BERICHT: Ieperfest / 08.08.2014 – 10.08.2014, Ieper Belgien

BERICHT: Ieperfest / 08.08.2014 – 10.08.2014, Ieper Belgien

Das zweite Augustwochenende steht vor der Tür und ganz Hardcoreeuropa blickt nach Belgien, genauer gesagt nach Ieper, wo die diesjährige Ausgabe des Ieperfests auf dem Plan steht. Die Veranstalter schaffen es jedes Jahr, ein Line Up auf die Bühne zu stellen, das jeden Fan von Stages Dives und High Fives von der Kopf- bis zur Fußzeile begeistert. Dieses Jahr gab es neben altbekannten Bands insgesamt fünf exklusive Europashows. Vor allem der erste Europaauftritt von No Warning, welcher der erste Auftritt seit 2005 ist, ist für viele wohl das Highlight des Line Ups. Ich schließe mich an dieser Stelle nicht aus, stand die Band doch auf der Liste der Bands, die ich bis dahin noch live sehen musste, unangefochten an erster Stelle. Außerdem zu erwähnen ist sicherlich die Tatsache, dass mit Heaven Shall Burn ein weiterer Headliner an Land gezogen wurde, der auf deutschen Bühnen schon lange nicht mehr ohne Absperrung zu sehen ist. Aber ich will an dieser Stelle nicht zu sehr ins Schwärmen geraten. Das passiert im weiteren Verlauf dieses Textes noch oft genug.

Donnerstag:
Gegen 16 Uhr geht es nach Einsammeln der Mitfahrer auf Richtung Ieper. Dort angekommen verläuft alles ohne Probleme. Bändchen werden abgeholt und Campingplatzgebühren bezahlt, um anschließend im Regen Zelt und Pavillon aufzubauen. Der Campingplatz wurde dieses Jahr etwas versetzt und auch der Parkplatz befindet sich an einer anderen Stelle. Ich habe aber während des ganzen Wochenendes weder Vor- noch Nachteile der neuen Aufteilung bemerkt. Die Wege bleiben aber weiterhin angenehm kurz, obwohl wir eher am Ende des Platzes campten. Duschen ist ebenfalls immer noch kostenlos. Deswegen bildete sich jeden Tag ab 9 Uhr eine Schlange vor den drei Containern, die aber überschaubar blieb. Warmes Wasser gab es auch. Was will man mehr?

Freitag:
Das Festivalgelände wurde in diesem Jahr ebenfalls umstrukturiert. Das liegt vor allem an der neu eingeführten Trench Stage, die sich in einem sehr kleinen Zelt befindet. Die Marquee ist dagegen deutlich größer. Die Zeltbühnen werden parallel bespielt, während der Act auf der Main Stage, der einzigen Open Air Bühne, alleine spielt. Neben dem üblichen Merchzelt, in dem es neben Bandmerch auch zahlreiche Distros gab, ist das More Than Music Zelt sicherlich ein weiterer wichtiger Bestandteil des Festivals. Über das ganze Wochenende gibt es dort Interviews und Vorträge, beispielsweise zu Sea Shepherd. Auch Stände der Antifa oder der Hardcore Help Foundation sind vertreten.

Das Essensangebot wurde erweitert. Die Vielfalt ist mittlerweile wirklich enorm. Die Preise sind zwar recht hoch, aber das ist man von Festivals leider gewöhnt. Allerdings ist hier alles vegan, frisch und vor allem lecker. Ich habe bisher auf keinem anderen Festival so gut gegessen.

Pünktlich um 11 Uhr geht es dann auch endlich mit der Musik los. In meinem Fall mit Bent Life aus Nebraska. Zu dieser frühen Zeit hat sich schon eine große Zahl von Besuchern in der Marquee versammelt. Die Band bietet modernen Hardcore, der mit diversen Breakdowns zum Moshen einlädt. Dem kommen die zahlreichen Zuschauer auch gerne nach und so entwickelt sich der Auftritt zum besten Opener, den ich seit langer Zeit auf einem Festival gesehen habe. Die Band ist zum ersten Mal in Europa auf Tour und dennoch haben sich einige textsichere Fans vor der Bühne versammelt, die den Sänger unterstützen. Die Songstrukturen ähneln sich zwar auf Dauer stark, hier und da werden aber immer wieder kleinere Gitarrensoli eingestreut, sodass keine Langeweile aufkommt. Gegen Ende des Sets spielen Bent Life mit Burn the Lies ein Hatebreed Cover, welches ebenfalls sehr gut bei der Menge ankommt. Ich persönlich freue mich schon auf die Auftritte in Duisburg und evtl. Hannover, bei denen ich die Band weitere Male live erleben werde.

Nach dem sehr guten Beginn folgen leider sehr langweilige 25 Minuten mit Test Of Time. Die Band steht bei Bridge 9 unter Vertrag und nach diesem Auftritt frage ich mich durchaus, wie sie das hingekriegt haben. Geboten wird recht melodischer Old School Hardcore. Klingt erst einmal nicht schlecht, instrumentell ist es durchaus vorzeigbar. Das Problem liegt hier allerdings beim Gesang. Gegen Anfang des Sets ist der Mikrosound mehr als bescheiden. Von der Stimme des Sängers ist nichts zu hören. Nach und nach wird dieses Problem zwar behoben. Von dem guten Herrn ist allerdings weiterhin kaum etwas zu hören. Kein Wunder, dass bei dieser Situation Bewegung im Publikum ausbleibt und das Set somit von der Qualität her im unteren Drittel der Auftritte des Wochenendes einzusortieren ist.

Anschließend zieht es mich zum ersten Mal an diesem Wochenende vor die neue Trench. Mit Conqueror steht eine Hardcore Band aus Südafrika auf dem Programm. Der Sound ist dabei recht metallisch geprägt, was das Riffing betrifft. Die Band spielt einen grundsoliden Auftritt, wobei wie schon beim vorherigen Act der Mikrosound sehr bescheiden ist. Insgesamt ist auch an dieser Stelle nicht mehr als zahlreiches Kopfnicken im Publikum zu vernehmen.

Wieder im Freien sorgen War Hound für den nächsten langweiligen Auftritt. Vor einem Jahr in Bochum habe ich mit großen Erwartungen die erste Europatour der Band besucht und wurde bitter enttäuscht. Der heutige Auftritt unterbietet den damaligen sogar. Alle Songs sind eine Aneinanderreihung von Rapparts und völlig übertriebenen Breakdowns. In meinen Augen sehr öde. Teile des Publikums feiern es allerdings als gäbe es keinen Morgen mehr.

