Karies – Alice

Karies – Alice

Karies kommen aus dem in musikalischer Hinsicht virulenten Stuttgarter Umland und gehören mittlerweile beinahe zum alten Eisen, wenn es um deutschsprachigen Post-Punk geht.

Vö: 12.10.2018This Charming Man RecordsLP kaufenLP kaufen

Angesichts eines in den letzten Jahren zunehmend eingesetzten Trends in diese Richtung haben sich in jüngerer Vergangenheit bereits einige Acts zunehmend von ihren einstigen Wurzeln entfernt und von der Post-Punk-typisch stoischen Rhythmik und monoton gesprochen-geschrienen Texten Abstand genommen. Denn was 2012 vielleicht noch neu und aufregend klang, ist 2018 mitunter alt, langweilig und irgendwie bräsig geworden. Messer und Die Nerven können hier als Beispiel einer gelungenen Entwicklung genannt werden, wenn man will auch Ja, Panik. Vielleicht hängt dieser Trend damit zusammen, dass die Entfaltungsmöglichkeiten diesbezüglich auf lange Sicht doch recht begrenzt sind und die eigenen technischen Fähigkeiten zugleich zunehmen. Vielleicht aber auch einfach mit dem Phänomen, welches man in der Soziologie als „Distinktion“ bezeichnet: Handlungen sind nur so lange interessant, wie sie noch nicht massentauglich sind. Wenn zu viele Menschen der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten nacheifern, muss man sich eben eine neue suchen, um sich von anderen zu unterscheiden.

Fest steht, dass Karies auf ihrem neuen Album „Alice“ von alten Mustern Abstand genommen und die Uhren gewissermaßen auf Null gestellt haben.

Trotz eines beinahe eklektizistischen Ansatzes wirkt das neue Werk jedoch keineswegs chaotisch, sondern im Gegenteil aufgeräumt und durchdacht. „Holly“ erinnert mit seinen schwebenden Gitarren etwas an den Sound von Ja Paniks „Libertatia“ von 2015 inklusive harmonischem Chorgesang. In „Alice“ hat man in der Mitte des Songs ob der flirrenden Synthies das Gefühl, dass Karies eine Kollaboration mit Jean-Michel Jarre eingegangen sind. In „1987“ wird plötzlich munter drauflos gejazzt, bevor ein von Autotune-Effekten verfremdeter Gesang das ganze zu einem lupenreinen Pop-Song mutieren lässt. Und in „Pebbo“ wird zwischendrin auch wieder kurz auf alte und gewohnte Weise postpunkig geknüppelt, sodass am Ende klar ist: wer oder was Karies sind, wollen sie gar nicht mehr so genau bestimmen, geschweige denn bestimmen lassen.

Im Mittelpunkt steht nun ganz popmusiktypisch der Song selber, oder wie man landläufig sagt: der Hit.

Und festhalten kann man, dass das Album nur so gefüllt ist mit Hits. Jeder einzelne bildet ein eigenes Universum, kann demnach auch vom Kontext des Albums losgelöst betrachtet und gehört werden. Die Emotionspalette ist dabei breiter geworden. Verzweiflung und Wut existieren noch, werden aber auch immer wieder von helleren Momenten flankiert. Ausverkauf, werden da vielleicht die einen schreien. Anbiederung, die anderen. Doch vielleicht wird sich am Ende auch einfach die Erkenntnis durchsetzen, dass ein guter Song ein guter Song bleibt, so oder so.

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Von Veröffentlicht am: 15.10.2018Zuletzt bearbeitet: 03.07.2019435 WörterLesedauer 2,2 MinAnsichten: 1028Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Karies – Alice
Von |Veröffentlicht am: 15.10.2018|Zuletzt bearbeitet: 03.07.2019|435 Wörter|Lesedauer 2,2 Min|Ansichten: 1028|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on Karies – Alice|

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Über den Autor: Luca Glenzer

Musiker und Soziologe.

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