BERICHT: Old Man Gloom / 01.04.2014, Grammatikoff Duisburg

BERICHT: Old Man Gloom / 01.04.2014, Grammatikoff Duisburg

Supergroups gibt es viele und Old Man Gloom ist eine davon. Die Bandmitglieder spiel(t)en unter Anderem bei Converge, Isis, Cave In und Zazobra. Trotz 15 Jahren Bandgeschichte ist die Band zur Zeit zum ersten Mal in europäischen Gefilden unterwegs und machen dabei auch im Duisburger Grammatikoff halt. Dass aber auch eine Supergroup noch lange kein Garant für einen vollen Konzertsaal ist, zeigt sich leider an diesem Abend: Das Grammatikoff ist nur mäßig gefüllt, was allerdings auch an der starken Konkurrenz durch das gleichzeitig stattfindenden Champions League Spiel der Bayern liegen könnte.

Nur ein paar Leute haben sich bereits im Raum eingefunden als eine Viertelstunde nach Einlass die erste Band beginnt. Das Trio Castles kommt aus Belgien und hat sich dem Noise Rock verschrieben. Der Sound ist recht experimentell und die zwischendurch eingestreuten Stonerriffs verfehlen ihre Wirkung auch nicht. Der Gitarrensound ist allerdings stellenweise leider etwas dünn. Das zerstört zwar nicht den kompletten Gig, aber wirklich vom Hocker reißen Castles so leider auch niemanden. Ein zweiter Gitarrist würde der Band, die nach einer knappen halben Stunde ihr Set bereits beendet, zumindest live sicherlich gut zu Gesicht stehen.

Nach angenehm kurzer Umbaupause steht mit Circles der Toursupport von Old Man Gloom in den Startlöchern. Nun. Klammern wir uns erstmal an die Fakten: Die finnische Band existiert bereits in wechselnden Besetzungen seit 1991, macht irgendwas zwischen avant-garde, heavy metal und anderen Dingen und ist keinem von uns beiden PiN-Konzertbesuchern bis zu diesem Tag ein Begriff gewesen. Im Nachhinein betrachtet: Ein sehr großer Fehler. Als die Band die Bühne betritt, herrscht erstmal geistige Fassungslosigkeit. Kurz darauf steht nämlich die Frage im Raum, seit wann Mambo Kurt in einer finnischen Band spielt, die aussieht, als wäre sie einem 70er-Jahre Discohitvideo entsprungen. Dann beginnt das Konzert, die Show oder das Chaos, wie auch immer man es nennen möchte – erneut: Geistige Fassungslosigkeit. Die Musik bewegt sich irgendwo zwischen Glam- und Psychodelic Rock, aber eigentlich bewegt sie sich nur irgendwo. Eine Einordnung ist unmöglich, aber auch völlig unwichtig angesichts dessen, was sich da auf der Bühne abspielt. Spätestens als der Sänger/Keyboarder nach zwei gespielten Minuten des ersten Songs anfängt, Turnübungen auf der Bühne zu vollziehen, fragt man sich, was hier eigentlich gerade geschieht. Die Fassungslosigkeit wandelt sich langsam zu Amüsement. Der erste Song endet anschließend mit einem minutenlangen Riffsgewitter, das der turnerprobte Herr dazu nutzt, alle seine Mitglieder außer dem Drummer zu umarmen und ihnen ins Gesicht zu fassen. Wohlgemerkt, das Lied läuft derweil weiter. Das Ganze geschieht in keinem Fall auf Kosten der Musik. Der gute Herr hat eine wahnsinnig ausgefeilte hohe Stimme (auch wenn er minutenlang und in Zeitlupe eines seiner Bandmitglieder umklammert) und auch der „Mönchsgesang“, den der Bassist vor dem zweiten Song anstimmt, kann sich hören lassen. Das Publikum ist hellauf begeistert. Die Musik/Show liegt auf einer Skala von total bescheuert bis unglaublich tiefgründig und künstlerisch wertvoll quasi überall. Im Verlauf des Sets darf auch ein weiterer Gitarrist ans Mikro, welcher durch seine rotzige Stimme überzeugt. Nach einem recht ruhigen Song schießt den Band dann endgültig den Vogel ab: Nun wildert man in Black-Metal-Gefilden. Warum? Das weiß niemand, aber es ist auch eigentlich egal. Mittlerweile gibt es nichts, was uns bei diesem Auftritt noch überraschen würde. Das Amüsement wird zu breitem Grinsen. Nachdem der Keyboarder-Sänger bei einer weiteren artistischen Turneinlage von seinem Hocker fällt wird zum großen Finale angestimmt. Die Band steht geschlossen posend vor den Drums während der Sänger sich mit Hilfe seines Mikroständers die Schuhe schnürt. Ein wahrhaft skurriler Abschluss. Es stellt sich die Frage, wer auf die Idee kam, vor Old Man Gloom eine Band auf die Bühne zu schicken, die quasi das komplette Kontrastprogramm auf die Bühne stellt. Statt düster, langsam und schleppend ist hier alles bunt, schnell, energiegeladen und einfach nur bescheuert. Generell sind wir uns einig, noch nie etwas derartig Verrücktes auf einer Bühne gesehen zu haben. Und das ist wirklich nicht leicht, angesichts nackter Stage Diver, fliegender Kokosnüsse oder Menschen in Vaginakostümen bei anderen Auftritten. Nach dem Auftritt verlassen wir den Raum. Halb lachend, halb fragend, was eigentlich gerade passiert ist. Jeder weitere Gast nach uns scheint sich dasselbe zu Fragen. Insgesamt ein vollkommen gelungenes Konzert, das vollkommen bescheuert wurde, ohne aber vollkommen aufgesetzt und ohne „oh wir machen jetzt random ironische Kunst“-Getue. Abschließend bleibt wohl zu diesem Auftritt nur eines zu sagen: Egal ob man es großartig oder grauenhaft findet, sind wir dennoch sicher, dass niemand im Raum diesen Auftritt je vergessen wird.