Mit Musth steht nun die erste Band mit Heimvorteil auf dem Programm. Da der Post-Metal/Sludge der Belgier allerdings keine Publikumsinteraktion erfordert ist dies nur bedingt ein Vorteil. Die Band macht ihre Sache auf der Trench Stage durchaus gut. Nach einem ruhigen, langsamen Intro legt die Band auch gleich los mit ihren schleppenden Riffs. Sie erfinden das Rad zwar nicht neu, dennoch gibt es zahlreiche sehr schöne Parts zu hören. Vor allem die lauten Ausbrüche können sich sehen/hören lassen. Dies wissen leider nur wenige Besucher im Zelt zu würdigen. Dies und der erneut sehr schlechte Sound sorgen dafür, dass dieser Auftritt von Musth insgesamt schlechter ist als der vor zwei Monaten im Vorprogramm von Amenra in den Niederlanden. Eine dritte Begegnung mit der Band darf es allerdings gerne geben.

Spätestens bei Malevolence auf der Main Stage ist auch der letzte Besucher wach. Die Band aus dem Vereinigten Königreich sind wahrscheinlich die kommenden Stars am Metalcore-Himmel. Das liegt vor allem daran, dass die Musik nicht nur aus einer Aneinanderreihung von Breakdowns besteht, wie es beispielsweise „Bands“ wie Emmure tun. Die Jungs wissen auch auf der technischen Ebene zu überzeugen. Bereits der Opener Serpents Chokehold ist das beste Beispiel dafür. Breakdowns dürfen natürlich auch nicht fehlen. Das Publikum geht dabei zum ersten Mal an diesem Tag völlig steil. Stage Dives, Singalongs, Moshing, es fehlt an nichts. Auch ein zwischenzeitlicher Mikroausfall lässt die Stimmung nicht sinken. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Band auf dem Flyer einer großen Tour wiederfindet. Ende des Jahres sind es schon die großen Dying Fetus, die sie supporten dürfen. Der Aufstieg geht also weiter.

In der Marquee spielen nun Surge Of Fury aus Belgien – oder vielleicht sollte man an dieser Stelle besser sagen: Surge Of Fury nehmen die Marquee nach allen Regeln der Kunst auseinander. Es gibt wohl keine Band in Europa, die stumpfe Breakdowns so gut mit groovigen Parts verbindet, sodass sie sich von der Masse der Beatdownbands absetzt. Das Zelt ist natürlich gut gefüllt und es herrscht direkt völlige Eskalation bis in die letzte Reihe. Nachdem das Publikum bei Hits wie Boogiedown Sänger Tito schon aus den Händen frisst, wird mit Steady and Proud der endgültige Höhepunkt des Sets zelebriert. Auch meine Mitfahrer, die sich der Band gegenüber vor dem Auftritt skeptisch zeigten, sind anschließend begeistert. Mit einem Hinweis aufs im Oktober erscheinende Album wird das Set anschließend mit LGHC beendet und ich kann nur sagen, dass mich diese Band live noch nie enttäuscht hat. Hier bekommt man immer etwas für sein Geld geboten.

Bei den nachfolgenden Expire öffnet der Himmel seine Schleusen. Beim Opener Just Fine hält es sich zwar noch in Grenzen, doch im Verlaufe des Sets fängt es in Strömen an zu Regnen, sodass wirklich jeder innerhalb von wenigen Sekunden klatschnass ist und das gesamte Festivalgelände nur noch aus Matsch zu bestehen scheint. Den Auftritt beeinflusst dies allerdings in keinster Weise. Kaum jemand sucht Schutz. Der Großteil der Besucher steht weiter eisern vor der Bühne und feiert die Band von der ersten bis zur letzten Sekunde. Sänger Joshua Kelting scheint allerdings wenig angetan vom Regen und versucht sich oftmals unter dem überdachten Teil der Stage aufzuhalten, während vor ihm Stage Diver um Stage Diver über die Bühne rennt. Zu den Gangshouts begibt er sich aber für diverse Singalongs immer brav vors Publikum. Expire spielen natürlich auch Songs des neuen Albums Pretty Low, die kommen aber noch nicht so gut beim Publikum an, wie alte Klassiker von Pendulum Swings oder den EPs. Mit ihrem wahrscheinlich bekanntesten Song Abyss beendet die Band ihren Auftritt, die bis zum jetzigen Zeitpunkt der beste des Tages ist.

Wieder vor der Trench Stage sorgen Conan für Abwechslung nach drei Corebands in Folge. Die Herren kommen aus Großbritannien und praktizieren Doom Metal. Die Riffs kommen langsam und schwer daher. Die Stücke enthalten viele Instrumentalparts die nur zwischendurch von Schreien des Sängers unterbrochen werden. Leider spielt auch hier wieder der Sound nicht mit. Insgesamt schon sehr schlecht, wird vor allem mit dem Drumsound der Vogel abgeschossen. Hier passt einfach gar nichts. Schade, denn die Songs haben großes Potential und würden bei gutem Sound sicherlich wesentlich besser ihre Wirkung entfalten. So muss ich Conan auf einer weiteren Tour bei hoffentlich annehmbarem Sound ein weiteres Mal eine Chance geben.

Draußen geht es weiter mit Backtrack, die da weitermachen, wo Expire vorhin aufgehört haben. Der Auftritt ist eine Art Light-Version des vorherigen Auftritts auf der großen Bühne. Es herrscht weiterhin gute Stimmung, aber sie erreicht nicht ganz das Niveau des Vorgängers. Ein möglicher Grund dafür könnte die Stimme von Sänger James Vitalo. Sein hohes Organ wirkt doch recht gewöhnungsbedürftig. Mich persönlich stört es aber nicht. Auch hier werden neue Songs des aktuellen Albums Lost in Life gespielt, welche ebenfalls nicht an alte Tracks wie Darker Half heranreichen. Das Publikum hat allerdings mächtig Spaß und nutzt jeden Moshpart aus. Mit Erase the Rat beendet die Band nach einer halben Stunde ihr durchaus solides Set.

Mit Syndrome spielt anschließend ein Mitglied der allseits bekannten und geliebten Church of Ra. Obwohl mich die meisten anderen musikalischen Projekte dieses Kollektivs (wie ich dieses Wort hasse) begeistern, kann ich dem Herren nicht viel abgewinnen, der mit seiner Gitarre und vielen elektronischen Spielereien eine Soundwand in bester Dronemanier kreiert. Die sphärischen Klänge sind zehn Minuten lang cool, doch danach fehlt einfach die Abwechslung und es wird schnell langweilig. Die meisten Leute im mäßig gefüllten Zelt betrachten die Show auch im Sitzen, aber wirklich gefesselt ist kaum jemand. Fazit: Nächstes Jahr lieber wieder Amenra buchen.

