BERICHT: OM, Circuit des Yeux, Dave Heumann – 16.11.2015 BI NUU Berlin

BERICHT: OM, Circuit des Yeux, Dave Heumann – 16.11.2015 BI NUU Berlin

OM, Circuit des Yeux, Dave Heumann – 16.11.2015 BI NUU Berlin


Dave Heumann heißt der junge Mann, auch bekannt als Kopf von Arbouretum, der heute an dem Abend den Anfang geben darf und zurzeit mit seinem ersten Soloalbum auf Tour ist. Nicht ganz sicher, ob der Herr 40, 50 oder doch nur 30 mit ausgeprägtem Bartwuchs ist. Von der Musik bin ich jedoch schon gleich von Beginn an positiv überrascht, denn der aus Baltimore stammende Heumann zeigt Züge vom großen Neil Young und stand auch bereits mit Will Oldham auf der Bühne, der eine ähnlich klingende Stimmlage besitzt, wenn nicht Heumann auch etwas dunkler klingt. Doch ob mit elektronischer oder akustischer Gitarre und Band hat seine Musik etwas amerikanisch Schwelgerisches. Was mich dann aber doch wundert, sind die Anleihen vieler seiner Kompositionen, z.B. „Cloud Mind“, an irische Traditionals, die mir so vermischt noch nie begegnet sind und auch Drummer und Keyboarder machen dabei eine gute Figur. Der Bassist mit karierter Bluse und Baskenmütze hinkt ein wenig bemüht hinterher, ist aber schön mit anzusehen. Danach ist es Zeit das erste Getränk zu nehmen.

Danach geht es weiter mit Circuit des Yeux. Das Duo bestehend aus Frontfrau Haley Fohr und Drummer Andrea Belfi wirkt noch ein wenig hölzern. Sie spielt auf einer zwölfsaitigen Gitarre, ihr Handwerk beherrscht sie stellenweise sehr gut, was Pickings und Voicings betrifft. Klingt instrumental rund, doch dann diese tiefe Bariton-Stimme, an irgendetwas erinnert mich das dann doch zu sehr! Es ist Le Butcherettes’ Teri Gender Bender und diese beherrscht das Ganze dann doch ’ne ganze Ecke besser. Das Instrumentale will hier nicht hundertprozentig mit dem Vokalen harmonieren. Zwei mal lässt mich die Band dann doch noch mal aufhorchen und zwar als die Dame dann doch höhere Stimmlagen anstimmt, da passt dann wieder plötzlich alles – es ist rauer und authentischer, wirkt weniger gekünstelt als der imitierte Bass, die Lage, die das weibliche Sprachorgan eben nicht aus dem Stehgreif drauf hat eigentlich. Das andere Mal ist es eine Variation im Schlagzeugspiel Belfis, der sein Geld auch als Komponist verdient. Gekonnt werden die Toms umfunktioniert, um die Snare in der zweiten Strophe zu ersetzen und ein wenig Abwechslung reinzubringen. Schön arrangiert, kudos dafür, das Zusammenspiel ist jedoch ebenfalls noch ausbaufähig.

Pünktlich um 10 steht dann der Main Act OM auf der Bühne und das Bi Nuu ist jetzt auch rappelvoll. Das Publikum ist gespickt von Fans und man merkt, dass die Zuhörer von überall gekommen sind, um der Musik des Stoner-Kollos zu lauschen. Menschen aus Spanien, Schweden, Russland, von überall her vereint diese Band und es wird sich natürlich schon im Vorhinein über Al’s Bass Sound unterhalten, denn dieser ist eine Institution. Mit was spielt er? Richtig, es sind mittlerweile 5 Rickenbacker Bässe. Über was spielt er? Ein wunderbares amerikanisches Ampeg Rig mit zwei alten SVTs, als diese wohl noch im Heimaltland gefertigt wurden, dazu aber auch zwei neumodische Micro-Heads. Und wie spielt er? Ja, seine Hand zu einer Tatze geformt, als würde er das weibliche Kätzchen feinfühlig streicheln, aber auch gelegentlich mal zuschlagen. Richtig gehört, die Spielart macht den Sound aus und dieser König des Genres fühlt und lebt für seine Musik. Wie würde man die Musik der Combo beschreiben? Meditativer Stoner Rock mit textlichem und visuellem Einfluss aus dem alten Testament und allen Weltreligionen?

