher durchschnittlicher Auftritt.

Wieder zurück vor der Marquee Stage schaue ich mit James Vincent McMorrow einen weitere Singer/Songwriter. Dieser wird allerdings von einer großen Menge weiterer Musiker unterstützt. Leider gibt es einige Technikprobleme und der Sound lässt vor allem zu Beginn zu wünschen übrig. Dieser wird allerdings im Verlauf des Sets verbessert. Zwischen die sanften Indieklänge schleichen sich immer wieder Elektroparts. Die Stimmung im relativ leeren Zelt ist dementsprechend sehr entspannt und alles lauscht der hohen Stimme von James Vincent McMorrow. Und in diesem Fall bedeutet hoch wirklich hoch, noch deutlich höher als die des Glass Animals Sängers. Sicher etwas gewöhnungsbedürftig, aber insgesamt ein solider Auftritt.

Die nachfolgenden Uncle Acid & the Deadbeats passen stilistisch sehr gut zu dem am Vortag spielenden Kadavar. Im Gegensatz zu ihren Berliner Kollegen geht es noch psychodelischer zu. Die Coolness geht dabei zwar etwas flöten. Interessant ist der Auftritt aber trotzdem. Langsame Riffs reihen sich aneinander und sorgen für Kopfnicken in Zeitlupe unter den Zuschauer. Mit zunehmender Spielzeit wird aber auch mal ein schnellerer Song eingespielt und die Solis können sich auch sehen lassen. Meine Bitte: Eine Europatour zusammen mit Kadavar und ich bin wunschlos glücklich.

Anschließend zieht es mich vor die Main Stage, wo Jake Bugg gerade mit seinem Auftritt beginnt. Der junge Herr agiert für seine 20 Jahre schon sehr abgezockt und spielt routiniert seinen Stiefel runter. Hier eine kurze Ansage, dort ein Lächeln für einen weinenden Fan in der ersten Reihe und der nächste Song wird gespielt. Obwohl ich mich noch nie mit der Musik beschäftigt habe und auch wenig Radio höre bin ich doch überrascht, wie viele Songs mir bekannt vorkommen. Anfangs noch mit Acoustic Gitarre wechselt Jake Bugg im Laufe des Sets zur E-Gitarre und spielt auch das ein oder andere Soli. Wie schon gesagt: wirklich routiniert, der junge Herr.

Der nächste Act passt wieder in die Kategorie böse Vorahnung. Und auch bei Touche Amoré bestätigen sich meine Befürchtungen. Diese Band ist von allen Bands der sogenannten „The Wave“ Bewegung noch die liebste. Auf der großen Bühne im Shelter mit Absperrung wirken die Herren aber komplett verloren. Zusätzlich ist es noch ziemlich leer im Zelt, wobei sich doch einige textsichere Fans vor der Bühne eingefunden haben. Die Musik lebt allerdings von Nähe, Singalongs und Intensität. All das ist hier in keinster Weise gegeben. Erst bei Honest Sleep traut sich Sänger Jeremy Bolm in den Bühnengraben und siehe da, die Stimmung ist direkt um 653 % besser. Menschen liegen aufeinander und singen ins Mikro. So sollte es sein. Leider bleibt es der einzige Ausflug in den Graben und so spielt die Band weiter ihre Songs herunter bis das Set mit ~ abgeschlossen wird. Bitte einfach nicht mehr buchen! Nicht, weil die Musik schlecht ist, sondern weil es sich in dieser Form einfach nicht lohnt.

Eine sehr schwierige Entscheidung für mich ist die zwischen Red Fang und Snoop Dogg. Obwohl mir Red Fang musikalisch sehr zusagen entscheide ich mich letztendlich dafür zur Main Stage zu pilgern, da es sicherlich eine einmalige Chance sein wird, den Herrn zu sehen. Der Beginn ist allerdings sehr merkwürdig. Zuerst betreten allerlei andere Rapper die Bühne und es laufen Songs vom Band, unter Anderem California Love. Doch gerade als ich es anfange zu Bereuen nicht zu Red Fang gegangen zu sein betritt Snoop Dogg endlich die Bühne. Mit Joint im Mund, aber hat wirklich jemand etwas anderes erwartet? Doch alles, was ab jetzt geschieht, entschädigt doppelt und dreifach für das lange Warten. Snoop Dogg ist super drauf, die Rapparts gehen ihm spielend leicht über die Lippen und überhaupt ist es wirklich unglaublich, an wie vielen Hits der Mann beteiligt war. Neben eigenen Kompositionen werden unter anderem P.I.M.P. und California Girls gespielt. Außerdem wird auf diverse Cover zurückgegriffen, wobei mein persönlicher Favorit das Jump Around Cover von House of Pain ist. Doch die eigentlichen Highlights sind die alten Tracks wie The Next Episode. Mit einer Erinnerung an die verstorbenen 2Pac und Notorious B.I.G. und einem letzten Zug am Joint wird das verdammt unterhaltsame Set abgeschlossen.
Danach geht es zum letzten Mal zur Club Stage. Leider ist der letzte Auftritt, den ich dort schaue, auch der schlechteste. Die Musik von St. Vincent ist ziemlich gewöhnungsbedürftig, ein experimenteller Mix aus Indie und Elektro, der mich aber zu keiner Zeit fesseln kann. Trotz später Stunde ist das Zelt auch erstaunlich leer. Die Gitarristin gibt sich allerdings alle Mühe mit Spielen im Bühnengraben und während des Crowdsurfens das Publikum zu animieren. Doch während St. Vincent in den Entzügen ihres Sets sind beginnt auf der Main Stage bereits der Headliner, sodass ich das Ende nicht mehr mitbekomme.

