BERICHT: Britta 16.10.2018, Werk 2 Leipzig
Britta, das war stets die imaginäre beste Freundin, die ein offenes Ohr für einen hatte, wenn Freund_innen einen versetzten, wenn lang gehegte Liebesträume zerplatzten, wenn die eigene Trägheit dem gesellschaftlichen Tatendrang mal wieder zuwider lief.
Britta war die Flaneurin, die auf den großen Alleen Berlins Zuhause war und die schönsten Songs über das Nichtstun verfasste. Britta war Verstandenwerden und Liebe. Britta war betrübte Heiterkeit, die lakonisch vor sich her getragen wurde. Nicht zuletzt war Britta für viele eine Erinnerung an eine längst vergangene Zeit.
Denn höchstens in den kühnsten Träumen hatten die Brittaianer_innen dieses Landes es in den letzten Jahren wohl zu hoffen gewagt, dass sich noch mal die Möglichkeit eines Konzerterlebnisses bieten würde. Zu lange war es her, dass es ein Lebenszeichen von ihnen gegeben hatte. Nach den Aufnahmen ihres letzten Albums „Das schöne Leben“ aus dem Jahr 2006 hatte Sängerin und Gitarristin Christiane Rösinger das literarische Schreiben für sich entdeckt, veröffentlichte seitdem vier Bücher und darüber hinaus zwei Soloplatten. Die Band ließ seitdem nichts mehr von sich verlauten. Was blieb, waren vier Alben, die das Lebensgefühl desillusionierter Großstadtromantiker_innen der 2000er-Wende auf nahezu herzzerreißend schöne Weise einfingen.
Doch nun, im Jahr 2018, kündigten sich Neuigkeiten an.
Da die Britta-Alben seit vielen Jahren vergriffen und mittlerweile zur Discogs-Rarität mutiert waren, wurde die Veröffentlichung einer Best Of-Platte sowie neue Live-Termine bekannt gegeben, einer davon im Werk 2 in Leipzig.
Um kurz vor 9 betritt die Band die Bühne, begleitet vom warmen Applaus eines Publikums, das diesen Moment lange herbeigesehnt hat. Ihr Set beginnt die Band mit der Heinrich-Heine-Vertonung „Sie haben heut‘ Abend Gesellschaft“:
Du siehst mich nicht im Dunkeln/ Steh ich hier unten allein/ Noch weniger kannst du schaun/ In mein dunkles Herz hinein
… singt eine introvertierte Rösinger, und deutet damit an, was die Band dem Publikum den über Abend präsentieren würde: Songs über vereinzelte Individuen, die die Diskrepanz zwischen Versprechung und Realität jeden Tag aufs neue zu spüren bekommen.
Bei Britta gab es nie die Angst vor der Zurschaustellung des empfundenen Leids, nie die Furcht vor einer Überdramatisierung des Kummers.
Was vielleicht auch daran liegt, dass man sich trotz geschilderter Großstadtdramen selbst nie zu ernst nahm. „Ich kam vom Winterschlaf in die Frühjahrsmüdigkeit, von der Frühjahrsmüdigkeit ins Sommerloch, vom Sommerloch in die Herbsttraurigkeit, und zwischendurch gab es Momente, die waren gut“, heißt es in „Irgendwas ist immer“, was die Lebenseinstellung einer Generation skizziert, die Zukunftsgläubigkeit und Optimismus nur noch aus den Schwarz-Weiß-Filmen einer längst vergangenen Epoche kennt, sich dennoch aber der Resignation widersetzt.
Rösinger ist so was wie der Star der Band und steht auch beim Konzert im Werk 2 klar im Mittelpunkt des Geschehens.
Sie verspricht dem Publikums „Hits, Hits, Hits“ und verspricht damit erwartungsgemäß nicht zu viel. Der Schwerpunkt ihres Auftritts liegt auf Songs aus dem 2001er-Album „Kollektion Gold“, der vielleicht besten deutschsprachigen Platte der 2000er-Jahre. Doch auch die anderen drei Alben der Band werden genügend berücksichtigt, wie etwas die inoffizielle Bandhymne „Lichtjahre Voraus“ aus dem gleichnamigen 2003er-Album, in der es selbstvergewissernd heißt:
Wir müssen unseren eigenen Schopf immer aus dem Sumpf raus ziehen/ Wir dürfen nicht ins Jammertal der Häuslichkeit entfliehen.
…und kurz darauf dann:
Wir sind Britta und wir hören nicht damit auf, und wenn die ganze Welt sich für kleines Geld verkauft.
Julie Miess spielt dazu auf grazile Weise ihre einprägsamen, melodischen Basslinien, und singt darüber hinaus später das schöne „Winter der Liebe“. Barbara Wagner an der Gitarre hält sich melodisch meist zurück und unterstützt mit ihren schrammeligen Akkordfolgen Drummer Sebastian Vogel eher im rhythmischen Bereich.
Im letzten Song „Heimi Heimato“, der dritten Zugabe der Band inszeniert Rösinger dann auf geradezu theatralische Weise ihre Erschöpfung und fleht das Publikum förmlich an, den darauf folgenden Abgang zu akzeptieren. Den meisten Anwesenden fällt dies sichtbar schwer, aber wie es in Freundschaften nun mal üblich ist, müssen Kompromisse gefunden werden. Somit bleibt dem Publikum nichts als die Erinnerung an einen großartigen Konzertabend, verbunden mit dem abschließenden Versprechen Rösingers: „Keine Sorge, wir kommen wieder. Ihr müsst uns halt einladen.“ Na, aber!
https://prettyinnoise.de/20-jahre-britta-band-um-saengerin-und-songschreiberin-christiane-roesinger-kommt-auch-nach-leipzig.html
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