Sonntagskolumne: Oh nein, Weekend-Feeling – mit Kala Brisella u.a.

Sonntagskolumne: Oh nein, Weekend-Feeling – mit Kala Brisella u.a.

Sonntagskolumne – Die mieseste Kredithaibande der Stadt 


Die allgemeine Sonntagskolumne hat immer die Aura von frischen Brötchen, Kaffee aus großen Tassen und jenem Jose Gonzales-Song, der diese Sony-Werbung untermalt hat.

Die Realitäten dieser Danone-Sonntage allerdings sind eher traurige Erinnerungen an körperliche Unversehrtheit und (im besten Falle) Gedanken an gute Momente während der Void-Phase kurz zuvor, meistens aber halt garnicht viel und noch öfter eben viel Schlimmes. Unter anderem deswegen schreibe ich diese Kolumne an einem Donnerstag, nach einigen Tassen Kaffee, allerdings nicht wichtig irgendwo rumsitzend, sondern gen Feld blickend, auf dem Land hockend. Meine Heimtherapie ist es jetzt, einmal die Woche Beobachtungen über deutsche Populärmusik abzuliefern, schwerpunktmässig von Gruppen aus dem weiten, weiten Umfeld der „Indie mit deutschen Texten-Gruppe“ oder wie man das mittlerweile nennt. Klar gerne auch irgendwas viel Weitergehendes und kulturell Relevantes, aber als Basiscamp ist deutschsprachige Stromgitarrenmusik recht bequem.


Heute gibt es eine Rezension zu Kala Brisella „Endlich Krank“ und drei Videos, die diese Woche daran erinnert haben, was deutsche Texte halt doch so schön und wichtig macht und weswegen es manchmal ganz gut sein kann, zu verstehen was die da gerade singen. Eher oft sogar.

So richtig unvoreingenommen ist man ja eh nie, aber dieses Mal Rezension bin ich ganz besonders voreingenommen, hochgradig sensibilisiert quasi. Kala Brisella habe ich nie live gesehen und auch gesprochen habe ich kein Bandmitglied, aber die Gruppe war für eine Weile auf K o ж m a rec. vertreten, jenem DIY Label das ich mit lieben alten Freunden „betreibe“, wobei DIY gleichzeitig auch als Hinweis an die Künstler zu verstehen ist, alles, wirklich alles selbst zu machen. Sie druckten also unseren Labelnamen auf ihre Kassettenveröffentlichung „Bilder“, den Vorläufer jener nun vorliegenden Platte. Kala Brisella jedenfalls hießen eine Weile DAS BAND, (noch früher sogar mal jochen otto und das band, fand ich übrigens richtig gut, den Namen) bis eine Münchener Formation die Urheberschaft von DAS BAND für sich beanspruchte. Mein Verständnis von Labelbetrieb war damals, in solchen Situationen großspurig mit Anwälten und juristischen“Konsequenzen“ zu drohen, zumindest die angebliche Existenz einer Advocard anzudeuten, was natürlich Nonsens ist und auch garnichts gebracht hätte, vermutlich nicht einmal (holy grail!) PR. Da aber selbst minimalinvasive Werbung mehr braucht als uneindeutige sponsored ads bei Facebook, blieben DAS BAND auf sich allein gestellt und heißen folglich und vermutlich endgültig KALA BRISELLA.

Um auf Vinyl veröffentlichen zu können, braucht es motivierte Label- und Vetriebsmenschen, die ihre Motivation nicht vom Tageszustand abhängig machen, so ist es keine Überraschung das KALA BRISELLA jetzt beim Berliner Spezialitätenladen Späti Palace angedockt haben. Ganz ohne Groll: Es sei euch gegönnt. „Endlich Krank“ (VÖ 19.05) macht richtig Spaß und klingt subjektiv nochmal deutlich besser als die EP. Den Gesang hab ich schon 2015 ziemlich gefeiert, steht jetzt aber noch deutlicher da, wo er sein sollte. Das Album wurde von Ralv Milberg gemastert, dem ich einfach mal unterstelle, dass er so ein Sammelregal für Svarovski-Figuren hat, nur das anstatt von schrecklichen Kitschkristallen halt alle wichtigen deutschen Stimmen jeweils gleichgroße Fächer haben, manche schon mit Alben (Die Nerven, Karies, Wirklichkeit, Human Abfall) und andere, mit Zielscheibe bemalte Fotos von noch nicht durch seine Hände gewanderten Bands (….) befüllt, die er nach und nach abhakt. Kala Brisella sind fester Teil in diesem sonderbaren Sammelregal, zu Recht. Klarer, schöner 90er Wall of Sound-Sound und so eine hübsch neurotische Stimme, eine eingängige Beschreibung der Funktion eines Braun Zahnputzgeräts und insgesamt eben Stadt- und Menschbeobachtungen im Kanon der Hanse-Schüler Toco_Blum_Jugend (sorry). Klingt alles sehr stabil und offen. Kala Brisella haben sich während freiwilliger Selbstausbeutung im Theater kennengelernt, wo sie lustig prekär zusammenhockten und vermutlich jeder Mal einen Song bei Youtube spielen durfte, bis aus Videopingpong eben erst DAS BAND und schlussendlich Kala Brisella wurde. Der Theatereinfluss war in folgendem Video schon zu erahnen, zum neuen Album kommt hoffentlich wieder Vergleichbares.

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Auf Gute Freundschaft, Kala Brisella. Ich komme euch mal besuchen, wenn ich mich wieder nach Berlin traue. Dann reden wir mal über unseren Anteil an den Kassettenverkäufen, hö hö.

KALA BRISELLA „ENDLICH KRANK“ 7,5/10


Wie versprochen zum Abschluss etwas (rezensionsunabhängiger) Videoinput

Schweine im Weltall: Du+Ich (1989)

Hier kommt halt einiges zusammen, was mich richtig scharf macht. Wenzel Storch hat noch ein paar Meter Super8-Film über und dreht dieses Video mit einfachsten Mitteln als Teil von „Der Glanz dieser Tage“. Den songinternen Dialog zu Sodomieanspielungen zu verwurschten finde ich wenzelmässig gut. Alles hieran ist Spontikick, als DIY noch Mach mal hiess und einfach mal gemacht wurde. Ja klar, da war ich nicht mal geboren. Egal. 9 von 10 Sternen/Punkten/Fleisskärtchen.

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Europa: Neue Leichtigkeit / Lieg gegen Ängste (2017)

Großartig, die Schweizer. Sehr passende Antwort auf all die Hetze und sinnlose Nation: Gruppentanz und Mantra im Vorstadtidyll. Video komplett schauen, man erlaubt sich einen feinen Witz auf eben diese Vorstadt und seine niedlichen Bewohner. 8/10 Therapiepunkte

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Plastix: Konsumier mich (1981)

Uralt und mit der Zeile „Jugend von heute du bist brav brav brav“ ja doch wieder topaktuell, wie halt jegliche Kritik an der eigenen Generation immer easy abgeht. Trotzdem hübsch wienerisch „Anpassungsschwierigkeiten“ säuseln. Hmmm. 10 Wienpunkte wegen „ich bin modern“. Is klar.

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Von Veröffentlicht am: 19.03.2017Zuletzt bearbeitet: 01.02.2019880 WörterLesedauer 4,4 MinAnsichten: 1001Kategorien: KolumneSchlagwörter: , , , , 0 Kommentare on Sonntagskolumne: Oh nein, Weekend-Feeling – mit Kala Brisella u.a.
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Über den Autor: Marc Michael Mays

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