Es geht auf die Bühne unter Beifall. Zu dritt sind sie mittlerweile unterwegs, denn irgendeiner muss ja auch das Melodieinstrument spielen – Robert Lowe hat sich bereit erklärt und macht dabei mehr als eine gute Figur. Auch Emil Amos und Al Cisneros sehen gut aus. Mit langem Bart und langen Haaren, körperlich fit wie selten steht Al da.

Was dann folgt ist schlichtweg eine Offenbarung. Vom ersten Ton an geht eine innere Ruhe durch das Publikum, dass es sich natürlich auch nicht nehmen lässt, in einem so streng kontrollierten Musik-Etablissement zu „rauchen“. Al und Emil natürlich mit eingeschlossen, aber das ist eine andere Geschichte. Der Basssound ist dick und einzigartig und die Drums strotzen nur von endlos kreativen Fills. Es gehört schon ein wenig Genialität dazu, um eine Menge ab dem ersten Song zum Grooven zu bringen. Allein mit den Merkmalen einer repetitiven Basslinie und einem Schlagwerk, dass gekonnt alle vier Takte variiert. Immer anders, immer neu so weit, dass sogar das Bandecho auf die Snare gelegt wird – kennen wir ja schon ewig aus „Substanznahen“ Genres – was für eine Stilblüte.

Emile Amos hatte mehr Abwechslung in das Spiel des Duos gebracht, weder Nach- noch Vorteil, er besitzt aber mehr Elemente in seinem Spiel, als die fokussierte Groovelegende und Vorgänger Hakius. Zusammen mit Al schafft er jedoch in diabolisches Ganzes im ersten Song „Gethsemane“ von „Advaitic Songs“. Ein früher Höhepunkt stellt „State Of Non-Return von selbigem Album dar. „Traveler now reach the stream. The astral flight adapter“ heißt es da, als hätte dich der langsame Wirbelsturm beim Einsetzen des verzerrten Basses eingesogen und er lässt dich nicht heraus, überall fliegen messerscharfe Becken umher und ständig prallst du an riesigen Trommeln ab, denn der Wirbelsturm hat sich gerade über den örtlichen Drumshop hergemacht.

Das Publikum kennt die Songs, denn alle sind wiedererkennbar und so viele sind es ja nun auch nicht bei 5 Alben à 3 Songs. Die Melodieelemente kommen gut hervor, sei es in abgeänderter Form zum Album, z.B. als Keys, E-Gitarre oder schlichtweg der singenden Engelsstimme von Lowe, ähnlich der Blockflöte in „Meditaton is the Practice of Death“ gespielt als dritter Song. Die minimalistische Eigenart der Tracks stellt ein Kunstwerk für sich dar. Ebenso auf Platte, denn von Außen mag man sich nicht ausmalen, was hinter den religiösen Artworks da steht. Ähnliche Fehlinterpretationen gab es zuvor vermutlich nur bei Throbbing Gristles „20 Jazz Funk Greats“ von 1979. Beide genießen sie Kultstatus. Das ist Ruhe, das ist Kunst, das ist etwas für die Seele. Hier können sich Ernährungsberater, Paleo-Fetischisten, Deep Yoga-Lehrer und die Biomärkte im Kiez mal etwas abschneiden. Nach „Cremation Ghat I“ und „II“ steht am Ende mit „Bhima’s Theme“ von „Pilgrimage“ ein letzter Aufschwung im Raum. Die Crowd hofft vergeblich auf die ein oder andere Zugabe, wie etwa „Unitive Knowledge of the Godhead“, denn pünktlich nach Ende der letzten Bassschwingung geht auch schon das Licht an.

Insofern stellt sich eigentlich an dem Punkt letztendlich nur die Frage, wie die Pilgerreise des Reisenden am Strom weitergeht. Lazarus war in Getsemani, war mit Shadrach, Meshach und Abednego unterwegs und hat immer fleißig vor den Göttern salutiert. Hätte er nicht auch mal wieder Lust, noch mal in den wohl verdienten Urlaub zu fahren? Klar ist es eigenartig, von den Fans natürlich gerne angenommen, mit einem drei Jahre alten Album als Hauptmaterial zu touren, doch wie wir wissen sind die Drei mit ihren Nebenprojekten nicht minder beschäftigt. Trotzdem kann man hier natürlich weiter hoffen. In diesem Sinne: „Walk on O sadhak. Melkezedek.“

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Über den Autor: Marc Michael Mays

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