Auf der großen Bühne spielt nun eine Legende – beziehungsweise das, was davon übrig geblieben ist. Nachdem letztes Jahr Gründungsmitglied Jello Biafra alleine das Ieperfest beehrte und dabei eine gute Show bot, sind nun die Dead Kennedys mit Sänger Ron Greer im Line Up vertreten. Die Show ist heute aber alles andere als mitreißend. Nach dem Ecstasy of Gold-Intro hält die Langweile schneller Einzug als man Too drunk to Fuck sagen kann. Es wirkt alles lustlos und ohne Druck. Ron Greer versucht vergeblich das Publikum zu animieren. Ohne Erfolg. Erst bei Nazi Punks Fuck Off kommt etwas Stimmung unter den erschreckend wenigen Besuchern vor der Bühne auf. Das rettet den Auftritt aber auch nicht mehr. Es ist ein Trauerspiel Bitte möglichst schnell auflösen. In einer solchen Verfassung braucht niemand die Dead Kennedys.

Martyrdöd im kleinen Zelt sind Toursupport von Converge. Geboten wird ein Mix aus Crust und Black Metal, der erstaunlich gut unterhält. Zwischen langsame sludgeartige Abschnitte mischen sich immer wieder Gitarrensoli. Außerdem beeindruckt der Sänger durch seine gute Stimme, die über das ganze Set nicht abbaut. Leider ist der Sound wieder alles andere als gut, denn ein ständiges Dröhnen verhindert vollendeten Hörgenuss.

Ringworm aus Cleveland sind zum ersten Mal seit Jahren in Europa unterwegs und beehren das Ieperfest mit einer ihrer wenigen Shows. Hier wird metallischer Hardcore in Perfektion geboten. Immer wieder ist der deutliche Thrash Metal-Einschlag durchzuhören. Diverse Soli werden eingestreut und überhaupt sind die Clevo Legends bis jetzt die technisch beste Band. Breakdowns und dementsprechend Bewegung sind hier eher seltener anzutreffen, was aber nicht schlimm ist. Der zu leise Mikrosound stört zu Beginn, wird aber schnell behoben. Neben alten Klassikern wird auch viel vom neuen Album Hammer of the Witch gespielt. Es tummeln sich auch einige textsichere Fans vor der Bühne, doch es dauert bis zum letzten Song, bis James Bulloch das Mikro einmal dem Publikum überlässt. Hier unterscheidet sich der Stil von Ringworm deutlich von Bands wie Expire und Backtrack, was aber auch keinesfalls negativ gemeint ist.

Auf der Marquee Stage spielt nun mit Terrorizer die erste Grindcoreband des Wochenendes und an dieser Stelle muss ich dem Ieperfest ein Kompliment aussprechen. Trotz der deutlichen Ausrichtung auf das Hardcoregenre schaffen es die Veranstalter jedes Jahr, große Death Metal/Grindcoreacts zu buchen, die zum Teil sogar sehr exklusiv daherkommen. Terrorizer spielen beispielsweise nur zwei Shows in Europa. Die drei Herren blasen einem mit ihren Sound das Regenwasser nur so aus den Ohren. Durchgehendes Doublebassgewitter, schnell, hart und einfach nur geil. Auch das Publikum ist begeistert von dem Auftritt und so blicke ich mit viel Freude auf die weiteren Auftritte von Grindcorebands an diesem Wochenende.

Mittlerweile hat es endlich aufgehört zu regnen und die Sonne zeigt sich. Was könnte jetzt besser sein als ein Auftritt von Dog Eat Dog? Der Crossover der Herren sorgt für ordentliche Stimmung. Es wird viel geredet, vielleicht sogar etwas zu viel. Immer wiederkehrendes Highlight ist natürlich das Saxophonspiel von Kevin Reilly. Zwischendurch gibt es zwar auch Songs ohne, diese aber rein stimmungstechnisch denen mit Einsatz des Saxophons um Längen hinterherhinken. Die beste Stimmung herrscht natürlich bei den Klassikern Who’s the King? und No Fronts. Zwischendurch gibt es auch noch ein paar Hip Hop-Spielereien. Es ist vielleicht insgesamt nicht meine Lieblingsmusik, aber für 40 Minuten gute Unterhaltung reicht es alle Mal und es ist auch der beste von bisher drei Auftritten, die ich von Dog Eat Dog besuchen durfte.

Anschließend spielen auf der Trench Stage Blind to Faith ihre einzige Show im Jahre 2014. Da mich die gleichzeitig spielenden Old Firm Casuals nicht interessieren, ist die Entscheidung in dem Falle nicht schwer. Ich hatte mir zwar im Vorfeld kurz eine Platte angehört und die Band für ganz cool befunden, aber mit einem derart heftigen Abriss habe ich nicht gerechnet. Der Mix aus Dark Hardcore und Power-Violence hat so heftige Publikumsreaktionen zur Folge, dass einem Angst und Bange werden kann. Durchgehend herrscht Bewegung im Publikum. Dabei wird selbst vor Sprüngen von den Boxentürmen nicht zurückgescheut. Zwischendurch werden von der Band auch kleinere Grindcoreparts eingestreut, sodass das Gefühl aufkommt, die belgische Version von Nails stehe vor einem. Einfach ein klasse Auftritt.

Converge müssen sicher niemandem mehr vorgestellt werden. Die Band um Sänger Jacob Bannon sind neben Dillinger Escape Plan die Meister des Chaos und haben mit Jane Doe vielleicht das Mathcore-Album schlechthin veröffentlicht. Die meisten Lieder des Sets kommen allerdings von All We Love We Left Behind. Herr Bannon steht dabei wie immer keine Sekunde lang still und macht wirklich einige Meter auf der Bühne. Darüber hinaus muss die Gitarrenarbeit gelobt werden, die wirklich einsame Spitze ist. Songs wie Dark Horse mir ihren frickeligen Melodien sprechen an dieser Stelle für sich, denn sie werden auch live gut umgesetzt. Leider ist der Sound insgesamt sehr leise. Auch Publikumsbeteiligung ist durchaus vorhanden, wenn aber auch nicht so stark wie einstmals 2012. Allerdings verlasse ich auch dieses Mal die Bühne mit demselben Gefühl: Converge machen ihre Sache zwar live gut, ein wirklich Wow-Effekt bleibt aber aus. Vielleicht habe ich auch einfach zu hohe Erwartungen.

