Abhängen am Giant Pool mit GIANT³ SAND

Abhängen am Giant Pool mit GIANT³ SAND

Gespräch mit GIANT³ SAND Manager beim Primavera Festival in Barcelona 2015.


Als Gitarrist einer Death Metal Band, aber mit Poison-Gürtel und den krassesten Fake-Snake-Cowboystiefeln war mein Freund Christoph schon in der Schule eine echt coole Sau. Mehr als eine Dekade später treffe ich ihn als Co-Manager der Indie-Ikone Howe Gelb beim diesjährigen Primavera Sound Festival in Barcelona wieder. Ich möchte Howe’s Band GIANT³ SAND aus Tucson Arizona interviewen, die gerade mit ihrer neuen Scheibe HEARTBREAK PASS in Europa unterwegs sind. Direkt am ersten offiziellen Festivaltag soll es soweit sein. Doch noch während meine Festivalbegleiter und ich bereits leicht verkatert und trotzdem lebenswütig durch die Gassen dieser schönen Stadt zum Gelände laufen, ruft Christoph a.k.a C.C. Striker durch, um mir mitzuteilen, dass der Terminkalender schon voll sei. Außerdem hätte man sich am Vortag etwas zu viel Spaß gehabt. Wir lachen, verschieben unser Date auf den nächsten Tag und freuen uns beide erst einmal auf das Konzert.

Dark Cowboys wear Ray Bans
Auf dem Festivalgelände begrüßen uns Sonne, Meer, entspannte Menschen und gefühlte 100 Bühnen mit den unterschiedlichsten Bands. Gerade noch rechtzeitig zum Auftakt des genresprengenden Wüstencrooners finde ich die Ray Ban Stage. Und da stehen sie schon: 7 lässig und gediegen in schwarz gekleidete Vollblutmusiker aus Arizona, Dänemark und Kroatien. Ich denke an Desert Sessions, Woodstock und sogar Cohen. Doch die Gitarreros Brian Lopez und Gabriel Sullivan drehen den Gain-Regler immer weiter nach oben und passen den Gitarrensound den dämmernden Lichtverhältnissen an. Handsome Howe‘s erdiger Flüster-Bariton ist eine wahre Wohltat für Ohr und Seele. Ein bißchen Improcomedy ist auch drin: „Is it Sunday yet? Will there be church? Will there be popcorn?” witzelt Gelb, bevor er mit “Song So Wrong” weitermacht. Mein Freund Christoph steht am Bühnenrand, ist wie immer <<in charge of everything>>, macht seinen Job und er macht ihn gut. Aber als sogar er locker lässt und zu meinem persönlichen Desert-Rock Favoriten „Transponder“ vom neuen Album abgeht, sind wir spätestens dann einfach alle auf dem dark horse drauf. Zusammen mit Howe und seiner Gang reiten wir in den Sonnenuntergang. Bevor es zu gemütlich wird, kündigt er einen Song an, der geschrieben wurde „before several members of the crew were even born“. Beeindruckend, dieser Mann geht jetzt tatsächlich in die vierte Dekade des Indiegeschäfts. Das schießt nicht nur dem Publikum durch den Kopf. Gelb wird nun von besagten jüngeren Bandmitgliedern ordentlich abgefeiert. Seine weibliche Live-Verstärkung Dunja, the lovely Princess aus Croatia, reißt jetzt die Bühne ab und dreckt mit ihrem Organ den Sand noch ordentlich ein. Einen besseren Festivalstart hätte es nicht geben können. Howe Gelb hat Recht, als er uns mit den Worten „It’s a beautiful time to be alive“ beseelt in den restlichen Konzertabend entlässt.

Abhängen am Giant Pool mit GIANT³ SAND

Abhängen am Giant Pool mit GIANT³ SAND

Am nächsten Tag ist Christoph busy, muss downtown netzwerken. Unser Termin verschiebt sich von 3 Uhr auf kurz vor 5. Vor lauter Nervosität versuche ich kurz vorher einen Sangria zu organisieren und bekomme doch Volldamm Bier (-ia?, sí!) serviert. Ich hüpfe in die Metro, jogge zur Lobby und schaffe es mal wieder auf die Minute. Als C.C. mich in Trucker-Cap, braunem Giant-Sand-Shirt, bunten Bermudas und Flip Flops empfängt und herzt, stelle ich entzückt fest, dass seine Coolness heute noch um ein Vielfaches potenziert wurde. Wir steigen in den Aufzug, ich frage wohin, natürlich auf die Dachterrasse zum Pool, die anderen kämen auch gleich irgendwann. Ab diesem Moment kriege ich mein Grinsen nicht aus dem Gesicht, ich beschließe einfach mit C.C. über die Platte und Tour zu plaudern und lasse mein Diktiergerät laufen. Der seit Ewigkeiten in Italien lebende, studierte Musikmanager und kernige Gentleman holt direkt ein Handtuch und wirft es über meine Liege. „Mit so einem Ausblick lässt es sich leben“ lache ich und drücke auf Record:

PiN: Wie bist Du eigentlich dazu gekommen, GIANT³ SAND zu managen?