Queens of the Stone Age im Vergleich mit den Editors und The National der härteste der drei Top Acts. Auch die Band um Stoner Mastermind Josh Homme hat erstaunlich viele Fans in Belgien. Der Platz vor der Main Stage ist gerammelt voll und selbst in den hinteren Reihen um mich herum zeigen sich viele Leute textsicher. Direkt zu Beginn wird mit dem zweiten Song No One Knows, dem wohl bekanntesten Song der Band, losgelegt wie die Feuerwehr. Der Sound ist gut, die Lichtshow schlicht, aber passen und Josh Homme erstaunlich gut drauf. Diverse Male spricht er mit dem Publikum und versucht es zu animieren. Im ersten Bereich bilden sich auch kleinere Pits. Bei dem sonst eher pogofaulen Publikum eine echte Rarität. Die Setlist bietet einen guten Querschnitt aus allen Epochen der Band. Langweilig wird es bei den groovigen Songs dabei zu keiner Zeit. Zusätzlich wird noch ein kurzes Drumsolo von Jon Theodore geboten. Mit A Song fort he Dead findet das Set einen würdigen Abschluss. Leider dauert der Auftritt nur 80 statt der laut Spielplan geplanten 90 Minuten. Enttäuscht ist trotzdem wohl niemand. Für mich persönlich ist es auf jeden Fall der beste der drei Headliner Gigs.

Das frühe Ende hat auch einen Vorteil, denn ich verpasse nur einen Bruchteil von Kavinsky, der in der Dance Hall früher als angegeben mit seinem Auftritt startet. Wem der Name an dieser Stelle nichts sagt, dem sei der Film Drive ans Herz gelegt, zu dem der Herr den Soundtrack kreiert hat. Eben dieser Soundtrack wird heute von Anfang bis zum Ende zum Besten gegeben. Und es ist eine Offenbarung auf allen Ebenen. Die Lichtshow ist die stimmigste des ganzen Wochenendes. Kavinsky steht zwischen zwei großen Leinwänden, über die Videos projiziert werden. Ergänzend dazu ist das Licht perfekt abgestimmt, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Einfach genau richtig. Die Musik dazu ist genauso, wie man sie aus dem Film kennt. Ruhiger Elektro, der einfach zu cool für diese Welt ist. Wildes Tanzen ist hier fehl am Platz. Staunen ist deutlich angebrachter. Kavinsky selbst gibt sich dabei ziemlich unnahbar. Während des gesamten Auftritts richtig er nicht ein einziges Mal das Wort an das Publikum. Die Musik spricht für sich und hat darüber hinaus auch eine leicht hypnotisierende Wirkung. Der zusätzlich eingesetzte Nebel nähert das Set der Perfektion. Nach einer kurzen Pause wird zum Abschluss Nightcall gespielt. Einfach großartig. Unbedingt angucken, falls sich einem die Möglichkeit bietet.
Den Abschluss des Festivals mit Calvin Harris hätte ich mir im Nachhinein auch sparen können. Alle Songs laufen nach folgendem Schema ab: Sample eines bekannten Chartsongs, Spannungsaufbau mit „Are you ready Belgium?“ Ruf, anschließender Drop und tanzbarer Elektropart. Total langweilig, aber von der Masse gefeiert, als gäbe es kein Morgen mehr. Dazu gibt es die aufgeplusterste Lichtshow, die ich je gesehen habe. Die Bühne ist teilweise in ein so grelles Licht getaucht, dass sie wahrscheinlich noch von der ISS aus zu sehen ist. Besser macht es den Auftritt aber auch nicht und so endet das Pukkelpop für mich eine halbe Stunde vor Ende des Auftritts.

Die Abfahrt verläuft ebenso entspannt wie die Hinfahrt. Kein Stau, gar nichts. Insgesamt hat das Pukkelpop wie schon im letzten Jahr einen super Mix geboten aus bekannten Acts und kleineren Bands, die vielleicht einmal groß rauskommen werden. Es ist sicher alles andere als billig, aber durchaus eine Reise wert. Bei einem möglichen Besuch im nächsten Jahr hätte ich gerne Justice und The Chemical Brothers als große Elektroacts und dass wieder mehr interessante, härtere Acts gebucht werden. Das lies dieses Jahr leider etwas zu wünschen übrig.

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Über den Autor: Marc Michael Mays

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