Mit Jesu schließt heute ein sehr spezieller Act die Marquee ab. Bei der Band trifft Post-Metal auf Drone. Anders als bei Syndrome kommt hier allerdings keine Langeweile auf. Lange Songs mit langsamen Aufbauten reihen sich aneinander. Die Drums kommen komplett vom Band, Gitarre und Bass werden live gespielt. Die Herren verstehen auf jeden Fall etwas vom Spannungsaufbau. Langsam bauen sich die Songs auf bis zu den Ausbrüchen, aber doch schnell genug. Es bleibt mitreißend. Untermalt wird das Ganze von Videos, die überwiegend in Schwarz-Weiß über die Bühne flimmern. Der Auftritt gehört allerdings trotz der Klasse zu den schlechtbesuchtesten des ganzes Wochenendes.

Dafür verantwortlich sind No Warning. Wie oben bereits erwähnt spielt die Band heute ihren ersten Auftritt seit 2005. Vielleicht erinnert sich auch noch jemand an meinen Jahresrückblick aus dem letzten Jahr und kann sich ansatzweise vorstellen, wie sehr ich mich auf diesen Auftritt gefreut habe. Vor der Bühne ist es brechend voll, während bereits ein Hip Hop Intro läuft. Dann kommen die Jungs auf die Bühne. Sänger Ben Cook sieht immer noch aus wie 20. Es wird sich kurz vorgestellt und dann kommt schon Behind These Walls, der perfekte Opener und vor der Bühne ist die Hölle los. Side to Sides vor gefühlt 100 Leute, dazu Stage Dives in Hülle und Fülle, wobei ich da doch noch mehr erwartet hätte. Auch ich lasse mich kurz zu einem Sprung hinreißen, der leider sehr unsanft auf dem matschigen Boden endet. Schmerzen zeigten sich allerdings erst nach dem Konzert. Nach No Time for You und Answer the Call kommt schließlich mit Short Fuse der bekannteste Song der Band. Ich glaube, ich habe mich noch nie so gefreut, einen Song von einer Band zu hören und ich scheine nicht alleine zu sein. Das Publikum gibt alles und es ist sicherlich der frühe Höhepunkt des Sets mit Stage Dives die bis in die 8. Reihe fliegen. Im weiteren Verlauf werden nur zwei Songs von dem umstrittenen Werk Suffer, Survive gespielt, von denen einer mit einer gewissen Ironie Linkin Park gewidmet wird. Es wird auch in den Ansprachen deutlich, dass der Band das Album etwas peinlich ist. Dennoch werden die Songs ebenso wie der neue Song Resurrection Of The Wolf gut vom Publikum aufgenommen. Das Set wird nach knapp 40 Minuten standesgemäß mit Ill Blood abgeschlossen und das Publikum inklusive mir und meinem schmerzenden Rücken wird glücklich zurückgelassen. Allerdings muss an dieser Stelle auch angemerkt werden, dass es durchaus deutlich ist, dass die Band des Geldes wegen gespielt hat. Ben Cook wirkt die ganze Zeit sehr distanziert und stellt sich als etwas komischer Kerl heraus. Schade. So bleibt an dieser Stell trotz einer sehr guten Show doch ein fader Beigeschmack.

Samstag:
Den Samstag könnte man als Tag der Exclusive Shows bezeichnen. Nicht weniger als vier Bands spielen heute ihren einzigen Auftritt in Europa. Das matschige Gelände wird morgens komplett mit Stroh bedeckt, sodass Rutschpartien heute ausbleiben.

Erste Band des Tages sind Last Dayz aus Polen. Die Jungs sind als Support von King Nine unterwegs. Ich hatte die Band bereits im Frühjahr beim Northcode Festival in den Niederlanden gesehen und fand den Auftritt dort eher bescheiden. Auch heute will der Hardcore der Band nicht so recht zünden. Der Funke springt auch beim Rest des kleinen Publikums nicht über, was sich in mangelnder Bewegung äußert, von Singalongs oder Ähnlichem ganz zu schweigen. Last Dayz sind sicher keine schlechte Band, gehen aber in der Masse der Bands mit ähnlichem Sound unter.

Draußen spielt nun mit Ashes eine der, wenn nicht die jüngste Band des Festivals. Der Unterschied zu Last Dayz ist vom Sound her nur minimal, aber dennoch versprühen die Belgier einfach mehr Energie. Das Publikum dankt es ihnen mit Bewegung im Pit, wobei man hier auch den Heimvorteil in Betracht ziehen sollte. Insgesamt ist die Show aber ein deutlicher Fortschritt im Gegensatz zum letztjährigen Auftritt in Duisburg. Ich muss auch gestehen, dass ich im Vorfeld überzeugt davon war, dass Ashes auf der großen Bühne untergehen werden, aber ich wurde zum Glück eines Besseren belehrt.

Swamps starten ihr Set mit einem kurzen Know Your Enemy der allmächtigen Rage Against The Machine und haben bei mir damit schon gewonnen. Das Set auf der Marquee Stage ist ähnlich gut wie das von Bent Life am vorherigen Morgen. Auch stilitisch ähneln sich die Bands, wobei Swamps noch etwas melodischer daherkommen und zwischendurch mit kleinen Rapparts für Abwechslung sorgen. Mosh und Singalongs sind da natürlich auch nicht weit. Dem Sänger ist der Spaß richtig anzumerken, nicht zuletzt, da er sich auch einmal zu einem Stage Dive hinreißen lässt. Mit Hollow Threats findet das Set schließlich auch ein würdiges Ende.

Draußen machen sich Devil In Me aus Portugal bereit. Die Band ist eine Art Light-Version von Madball mit einem komplett volltätowierten Sänger, welcher immer bemüht ist, Stimmung zu machen. Leider will ihm das heute so gar nicht gelingen. Darüber will bei mir auch beim mittlerweile vierten Auftritt der Band der Funke immer noch nicht überspringen. Es klingt alles irgendwie wie schon einmal besser gehört und gesehen. Dem Rest des Publikums scheint es ähnlich zu gehen.

