BERICHT: Fakt und Fiktion – Fraktus in der Kölner Live Music Hall

BERICHT: Fakt und Fiktion – Fraktus in der Kölner Live Music Hall

Fraktus in der Kölner Live Music Hall – Ein Bericht


Fraktus, das ist die selbsternannte “beste Live Band Deutschlands”, die ihren Ursprung im Disco-Jahr 1978 hat. Zu Beginn waren sie noch als Freakazzé musikalisch unterwegs. So lautet die Geschichte, wenn man den Herren in den unifarbigen Overalls Glauben schenken mag. Eine frappierende Ähnlichkeit mit Studio Braun aus Hamburg – Strunk, Schamoni und Palminger – ist nicht von der Hand zu weisen. Wie ich die vermeintlichen Elektro-Pop-Urväter aber einschätze, wurde sich auch in diesem Fall reichlich bei ihnen bedient. Dass es sich dabei um einen wunderbaren Fake handelt, zeigt ihr Mockumentary „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“.

An diesem Donnerstag Abend geben sich die Pioniere des Techno in der Kölner Live Music Hall die Ehre, um das Publikum im Internet willkommen zu heißen. Dass Fraktus zieht, beweist die nahezu randvolle Konzerthalle. Unter zuckendem Stroboskoplicht betritt das Trio um 20:30 Uhr in roten Overalls gekleidet und mit plakativer Fraktus-Gürtelschnalle die Bühne. Vor ihren Instrumenten – Keyboards, Theremin und Drum Kits – positioniert, geht es mit dem Title-Track des aktuellen Albums „Welcome To The Internet“ in die Vollen. Dickie Starshine (Rocko Schamoni), vorher Dickie Schubert, erklärt seine Erfindung, das Internet: „I made it for you, Köln“, so Starshine an das Publikum, der auch gleich drei junge Männer mit Fraktus-Helmen erspäht. Derweil übt sich Bernd Wand (Jacques Palminger) in einem hypnotisierend-stoischen Ausdruckstanz, geht über in die Rolle des Anheizers, wenn es heißt : „Sie kommen wie Chuckie in der Nacht /Maler und Lackierer / Sie haben Folie mitgebracht“.

Mitgebracht hat Wand auch einen musikalischen Lichtstrahlstab, eine Art Laserschwert mit Elektro-Keyboard-Einbau. Das Publikum wird heiß, wie Fraktus: „Irgendwas ist kurz vor dem Durchbrennen, und wir sind es nicht“, richtet sich Starshine an die Technik. Die Aussage Fraktus’ stimmt sogar. Weniger Torsten Bages (Heinz Strunk) Bühnenansage, er habe mit „All die armen Menschen“ erfolglos die offizielle Olympia-Hymne für Hamburg geschrieben. Das Konzert lebt nicht nur vom anfangs vermuteten Klamauk („Das ist Dickie Starshine, nicht zu verwechseln mit Dickie Sparschwein.“) und der Münchhausen-Attitüde, sondern ist de facto feinster Elektro-Pop, der perfekt ausgesteuert herüberkommt. Einschub: Das ist nicht immer so in der LMH. Einmal kam sogar die Decke herunter.

Zurück zum Text: Fraktus sind das, was sie auch besingen: „Originals“. Vom „bezauBERNDen“ Bernd Wand (Jacques Palminger) erfahren wir auf feinstem Englisch die Geschichte von den kleinen musizierenden Schweinchen auf der Bühne, Platschek und Plan (Starshine und Bage): „They play music for the fairytale country. Platschek is in love with the music box, it’s no piggy.“ Die Reise geht ins nächste Märchenland, zu „Mary Poppins“, wo sich ein Mann die „Tagträume des Körpers nicht verbieten ließ“. Dieser Mann mit dem Optikerherz und seine Liebe zur Frau mit Hütchen und Schirm ist Bernd Wand: „Und manchmal, wenn es regnete, träufelte die Leidenschaft ein Fünkchen Hysterie auf die Milchglasscheiben des Alltags.“ Das träumerische, fein sinnierte Stück wird getragen von Strunks elaboriertem Querflötenspiel, bevor es mit „Musik aus Strom“ tanzbar weitergeht: „Der Funke springt von Atom zu Atom / Wir starten eine Kettenreaktion“.

Unterbrochen wird das Konzert von einem Werbeblock des Trios: Wer Druckstellen am Bananenköpfchen vermeiden möchte, dem sei zum Kauf einer Bananensäge aus dem Hause Wand geraten. Doch auch für motorradfahrende Blockflötisten ist gesorgt. Dafür bietet Starshine den Flötel, eine Blockflöte mit Rückspiegel, an. Nun kann auch während der Fahrt geübt und dabei auf den Straßenverkehr geachtet werden. Der Flötel ist käuflich zu erwerben für 60 Euro, oder 40, oder 50 oder für 70. Den Kampf gegen Drogen hat Bage angesagt und dafür Smirkey’s Dopehouse entwickelt: „Wie geil ist das denn?“ im Kampf gegen den Speed Freak und Christel Mess. Auch ohne Drogen lassen Fraktus die Puppen tanzen („Let the puppets dance“): „Das nächste Lied geht raus an die Mädels aus Köln, denn ihr seid New York.“, während „die Schraube der Hysterie langsam nach oben geht“, so Wage. Da darf das Publikum beim Tanzen auch schwitzen, denn das ist alles kein Problem. Schließlich haben Fraktus „Saugtücher“ im Gepäck: „Meine Freunde waren begeistert/ haben gleich gepisst auf Boden / um zu sehen, wie Tücher alles saugen auf“. Mit Stück Nummer 13 des Abends, einer doppeldeutigen Aufforderung Wades, mit der Hand ins Loch zu greifen, um den Fuchs herauszuziehen, verabschiedet sich Fraktus zunächst, um dann für zwei Zugabenblöcke das Publikum mit weiteren vier Liedern zu erfreuen, darunter die mittlerweile zum Kultklassiker gewordenen Stücke „Affe sucht Liebe“ und „Freunde sind friends“. Mit einem „Es war schön, wir müssen gehen, doch hoffentlich gibt es ein Wiedersehen“ entlässt Fraktus das Publikum mit Muskelkater im Gesicht und in den Beinen in die Nacht.

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Von Veröffentlicht am: 17.02.2016Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018810 WörterLesedauer 4,1 MinAnsichten: 868Kategorien: KonzerteSchlagwörter: , , , , , , 0 Kommentare on BERICHT: Fakt und Fiktion – Fraktus in der Kölner Live Music Hall
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Über den Autor: Denis Zielke

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