Labels im Porträt: Midira Records

Labels im Porträt: Midira Records

Das Essener Label Midira Records hat in den letzten Jahren einige Releases von Künstlern wie z.B. Aidan Baker, N, Tegh, thisquietarmy und Unland aus dem Bereich Ambient, Drone, Noise und Dark Jazz in Kleinauflagen auf Vinyl, CD und Kassette herausgebracht. Darüber hinaus fördert es diese Szene mit dem eigenen Moving Noises Festival und einer angeschlossenen Konzertreihe. Wir sprachen mit Dimi Kaitsis.


Wie kamt ihr dazu, dass Label zu gründen?

Midira Records ist aus Liebe zur Musik und zu den Musikern entstanden. Irgendwann haben wir gemerkt, dass die Ambient- und Drone-Szene, in der wir unterwegs waren, sehr klein ist und dass das Veröffentlichen von Platten für Künstler nicht immer leicht ist. Oft müssen Musiker nicht nur die Aufnahmen bezahlen, sondern kümmern sich auch um die Veröffentlichung. Manchmal eindeutig Self-Released, manchmal als Label, das keins ist. Irgendwann haben wir uns dann spontan entschlossen, es einfach mal zu versuchen diese Künstler mit Kleinauflagen-Releases zu unterstützen.

Warum die Auswahl Ambient, Drone, Noise, Dark Jazz?

Dies ist keine strenge Auswahl. Aber Ambient und Drone sind die Musikrichtungen, die uns am meisten zusagen. Wir haben aber auch diverse andere Stile im Repertoire und sind beispielsweise elektronischer Musik und härteren Sounds ebenso nicht abgeneigt. Wichtig ist, dass uns der Sound gefällt und stilistisch in unseren Midira-Records-Kosmos hineinpasst.

Was sind eure Kriterien für die Aufnahme eines Künstlers / die Veröffentlichung eines Albums?

Das ist ganz einfach: Die Musik muss uns gefallen und der Kontakt zum Künstler muss sich gut anfühlen. Wenn wir also ein gutes Gefühl haben und denken, dass die Chemie zwischen uns stimmt, dann ist das die beste Basis.

Es sind viele Künstler von außerhalb Deutschlands dabei. Wie kamen die Kontakte zustande?

Das ist unterschiedlich. Entweder treffen wir die Musiker auf Konzerten oder die Musiker schreiben uns an. Uns ist die Mischung besonders wichtig. Zwar ist es von Vorteil die Künstler aus Deutschland auch persönlich kennenlernen zu können, aber uns ist auch genauso wichtig Künstler zu unterstützen, die aus Ländern kommen, in denen die Möglichkeit nicht gegeben ist, ein Album zu veröffentlichen. Bestes Beispiel ist Tegh aus dem Iran. Das Land selbst hat sehr strenge Auflagen, was das Musizieren und Musikveröffentlichen angeht. „Downfall“ von Tegh ist überhaupt nicht politisch, sondern verarbeitet die Gefühle des Künstlers, die in ihm nach dem Betrachten eines alten Pressefotos aufkamen. Darauf ist ein kleiner Junge zu sehen, der aus einem fliegenden Flugzeug fällt, in dessen Radkasten er sich versteckt hatte. Das Album ist großartig und kam bei der Presse auch gut an. Das freut uns sehr und ermutigt uns unsere Arbeit fortzusetzen.

Ihr veröffentlicht sowohl auf Vinyl als auch auf CD und Kassette, meist exklusiv auf einem Format. Warum und wie fällt hierfür die Entscheidung?

Ja, das stimmt. Uns ist wichtig die Veröffentlichungen limitiert zu halten. Deswegen entscheiden wir uns immer nur für ein Format und ergänzen dieses manchmal um Bonusmaterial auf anderen Formaten. Die Formatentscheidung hängt vom Klang des Albums und von diversen anderen Faktoren ab. Wir versuchen uns meistens für Vinyl und Tape zu entscheiden. Dies ist aber aus Kosten- und Zeitgründen nicht immer möglich.

Du sprachst gerade die Limitierung an. Gibt es dafür einen besonderen Grund? Steigerung der Nachfrage bei Sammlern, eine potentiell eher geringe Absatzmenge aufgrund der kleinen Szene o.ä.?