Anschließend nehmen Redemption Denied, Belgiens zurzeit härteste Band, das kleine, komplett überfüllte Zelt nach allen Regeln der Hardcorekunst auseinander. Die Songs der beiden EPs werden abgeliefert wie aus einem Guss. Das Publikum frisst dem Sänger aus der Hand und durchgehend halten sich textsichere Fans vor der Bühne auf. Dazu gibt es natürlich auch reichlich Aktion im Pit und intelligente Ansagen zwischen den Songs. Auch ein neuer Song wird präsentiert, der ebenfalls ziemlich wütend daherkommt. Die Band macht wirklich jedes Mal Spaß und wird vermutlich eine ähnliche Größe wie No Turning Back erreichen, wenn es so weitergeht wie bisher.

Auf der Main Stage spielen anschließend Pushed Too Far, die ich seit bestimmt vier Jahren nicht mehr gesehen habe. Ihren Heimvorteil können die Jungs aus Antwerpen nur bedingt nutzen, denn vor der Bühne ist erstaunlich wenig los und das, obwohl zahlreiche recht stumpfe Parts zum Moshen einladen. Vielleicht sind die Leute aber auch noch platt vom vorherigen Auftritt. Insgesamt ist es, wie schon 2010 ein eher mäßiger Auftritt.

Anschließend geht es schweren Herzens zu Church Of Misery. Broken Teeth haben in der Zwischenzeit wohl einen astreinen Auftritt im kleinen Zelt hingelegt, aber ich bereue meine Entscheidung für die Herren aus Japan zu keiner Zeit. Der Sound im Zelt stimmt dieses Mal wirklich und selbst der zu leise Mikrosound wird direkt behoben. Geboten wird Doom Metal mit einer großen Portion Stoner. Der Sänger lässt noch kleinere elektronische Spielereien in die schleppenden Riffs einfließen. Auch stimmlich überzeugt der Herr und es ist schon fast eine Schande, dass diese großartige Band nur eine Spielzeit von 35 Minuten bekommt. Hier wäre definitiv mehr wünschenswert gewesen.

Mit Angel Du$t spielt nun die erste, aktuell sehr gehypete Band auf der Main Stage. Sänger ist Justice, auch bekannt als Frontmann von Trapped Under Ice, die momentan eine Pause einlegen. Anders als seine andere Band vor zwei Jahren können Angel Du$t heute nicht überzeugen. Das liegt vor allem daran, dass der Sänger nicht zu hören ist. Der Sound ist dermaßen schlecht, dass die ganze Stimmung den Bach runtergeht. Einige tapfere Fans harren zwar in den ersten Reihen aus und singen brav die Text mit, aber wirklich mitreißend ist es nicht. Ich finde die Band allerdings auch auf Platte reichlich überbewertet. Der Mix aus Hardcore und Surf Punk kann einfach nicht überzeugen. Da hilft auch das eingestreut Black Flag Cover nicht mehr. Fazit: Hype unberechtigt.

Zwischen Hypeband Nummer 1 und Hypeband Nummer 2 schaue ich noch Authority Zero. Diese spielen recht soliden Punk mit cleanem Gesang und leider Gottes (zu) vielen OhOh Parts. Das Zelt ist auch nur mäßig gefüllt. Der Sänger macht trotzdem das Beste draus und sorgt für ordentlich Stimmung. Im zweiten Teil des Sets kommt dann verstärkt eine Akustikgitarre zum Einsatz, welche dem Auftritt doch ein wenig Abwechslung verleiht. Insgesamt ist es aber doch ein eher unspannender Auftritt.

Nun aber zu Hypeband Nummer 2: Turnstile, deren Gitarrist heute 22 Jahre alt wird. Und was könnte es Schöneres geben zum 22. Geburtstag als die Tatsache, dass ein ganzes Festival zum Sound seiner Band völlig steil geht. Schon beim Intro geht es los mit Stage Dives, deren Anzahl sich beim nachfolgenden Keep It Moving um ein Vielfaches erhöht. Die Band spielt heute ihren ersten Auftritt in Belgien und es ist unglaublich, wie viele textsichere Menschen sich vor der Bühne eingefunden haben. So ist Eskalation vorprogrammiert. Der Sänger gibt sein Mikro bereitwillig jedem, der es haben möchte. Mehrere Male bleiben Stage Diver im Mikrokabel hängen und reißen es mit ins Publikum. So sollte eine Hardcore Show aussehen. Jeder gespielte Song der beiden EPs wird bedingungslos abgefeiert. Zwischendurch wird noch ein Bad Brains Cover eingestreut. Zum Abschluss gibt es dann den Überhit Death Grip und sorgt für den letzten Höhepunkt einer halben Stunde, an dessen Ende feststeht: Hype berechtigt, diese Band wird groß werden.

Immer noch geflashed vom Turnstile-Auftritt schaue ich im Marquee Misery Index. Der harte Death Metal profitiert vom guten Sound. Die fiesen, schnellen Riffs sind in aller Klangweite zu hören. Die Stimme des Sängers ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern und viele Leute im gut gefüllten Zelt lassen ihre Haare kreisen.

Es folgt der erste exklusive Europaauftritt. Stigmata wurden erst eine Woche vor Festivalbeginn bestätigt. Das Publikum vor der Bühne ist leider nicht so zahlreich, der Altersdurchschnitt ist ebenfalls angestiegen. Die Band spielt heute nur mit einem Gitarristen, da der zweite wegen Passproblemen nicht aus den USA ausreisen konnte. Die schweren, tiefen Riffs kommen trotzdem gut daher und bei den mächtigen Breakdowns finden sich immer wieder tanzende Menschen vor der Bühne ein. Auch an Gitarrensoli mangelt es nicht. Die Band agiert dabei allerdings recht statisch. Mit Burning Human wird der grundsolide Auftritt abgeschlossen. Schön, diese Band mal gesehen zu haben.

Anschließend habe ich die Qual der Wahl, was in diesem Fall nicht positiv gemeint ist. Ich entscheide mich für SNFU. Ich muss gestehen, dass ich die meisten alten Punkbands auf Festivals recht überflüssig finde und sie in der Regel nur noch ein Schatten ihrer selbst sind. SNFU machen hier keine Ausnahme, denn es ist überhaupt kein Druck hinter den Songs zu verspüren und es stellt sich schnell Langeweile ein. Da kann auch das paillettenbesetzte Oberteil des Frontmanns als Blickfang nicht mehr helfen.

