BERICHT: Dry Cleaning & Maria Somerville (25.04.2022) (SO36, Berlin)

BERICHT: Dry Cleaning & Maria Somerville (25.04.2022) (SO36, Berlin)

Dry Cleaning holen verschobene Tour nach und spielen im Traditionsclub SO36.

New Long Leg, das erste, umjubelte Album der englischen Post-Punker:innen aus South London landete 2021, völlig zurecht, nicht nur in den Albumcharts von Pretty In Noise und festigte die These, dass hier in Zukunft noch einiges auf uns zu kommt. Im Land des Brexit stieg das Album auf Platz 4 ein und dieser Umstand rechtfertigt auf der Insel innerhalb von Millisekunden den nächsten Hype. Dieser ist nicht unbedingt minimalistisch ausgefallen, aber völlig zurecht auch hierzulande angekommen und Platz 84 der deutschen Albumcharts zu besetzen ist nicht zu verachten.

Fast ein Jahr nach Erscheinen der mit Hit-Singles reich bestückten Scheibe, fiel die verschobene Tour auf den April und da die Nachfrage den Hype bestimmt, wurde ihr Konzert in Berlin von der Existenz bedrohten Zukunft am Ostkreuz in das traditionsreiche SO36 verlegt.

Am Einlass stand der Hinweis „Fotografieren und Videos verboten “. Erst einmal schlechte Ausgangssituation da ich meine Kamera im Schlepptau habe. Glück im Unglück, darf ich nach einem kurzen Gespräch, autorisiert von den Musiker:innen während der ersten drei Hymnen, wohlgemerkt ohne Blitz fotografieren. Ungewöhnlich ja, aber ich freute mich über das spontane Entgegenkommen der Band und ohne Blitz Fotos zu sammeln gehört sowieso zu meinen Einstellungen.

Dry Cleaning | (c) Nico Pfüller

Maria Somerville, die in einer Hassliebe zu ihrer Heimat existiert, zog 2014 von Cornamona in Gelway nach Dublin, da sie hier ihrer Kreativität vollends freien Lauf lassen kann und direkt entfalten. Ihre Musik ist spärlich, intensiv instrumentiert, wird von Elektronik umgarnt, in einer Langsamkeit geschrieben wie wir sie von Ambient und Folk kennen.

Unverzerrt und rein gehalten macht es sich ihre süße Stimme auf den minimalen Noten der Gitarrenparts gemütlich die alles auf die Karte der Atmosphäre setzen und Drone-Riffs in die Synthie-Teppiche einweben. Eine nicht verschreibungspflichtige Dosis an Hall und Effekten liegen auf Marias Gesang und verstärken die eindringliche Harmonie. Während der Performance kristallisiert die Irin experimentelle Dream Pop Elemente heraus und verdeutlicht, dass sie zu den vitalsten Stimmern Irlands gehört. Eine Frau, ihre Gitarre, diese verträumte Stimme, ergänzt mit Beats und Klangweiten aus elektronischen Geräten leiten gefühlvoll in Richtung Hauptband den Abend.

Maria bedankt sich bei ihrem Publikum, schickt es mit tief verwurzelten, nostalgischen Erinnerungen in Form mit dem letzten Songs All My People in die Umbaupause.

Meine Erwartungen im obersten Drittel angesiedelt, würde sich zeigen, ob es Dry Cleaning schaffen, in der gleichen mitreißenden Art, introvertiert und abwartend im nächsten Augenblick die Party Maschine anzuwerfen, um die Crowd von ihrer schwarzen Weise des Humors gleichfalls überzeugen zu können. Leafy startete gelassen und tiefstapelnd in das 12 Songs umfassende Set.

Perfekt zum Aufwärmen, der Zuständige an den Knöpfen sucht noch nach der fließenden Linie, die er spätestens nach den beiden, ebenfalls von New Long Leg stammenden Songs Unsmart Lady und Strong Feelings gefunden hat. Alle vier Musiker halten sich die ersten 10 Minuten noch etwas zurück, Sängerin Florance begleitet ihre Gefühle sporadisch mit der Maracas Rassel und so langsam kommt Leben in die Bude, nachdem Bassist Lewis diverse Male, seinen Bass schwingend, allmählich die Bewegungslosigkeit durchbrach. Nick, hinter den Drums sitzend, lässt immer mehr seine akzentuierende Spielweise aufblitzen, zu der im Takt sein Haar ebenso aufgestachelt durch die Flut von Lichtern fliegen.

Zu schade, das nun Schluss mit dem Fotografieren sein soll, empathisch und bewusst beachte ich natürlich die Einschränkung und lass meinen Körper von der anscheinend gerade jetzt losgetretenen Euphorie mitreißen. Die Band schien gerade jetzt, förmlich zu explodieren und bei Her Hippo bekommen die Zuschauer:innen es mit einem Schellenkranz zu tun, der gegen die atonalen Töne der Musik hält.

Sit Down Meal von ihren zweiten, in Eigenregie veröffentlichten EP Boundary Roads Snacks And Drinks versetzt die hüpfenden vorderen Reihen in Ruhehaltung, aber mit Viking Hair wird genug neues Adrenalin freigesetzt und die Tänzer:innen von Gitarrist Thomas motiviert, zurück in die Spur. Die Shuffle-Beats von More Big Birds luden auf einen entspannten Kopfnicker ein und Florance aktivierte ausgelassen mehrmals im Verlaufe des Sets ihren Kassettenrecorder, da dieser immer mal Soundschnipsel beisteuern durfte.

Erneut bekamen wir einen älteren Track, den Traditional Fish vorgesetzt in dem es beschreibend um die Westminister Bridge Road, eine Menge News, Magazine, Pizza, Burger und natürlich Essen aus dem Ozean geht. Auch die letzten 4 Songs halten Gitarrist Thomas nicht davon ab, weiterhin mit seinem rechten Arm gestikulierte, das Publikum anzuheizen, ihnen alles abzuverlangen. Seine wilden Bewegungen erinnerten mich dabei eher an Gitarrist:innen einer Metal- oder Hardcore-Kapelle, die ihre Zuschauer:innen für einen Circle-Pit einstimmen möchte und das Publikum gab kreischend ihrerseits ein Feedback zurück in Richtung Dry Cleaning und der Saal kochte die Temperaturen in die Höhe. Für den Schluss hielten sich die vier aus der „Wäschereinigung“ ihren Hit Scratchcard Lanyard zurück und allen war bewusst, diese Smasher durfte nicht fehlen. Publikum wie Musiker:innen zeigen sichtlich Spaß auch wenn es das Ende des heutigen Konzertabends bedeutet, an dem mir nur der meiner Meinung nach beste Track, John Wick der South Londoner auf der Setlist fehlen sollte.

Titelbild: Dry Cleaning | (c) Nico Pfüller

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Von Veröffentlicht am: 26.05.2022Zuletzt bearbeitet: 26.05.2022886 WörterLesedauer 4,5 MinAnsichten: 662Kategorien: EventsSchlagwörter: , , 0 Kommentare on BERICHT: Dry Cleaning & Maria Somerville (25.04.2022) (SO36, Berlin)
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