Wir können uns aus finanziellen und platzlichen Gründen keine großen Auflagen leisten. Die Szene ist zwar klein, aber unsere Auflagen sind sicherlich kleiner. Um so schöner ist es, wenn eine Auflage mal vergriffen ist, dann weiß man, dass die größten Fans ihr Exemplar gekauft haben.

Was sagt Ihr zur Entwicklung der Fertigung beim Vinyl? Viele beschweren sich über hohe Preise, schlechte Pressqualität und lange Lieferzeiten.

Es heißt ja immer, dass immer noch mit den alten Maschinen von früher produziert wird und keine neuen hergestellt werden. Zudem gibt es nicht viele Presswerke im Vergleich zu CD-Produzenten, da fallen Preise auch gerne mal höher aus. Besonders dann, wenn so wie bei uns nur Kleinauflagen bestellt werden. Wir versuchen die Endpreise für unsere Käufer so niedrig wie möglich zu halten, was aber bei Vinyl in 100er bis 300er Auflagen mit gutem Coverdruck nicht immer möglich ist. Die langen Lieferzeiten sind kein Wunder, weil die Nachfrage gestiegen ist, aber keine neuen Presswerke oder Produktionsmaschinen dazu kommen. Schlechte Pressqualität kann immer wieder vereinzelt passieren, das ist normal bei Vinyl. Hier ist jede Platte ein Unikat. Wir lassen immer Testpressungen fertigen und hören diese sorgfältig durch, bevor wir eine Bestellung produzieren lassen. So kann man generelle Pressprobleme vermeiden.

Wie kam es dazu, dass ihr das Moving Noises Festival und die Reihe ins Leben rieft, und zur Zusammenarbeit mit der Christuskirche?

Das Moving Noises Festival ist in erster Linie als Bühne für unsere Midira-Records-Künstler gedacht. Die Christuskirche Bochum ist da der perfekte Soundträger. Es ist tatsächlich so, dass besonders der Sound von Ambient und Drone in der Kirche verstärkt wird, während er durch diese grandiose Architektur wandert. Daher auch der Titel des Festivals. Einige Aufnahmen aus der Kirche haben wir sogar als Midira-Release veröffentlicht.

Könnt ihr uns etwas dazu sagen, was uns nächstes Jahr erwartet?

Wir starten im Januar mit zwei Vinylveröffentlichungen zweier Künstler, die mittlerweile auch enge Freunde sind. Ein Vinyl-Release ist von Zenjungle aus Athen. „Fragmented Lives“ ist ein 36-Minuten-Stück, dass er auch auf dem diesjährigen Moving Noises Festival uraufgeführt hat. Das zweite Vinyl-Release kommt von N. Mit „Suedfall“ ehren wir einen Song, den wir vor vielen Jahren schon ins Herz geschlossen haben. Es gibt eine Live-Version (ebenfalls aus der Christuskirche Bochum) und eine neue Studioversion mit Gastmusikerin an der Violine. Beide Releases erscheinen am 19.01.2018 und können bereits vorbestellt werden. Zusätzlich veröffentlichen wir noch am selben Tag eine CD von Noone, der mit einem 60-minütigen Stück ein Lewis-Carroll-Gedicht interpretiert. Es ist sowas wie ein Ambient-Hörspiel ohne Text.

Wir danken für das Gespräch.

Midira Records Bandcamp

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Anspieltipps:

thisquietarmy – Transhumanism

Unland – Verwüstung

Zenjungle – Elegy for the Will

The Star Pillow – While You’re Sleeping In July

Tecumseh – The Crowning

Tegh – Downfall III

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Von Veröffentlicht am: 19.12.2017Zuletzt bearbeitet: 20.12.20171072 WörterLesedauer 5,4 MinAnsichten: 926Kategorien: InterviewsSchlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , 0 Kommentare on Labels im Porträt: Midira Records
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Über den Autor: Christian Hennecke

Wenn Christian Hennecke (Jahrgang 1971) nicht gerade als freier Autor für Pretty in Noise oder das MINT Magazin für Vinylkultur schreibt, findet man ihn z.B. vor seiner Stereoanlage, im Wald auf der Suche nach Tupperdosen oder im Kino. Im Ernst des Lebens ist er Redakteur, Übersetzer und Projektleiter.

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