Suffocation machen ihre Sache anschließend um Welten besser und toppen locker ihren Auftritt von 2010 im Vorprogramm der Black Dahlia Murder. Der brutale Death Metal stellt auch den Auftritt von Misery Index locker in den Schatten. Die Band spielt ein Set einmal quer durch die gesamte Discographie. Sänger Frank Mullen hat einfach ein Wahnsinnsorgan und auch technisch überzeugt die Band. Zwischen schnelle Parts werden immer wieder Breakdowns eingestreut, die jede möchtegernharte Deathcoreband Weinen lassen. Hoffentlich dauert es nicht wieder vier Jahre bis zum nächsten Wiedersehen.

King Nine, deren Debütalbum Scarred to Death viele gute Kritiken bekommen hat, spielen heute ihre erste Show auf europäischem Boden. Das Zelt ist dementsprechend gut gefüllt. Instrumental ist die Show auf jeden Fall sehr gut. Moderner Hardcore mit heftigen Breakdowns wird geboten, ohne dass es dabei zu stumpf wird. Leider ist die Stimme des Sängers durchaus noch ausbaufähig. Er erhält aber viel Unterstützung von den Fans, die sich vor der Bühne im kleinen Zelt tummeln. Leider wird beim letzten Song ein Zuschauer unglücklich getroffen und muss aus dem Zelt getragen werden. Dies ist allerdings eine wirkliche Ausnahme, denn trotz des Chaos auf und vor der Bühne sind Verletzungen beim Ieperfest eher eine Seltenheit.

Anschließend folgen Deez Nuts, die ein junges Publikum vor die Bühne ziehen. Es gibt viele Stage Dives und Songs wie I Hustle Everyday werden begeistert mitgesungen. Ich kann der Band nichts abgewinnen. Die Musik sorgt vielleicht für 10 Minuten Unterhaltung, danach wird es superöde. Zudem geht Sänger JJ Peters auch relativ schnell die Puste aus. Meiner Meinung nach hätte er lieber weiter bei I Killed the Prom Queen trommeln sollen.

Nach dem halben Auftritt beim Nord Open Air vor zwei Wochen komme ich anschließend in den Genuss eines vollständigen Auftritts der Real McKenzies. Der Folk-Punk sorgt durchweg für gute Stimmung. Dudelsack und ein Sänger mit Schottenrock (natürlich ohne etwas drunter) sorgen für das zugehörige Feeling. Hier gibt es im Gegensatz zu den meisten anderen Bands einen kleinen aber feinen Pogo Pit. Hier und da tanzen die Leute auch einfach so vor sich hin. Die Stimmung ist wirklich ausgelassen. Leider zieht es nur wenige Leute vor die Marquee Stage.

Draußen spielte anschließend mit Cold World wohl für viele Leute ein Highlight des Wochenendes. Es ist ein typisches Set, welches mit Dedicated to Babies Who Came Feet First beginnt. Die Publikumsbeteiligung schlägt selbst das Treiben bei Turnstile locker. Leider hat dies auch den Nachteil, dass das Mikro insgesamt vier Mal gewechselt werden muss. Ständig ist das Mikro im Publikum, auch Sänger Dan Mills hat alle Mühe auf der Bühne zu bleiben. Bei einigen Singalongs wird er geradezu von Leuten auf der Bühne begraben, aber er hat Spaß dabei und gibt sein Mikro auch bereitwillig ab. Songs vom neuen Album How the Gods Chill werden ebenso gespielt wie alte Songs, bei denen natürlich die Hölle los ist. Viel geredet wird zwischen den Songs nicht. Cold World lassen Taten sprechen und liefern mit Roaches & Rats und Cold World als letzte Songs einen super Auftritt ab, wie immer eigentlich, wenn auch der Auftritt in Antwerpen noch stärker war.

Weiter geht auf der Marquee Stage mit Morning Again, die zum ersten und wahrscheinlich einzigen Mal mit Damien Moyal in Europa sind. Für die Band und viele Fans wird hier ein Traum war. Die Stimmung ist auch dementsprechend gut. Der Mix aus Hardcore und Metalcore lässt vor der Bühne viele Leute steil gehen. Viele Singlongs und Stage Dives. Dazu muss man sagen, dass die Band laut eigener Aussage nur für eine einzige Probe in dieser Besetzung Zeit hatte. Dafür werden die Songs mit einer Sauberkeit gespielt, die wirklich beeindruckend ist. Gespielt werden alle Songs der Hand Of Hope Platte. Außerdem gibt es noch ein sehr cooles Cover von Sepulturas Refuse/Resist. Nach knapp 40 Minuten ist dann aber auch schon Schluss und es wird mit God Framed Me der letzte Song gespielt, bei dem Band und Publikum ein weiteres Mal alles geben. Der Auftritt ist sicherlich auch ein Highlight des Wochenendes.

Zum Abschluss des Tages spielen heute die allmächtigen Gorilla Biscuits. Die Menge wartet gespannt, die Band kommt auf die Bühne und dann ertönt (leider nur vom Band) das berühmte Trompetenintro. Das Set beginnt natürlich mit New Direction und natürlich ist die Bühne ab diesem Moment auch voll mit Menschen. Stage Dive reiht sich an Stage Dive. Ich habe oben bereits erwähnt, dass ich nicht viel von alten Punkbands halte. Dasselbe gilt auch für alte Hardcorebands, doch bei den Gorilla Biscuits muss ich eine Ausnahme machen. Die Band versprüht eine solche Freude, dass es wirklich ansteckend ist. Anthony Civarelli teilt trotz seines Alters von mittlerweile 45 Jahren auch gerne das Mikro mit der Menge und muss dabei aufpassen, nicht von Stage Divern über den Haufen gerannt zu werden. Klassiker reiht sich an Klassiker. Schön ist auch zu beobachten, dass hier alles zwischen 18 und 50 Jahren zusammen feiert. Nach 50 Minuten brechen bei Start Today ein letztes Mal alle Dämme. Anschließend ertönt Frank Sinatras New York, New York als Outro. Was für ein Auftritt! Was für ein Tag, vielleicht der beste Festivaltag, den ich je erleben durfte.

Sonntag:
Sonntag heißt auch Abreisetag und dementsprechend wird im wieder einsetzenden Regen das Zelt abgebaut und das Auto beladen. Noch sieht der Parkplatz normal aus, doch nach weiteren Schauern in den nächsten Stunden verwandelt sich dieser in eine einzige Matschgrube, doch dazu später mehr. Der Tag heute ist wohl der Tag mit dem Programm, welches am ehesten ein Mainstream Publikum anzieht. Verwunderlich ist es deshalb nicht, dass es heute recht leer ist, da viele schon gefahren sind.