Naja, BLACKMAIL haben dieses Jahr Pause. Mich hatte mal der Schweizer Agent von SPAIN angefragt, ob ich nicht deren Tour managen würde. Kennst Du die? Die haben in den 90ern ein Kultalbum rausgebracht. Slowcore-Begründer. Beschissene Namensgebung für ein Genre… Ist einfach nur gute Musik. Die haben diesen… Kennst Du den Song von Johnny Cash [Christoph setzt mit Elvis-Singsang fort] „Jesus, oh, Jesus i don’t wanna die alone“ geschrieben. Viel mit Rick Rubin zu tun gehabt. Naja, jedenfalls habe ich deren Europatour gemacht und noch zwei weitere, hat gut geklappt, und so wurde ich auch für Howe Gelb angefragt, quasi. Ich habe einfach irgendwann angefangen, auch den Managementkram zu machen. Überall dort anzusetzen, wo ich Potenzial gesehen habe. Und dann sagte Howe irgendwann einfach: Du bist jetzt mein Co-Manager. Ich so: Ja, alles klar.

PiN: Du und Howe, ihr versteht Euch echt gut – oder?

Ja, wir verstehen uns super. Es macht total viel Spaß. Er ist ja auch ein sehr ehrlicher Künstler. Das hat mit so was Zusammengecastetem gar nichts zu tun.

PiN: Genau, ich hatte gestern das Gefühl, dass da eine echte Gang spielt, nicht bloß der Künstler und irgendwelche Musiker.

Ja, das ist so ein Kollektiv. Es kommt dann noch mal darauf an, wer Zeit hat. Alle, die bei GIANT³ SAND spielen, haben ja auch ihr eigenes Ding am Laufen. Wie die Maggie Björklund – die Pedal-Steel-Spielerin tourt jetzt auch in Deutschland. Das letzte Album ist z.B. von John Parish produziert. Sie selbst hat auch auf dem letzten Alben von Jack White und auf dessen Tour mitgewirkt. Ab und an macht die ganze GIANT³ SAND Crew auch die Backing Band von Mark Lanegan. Gitarrist Brian Lopez hat gerade ein Soloalbum gemacht und hat ein Projekt mit dem anderen Gitarristen Gabriel Sullivan der auch erfolgreich was am Laufen hat. Zusammen sind die beiden noch mehr Dark Cowboy–mäßig mit Cumbia feel, das wird ein Spaß…

PiN: Der Dark Cowboy Sound der Gitarristen kam auch voll durch, finde ich. Die haben ab der zweiten Hälfte des Konzerts ganz schön Gas gegeben.

Naja, da merkste dann auch, wo die Jungs herkommen und wo die Bock drauf haben. Das macht GIANT³ SAND auch so vielseitig. So können wir veranstaltungstechnisch eine ganz schöne Bandbreite abdecken.

PiN: Apropos dark…Ich musste gestern an Cohen denken.

Ja, klar, bei Howe sowieso. Auf dem dritten Song vom aktuellen Album, HEARTBREAK PASS, ist sogar eine direkte textliche Referenz zu Cohen. Der Song „Texting Feist“ ist aus einer Konversation mit der Leslie Feist entstanden.

PiN: Ich habe gesehen, wie Du auf den Song „Transponder“ abgegangen bist. Im Vorfeld dachte ich irgendwie, GIANT³ SAND wären Country.

Auch, aber eben nicht nur. Wir haben auch was für die Indie-Kids. Die haben auch richtig was zu erzählen.

PiN: Und live auch zu gucken.

Ja, unsere lovely Princess Dunja aus Zagreb passt nicht nur gut ins Bild. Sie hat auch eine spitzen Stimme.

PiN: Was war das eigentlich für eine krasse grüne Gitarre, auf der Howe zwischendurch gespielt hat?

Ach, das ist eine alte Silvertone. So eine Kaufhaus-Gitarre aus den späten 50ern oder so. Das sind sooo kranke Sounds. Normalerweise finde ich ironische Musik scheiße, aber hier ist das einfach irgendwie witzig.

PiN: gutes Stichwort, ich habe mich gestern zwischen den Songs gut unterhalten gefühlt.

Yeah. Wir hatten eine Show in Utrecht, da hat Howe erst einmal 10 Minuten Stand Up Comedy gemacht. Hat was erzählt z.B. übers Pot-Rauchen in der Wüste in den 70ern und so. [Telefon klingelt, ich verstehe nur, dass C.C. aufzählt, mit welchen Bands er zusammenarbeitet.] Ja, das war Italien. Die wollten eine Pachanka Band für ein Festival, bin da aber raus.

PiN: Wie lange bist Du schon Musikmanager?