Die kurzen Umbaupausen werden eingehalten und so geht es nach einer kurzen Erholung draußen (inklusive diverser Lachkrämpfe) weiter mit Old Man Gloom. Die Soundwand wird langsam und gemächlich aufgebaut. Die Band versteht ihr Handwerk. Mit Ausnahme des Drummers sind hier alle Mitglieder abwechselnd für den Gesang zuständig. Die Songs sind durchgezogen von einem Mix aus schnellen Riffgefrickel und langsamen Sludge Parts. Und wenn hier an dieser Stelle langsam steht, ist auch langsam gemeint, dafür aber auch gewaltig. Leider ist der Sound während des Sets nicht der allerbeste. Es ist sehr laut, dafür geht der Gesang stellenweise ziemlich unter. Auch hat der Drummer Probleme und hört anscheinend gar nichts über die Monitorboxen. Das Ganze wirkt sich auch nicht sehr positiv auf die Stimmung der Band aus, die aber trotzdem weiter routiniert ihr Set durchzieht. Die Klanggewalt ist trotzdem vorhanden, wenn auch nicht so übertrieben wie zum Beispiel bei Cult of Luna. Es ist keineswegs ein schlechter Auftritt, aber es wäre deutlich mehr drin gewesen. Mit besserem Sound und vielleicht 1-2 Songs hätte es ein sehr gutes Konzert werden können. So ist es doch leider „nur“ ein gutes Set.

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Von Veröffentlicht am: 04.04.2014Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018991 WörterLesedauer 5 MinAnsichten: 1040Kategorien: KonzerteSchlagwörter: , , , , , , , 1 Kommentar on BERICHT: Old Man Gloom / 01.04.2014, Grammatikoff Duisburg
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Über den Autor: Robin Aust

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One Comment

  1. Jo 07.04.2014 at 16:36 - Reply

    netter Bericht! mir ging es ähnlich. schade, dass so wenig Leute da waren.

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