Erste Band am heutigen Tag sind World Eater aus Deutschland. Die Band hat sich in letzter Zeit richtig gemacht und deswegen verdientermaßen einen Slot bekommen. Das Zelt ist schon gut gefüllt während die Band mit ihrem Old School Hardcore beginnt. Bewegung ist durchaus zu verzeichnen und auch der ein oder andere textsichere Mensch hat sich auch vor der Bühne eingefunden. Es ist eigentlich wie immer ein grundsolider Auftritt, der durch intelligente Ansagen abgerundet wird.

Draußen macht die erste von drei Bands aus einem Tour Package bereit. Ablaze kommen ebenfalls aus Deutschland, fahren allerdings eine deutlich härtere Hardcoreschiene. Leider heute ohne Bassist gerät der Auftritt etwas unglücklich, sodass ein Gitarrist quasi nicht zu hören ist. Der Sound ist generell ziemlich daneben und so ist es nicht verwunderlich, dass wenige Leute vor der Bühne stehen. Außerdem regnet es bereits wieder. Die Band hat aber durchaus Potential und ich werde sie mir an anderer Stelle sicher ein weiteres Mal angucken.

Wieder im Zelt gibt es mit Kids Insane Hardcore aus Israel auf die Ohren. Die Band wurde mir vorher von einem Bekannten wärmstens ans Herz gelegt und ich kann sein Lob nur bestätigen. Vom Sound her erinnert mich die Band an Touché Amoré. Der Sänger hat auch sichtlich Spaß, geht Crowdsurfen und singt dabei munter den momentanen Song weiter. Der melodische Hardcore kommt auf jeden Fall gut beim Publikum an und es liegt sicher nicht nur am Regen, dass das Zelt so gut gefüllt ist.

Auf der Main Stage spielen nun Unit 731, die reichlich stumpf daherkommen. Doch manchmal ist stumpf auch eben Trumpf und ich muss gestehen, dass ich mich durchaus unterhalten fühle. Natürlich klingen die Songs immer sehr ähnlich, aber der Sänger hat eine wirklich gute Stimme und vor der Bühne ist auch einiges los. Ein grundsolider Auftritt.

Im Zelt lassen nun Skeletonwitch ihren Mix aus Thrash und Black Metal auf die Menge los. Die Band ist gut drauf und der Sänger versucht durchgehend das Publikum zu animieren. Seine Screams sind wirklich nicht von schlechten Eltern und im Verlaufe des Sets versagt seine Stimme auch nicht. Die Riffs kommen ebenfalls recht groovig daher und auch der Sound macht mit. Leider ist das Ganze nach einer halben Stunde schon wieder vorbei.

Zu No Zodiac muss man eigentlich nicht viel sagen. Im Prinzip reicht es, sich den Teil über Unit 731 durchzulesen. Die Bands sind auch, welch Wunder, zusammen mit Ablaze auf Tour. Leider gibt es bedingt durch den Regen zwischenzeitlich einen totalen Stromausfall. Anschließend werden aber noch einige Songs gespielt und auf das neue Album verwiesen, welches im September erscheint.

Cornered sind immer eine kleine Wundertüte was die Liveauftritte angeht. Alles steht und fällt mit dem Pegel des Sängers, doch zu so früher Stunde ist er noch nüchtern genug für eine klasse Show. Die Band liefert einen fantastischen Beginn ab, die Leute gehen völlig steil und singen fleißig mit. Nach und nach flacht die Stimmung aber etwas ab, um dann mit dem Breakdown Cover wieder Fahrt aufzunehmen. Zwischendurch wird auch mal der Bassist von Grim, die leider bald ihre letzte Show spielen, ans Mikro gelassen. Durch das starke Ende ist es vielleicht der beste Auftritt, den ich bisher von Cornered gesehen habe.

Eine wichtige Info gibt es während dieses Konzertes. Aufgrund der Regenfälle werden auf der Main Stage bis auf Weiteres keine Konzerte mehr gespielt. Alle Konzerte werden in die Marquee verlegt.

Wenn diese Verlegung für eine Band auf diesem Planeten ein Glücksfall ist, dann sind es sicher Bane. Gut der Soundcheck ist kurz, der Sound deswegen eher bescheiden, aber was ist bitte auf der Bühne los? Ab dem Opener My Therapy herrscht Ausnahmezustand. Es wird ein Set voller Klassiker zum besten gegeben und vor allem bei Can We Start Again gibt es kein Halten mehr. Menschen singen mit, Menschen Stage diven. Alle haben Spaß, vor allem der Bane Sänger. Nach dem letzten Auftritt in Bochum war ich doch eher skeptisch, ob ich noch einmal eine so gute Show der Band sehen würde, aber hier ist sie. Zwischendurch darf auch kurz der Test Of Time Sänger ans Mikro, der sich hier auch deutlich besser anstellt als am Freitag. Mit Hard to Find und dem Hinweis auf die finale Europa Tour im nächsten Jahr wird das Set abgeschlossen. Hoffentlich herrschen nächsten jahr ähnliche Zustände vor und auf der Bühne. Den sympathischen Herren wäre es zu gönnen, dass ihnen ein würdiger Abschied bereitet wird.

Mit Havok ist anschließend wieder Thrash Metal angesagt. Die Band erinnert vom Sound her stark an Bands wie Overkill. Krachende Riffs und ein ordentliches Tempo laden zum Haarekreisen in den ersten Reihen ein. Aufgrund einer Überschneidung kann ich allerdings nicht den kompletten Gig schauen. Schade.

Im kleinen Zelt spielen die Schweden von EF ein feines Set und können sicherlich einige neue Fans für sich gewinnen. Leider haben sie nur 35 Minuten Zeit und schaffen in dieser Zeit gerade einmal vier Songs zu platzieren. Wie immer finde ich die instrumentellen Abschnitte um einiges cooler als die Gesangsparts, die aber auch durchaus anhörbar sind. Im Zelt scheinen eine Menge Leute zum ersten Mal mit Post-Rock in Kontakt zu kommen. Trotzdem wird erfreulich wenig geredet. Eine Lichtshow oder ähnliches gibt es heute leider nicht, weshalb der Auftritt so natürlich nicht mit dem vom dunk!-Festival zu vergleichen ist.