Eigentlich hat es ja schon bei meiner Masterarbeit angefangen, ich habe ja in Bologna und Rom Musikmanagement studiert. Und für die Masterarbeit hatte ich das Thema „Marketing einer Newcomerband“ und die damalige Band von Fabrizio Cammarata betreut, The Second Grace. Hatte auch angefangen die zu managen von Null an. Und dann fragte mich Mathias (ehemals Junias), mit dem ich erste Rocknroll Indie-Erfahrungen zu Schul- und Unizeiten gemacht habe von BLACKMAIL an, ob ich nicht deren Tour managen wollte. Da bin ich – wie jetzt bei GIANT³ SAND – vom Tourmanager zum Manager aufgestiegen. Ich hoffe, dass ich bald auch wesentlich weniger Tourmanager-Sachen mache, auch wenn das Leben on the road natürlich geil ist und glücklicherweise nie ganz aufhören wird.

PiN: Das ist doch das Leben, wovon wir als Kids immer geträumt haben: Rock’n’Roll – oder?

Es ist ja schon total geil. Wir haben hier quasi das mega Jet Set. Aber morgen muss ich wieder an den Computer, die Kalkulationen durchgehen und da ist das Leben einer Indie-Band nicht unbedingt ultralukrativ, sagen wir mal so. Aber es ist eigentlich auch scheißegal. Da muss man gleichzeitig Tour-, Bandmanagement, Merch usw. machen, damit da irgendwie halbwegs was Ordentliches hängen bleibt. Als Tour-Crew sind wir ja nur zu zweit: Also Soundmann und ich und alles andere ist eben Handarbeit. Trotzdem: Vor einem halben Jahr hätte ich nicht gedacht, dass ich jetzt hier auf den ganzen geilen Festivals wie hier, dann mit diversen Acts auf Isle of Wight oder Glastonbury bin und dass das Ganze ein anderes Feel annimmt. Aus den diversen Kontakten ergeben sich dann weitere Berufungen, wie für Chicks on Speed, oder auch für Rocky Votolato, den ich seit Anfang des Jahres manage – Toller Künstler. Viele Sachen gleichzeitig. Aber ja… verrückt, da geht man dann eben mit Howe Backstage, um Antony and the Johnsons, oder später heute Patti Smith „Hallo“ zu sagen. Schön zu sehen, dass sich jahrelange Arbeit jetzt auch mal anfängt auszuzahlen…

PiN: Bist Du denn auch mal zu Hause?

Hehehehee. Da musst Du mal meine Frau fragen. Die sagt, ich bin im Krieg. Versteht ja sonst keiner, was ich so mache. Ich bin ja froh, dass wir jetzt mit einem Nightliner unterwegs sind und ich ein bisschen schlafen kann. Alles ist besser als Van-Touren, das mache ich nicht mehr. 12.000 Kilometer in einem Monat von Oslo bis Belgrad, von Florenz bis Marseille.

PiN: Zurück zum just erschienenen Album von GIANT³ SAND „HEARTBREAK PASS“.

Ohja, auch da ist ein ganzer Haufen Gäste wie Steve Shelley (Sonic Youth) und John Parish (PJ Harvey) drauf. Natürlich ist der Kern Howe’s unverwechselbares Songwriting und Stimme. Soundtechnisch ist es eine Mischung aus dusty Alternative Folk, richtigem Desert-Rock und du kommst von der Wüste dann in den modernen Saloon quasi mit jazzig-loungigen Piano-Klängen… Das trifft die Pressemitteilung schon gut. Außerdem: Jason Lytle von Grandaddy hat Transponder produziert, Grant Lee Philipps ist drauf, Vinicio Capossela etc etc etc.

In diesem Augenblick kommt der charismatische GIANT³ SAND Gitarrist Brian Lopez im weißen Bademantel und schwarzer Ray Ban an den Pool, fragt uns, was wir trinken wollen. Christoph möchte Fanta. Gebracht werden die Getränke von Howe Gelb persönlich –im Bademantel, der mich, wie übrigens alle Musiker hier, denen mich Christoph jedes Mal als dear friend vorstellt, mit mediterranem Küsschen links und rechts begrüßt. „Fanta- stic“ freuen wir uns. Während Howe seine Bahnen zieht, läuft Christoph am Beckenrand und klärt mit ihm das weitere Business. Dann beschließen wir statt ein Interview zu führen, einfach ein bisschen zusammen abzuhängen und die Aussicht zu genießen. Bevor ich wieder losziehe, um mir die Mädels von Sleater-Kinney anzuschauen, schießen die Künstler noch ein Foto von Christoph und mir und ich denke mir wieder: „What a wonderful time to be alive“

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Von Veröffentlicht am: 04.06.2015Zuletzt bearbeitet: 02.12.20181984 WörterLesedauer 10 MinAnsichten: 907Kategorien: InterviewsSchlagwörter: , , , 0 Kommentare on Abhängen am Giant Pool mit GIANT³ SAND
Von |Veröffentlicht am: 04.06.2015|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|1984 Wörter|Lesedauer 10 Min|Ansichten: 907|Kategorien: Interviews|Schlagwörter: , , , |0 Kommentare on Abhängen am Giant Pool mit GIANT³ SAND|

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Über den Autor: Olga Polasik

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