Maroon sind zurzeit auf Abschiedstour und lassen es sich natürlich nicht nehmen, auch einen Auftritt auf dem Ieperfest zu spielen. Das Zelt ist sehr gut besucht und die Band zieht routiniert ihr Set durch. Die Breakdowns laden zum Tanzen ein. Dieser Einladung folgen auch viele. Daneben ist die Band auch technisch nicht zu verachten. Hier beherrscht jeder sein Instrument. Insgesamt ist es sicher ein gebührender Abschied, auch wenn ich gestehen muss, dass ich mit der Band nie viel anfangen konnte und es mir auch heute nicht vom Hocker haut. Mit Wake Up In Hell verabschieden sich Maroon, welches gleichzeitig auch zum Highlight des Sets avanciert.

Die Main Stage ist mittlerweile wieder bespielbar, aber auf ausdrücklichen Wunsch spielen H2O noch im Marquee Zelt, was wie bei Bane ebenfalls ein Glücksfall ist. Die Band macht auf kleineren Bühnen einfach mehr Spaß. Wobei, wenn man ehrlich ist, machen H2O immer Spaß. Die Band hat einfach keine schlechten Auftritte. Auch heute gibt es durchgehend Stage Dives und Singalongs. Die Band spielt sich einmal quer durch die Discographie, wobei 5 Years Plan schon recht früh den Weg ins Set findet. Zwischendurch gibt es noch ein Highlight mit einem jungen Herrn, der auf einem Surfboard crowdsurft. Leider wird nicht mein Lieblingssong Thicker Than Water gespielt, aber das soll auch keine Kritik sein. Mit What Happened? wird das Set standesgemäß beendet und H2O lassen eine ziemlich fertige Menge zurück.

Da Ignite Probleme bei der Anreise haben, werden boysetsfire spontan vorgezogen. Gestartet wird mit Bled Dry, den ich persönlich sehr geil finde, da es einer der härtesten Songs der Bands ist. Anschließend finden aber auch Songs mit verstärktem Cleangesang den Weg ins Set. Der Sänger ist mittlerweile zumindest was den Bart angeht stark ergraut. Leider sind auch seine Cleanvocals etwas eingerostet und kommen nicht wirklich druckvoll. Insgesamt ist der Auftritt schwächer als ich es mir erhofft habe. Das Publikum hält sich auch stark zurück, Bewegung ist keine zu verzeichnen und so mache ich mich nach einer halben Stunde lieber auf den Weg ins Zelt.

Dort spielen Grand Magus, die vor zwei Jahren an gleicher Stelle schon einmal ihren Doom/Stoner Metal auf Zuschauer loslassen durften. Welcher Auftritt besser war? Ich weiß es nicht. Die langsamen Riffs werden zwischendurch von leicht psychedelischen Parts etwas aufgepeppt. Insgesamt springt der Funke aber nicht komplett über. Das Zelt ist auch sehr schlecht besucht, da viele Leute schon den Heimweg angetreten haben oder draußen noch den Rest von boysetsfire gucken.

Anschließend spielen Repulsion im Zelt, die letzte Grindcore Band an diesem Wochenende und auch die drei Herren machen ihre Sache außerordentlich gut. Es werden gefühlt 38 Songs gespielt – oder eher: geknüppelt. Die alten Grindcore-Legenden sorgen ein letztes Mal für kreisende Haare und haben sichtlich Spaß dabei. Der Auftritt steht dem von Terrorizer in Nichts nach. Durchgehendes Doublebassgewitter, dazu feine Gitarrensoli und eine gute Stimme. Ich bin begeistert. Wie weit Fanliebe gehen kann zeigt sich zum Abschluss des Sets als ein Herr auf die Bühne kommt und seinen Rücken entblößt, auf dem ein übergroßes Repulsion-Tattoo verewigt ist. Die Band ist beeindruckt.

Als letzter Act auf der Marquee Stage sind Crowbar an der Reihe. Kirk Windstein, der in letzter Zeit vor allem durch den Tritt gegen einen Stage Diver von sich reden machte, scheint gut drauf zu sein. Nach der kurzer Vorstellung: „We are Crowbar and we gonna kick your ass“ wird auch direkt losgelegt mit All I Had (I Gave). Crowbar haben in diesem Moment schon gewonnen. Die Band haben einfach die Coolness gepachtet und selbst 1-2 Stage Diver dürfen ohne Zwischenfall in die Menge springen. Anschließend gibt es mit High Rate Extiction einen weiteren Klassiker auf die Ohren, der das Publikum in Zeitlupe die Köpfe nicken lässt. Die Band hat einfach den Groove erfunden. Im weiteren Verlauf des Sets werden natürlich weitere Klassiker wie The Cermetary Angels gespielt, ohne dass die Stimmung auch nur einmal einbricht. Der Auftritt heute gefällt mir wesentlich besser als der vor zwei Jahren an gleicher Stelle. Mit Conquering wird unter großem Applaus des Publikums das Set beendet.

Den Abschluss des Festivals machen Heaven Shall Burn, die sicherlich ewig nicht mehr ohne Absperrung gespielt haben. Das Set beginnt auch recht verhalten. Die Band ist technisch natürlich über jeden Zweifel erhaben, aber die Publikumsbeteiligung ist doch eher gering. Erst ab Voice Of The Voiceless gibt es vermehrt Stage Dives und Singalongs. Die Band hat sichtlich Spaß, wobei auch an einigen Stellen deutlich wird, dass man mittlerweile doch größere Hallen füllt und Festivals anderer Größenordnungen headlined. Immer wieder klatscht Sänger Marcus Bischoff mit den Leuten in den ersten Reihe ab und als einmal die Menge unter der Last der Stage Diver zusammenbricht, erkundigt er sich bei allen Leuten, ob alles okay ist. Das ist zwar sehr löblich, zeigt aber auch, dass er solche Szenen schon länger nicht mehr gesehen hat. Dennoch ist der Auftritt wirklich klasse und die Band spielt auch als einzige des Wochenendes eine Zugabe.

Nach dem Konzert sollte ich noch mit meinen Mitfahrern und weiteren Leuten dabei helfen, den VW-Bus einer verzweifelten Engländerin aus dem Matsch zu schieben um uns anschließend auf den Weg in die Heimat zu machen. Die diesjährige Ausgabe des Ieperfests ist sicher die beste gewesen, die ich bisher besucht habe und solange keine Termine im Weg stehen werde ich mich auch nächstes Jahr im August auf den Weg nach Westflandern machen. Jeder, der etwas mit Hardcore anfangen kann sollte dasselbe tun.

Am Ende möchte ich noch ein paar Wünsche äußern:
Bitte als Heads im nächsten Jahr Modern Life Is War und Obituary. Dazu gerne Fury Of Five, Mindset, Suburban Scum und God Is An Astronaut.

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Über den Autor: Marc Michael Mays

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