BERICHT: Dunk! Festival 2016

BERICHT: Dunk! Festival 2016

Vom 5.-7. Mai fand das 12. Dunk! Festival im belgischen Zottegem statt. Pretty in Noise besuchte für euch das Festival, um Post Rock-Bands wie This Will Destroy You und 65daysofstatic begleitet von schönstem Sonnenschein zu sehen.


Das Dunk! Festival ist innerhalb der letzten Jahre zu einem der besten Post Rock-Festivals Europas geworden, das durch sein sorgfältig gestaltetes und schönes Ambiente und das immerzu erstklassige Line-Up jährlich ca. 700 Besucher aus ganz Europa und weiteren Teilen der Welt anzieht. Zu den diesjährigen Headlinern zählten unter Anderem 65daysofstatic, This Will Destroy You und Russian Circles. Neu in diesem Jahr war das noch größere Zelt der Main Stage sowie verbesserte sanitäre Anlagen.

Gleichbleibend war die außerordentlich gute Qualität der Licht- und Tontechnik sowie die leckeren Fritten und die legendären After Show Partys der „Belgian Fries Guys“, die die Besucher nachts zum Tanzen einluden.

Donnerstag, 05.05.
Am Donnerstagmorgen wurden die bereits angereisten Festivalbesucher vom sommerlichen Wetter aus ihren Zelten gelockt. Wo noch zwei Wochen zuvor Winter herrschte, erwachte nun der Frühling in Zottegem. Es wurden die ersten Grills angefeuert und Biere geleert und man machte sich für die erste Show dieses Wochenendes bereit. Fall of Messiah eröffneten das Dunk! Festival 2016 sogleich mit vollem Elan und einer stattlichen Lautstärke, die auch jeden Erstbesucher des Festivals wissen ließ, was er in den nächsten Tagen zu erwarten hatte. Abgelöst wurden sie nach einer Spielzeit von 40 Minuten auf der Stargazer Stage von der finnischen Band Slowrun. Beim Betreten des Zeltes der Stargazer Stage fiel dem geschulten Auge leicht auf, dass der Bühnenhintergrund dieses Mal leider gar nicht zum Sternegucken einlud. An Stelle des schwarzen Hintergrundes mit atmosphärischer Beleuchtung gab es in diesem Jahr eine weiße Leinwand, auf der zwar Diashows oder bloß das Logo der jeweiligen Band abgebildet werden konnte, die jedoch in den meisten Fällen keine besondere Verwendung fand, sodass ein Teil der gewohnten Atmosphäre leider verloren ging. Es war ein guter Plan, der Verbindung zwischen Musik und Visuellem eine Plattform zu bieten, der jedoch in vielen Fällen wenig liebevoll umgesetzt wurde.

Dunk! Festival

Dunk! Festival
Im Anschluss an Slowrun sollte eigentlich die luxemburgische Math Rock-Band Mutiny on the Bounty auf der Main Stage spielen, jedoch musste sie einen Tag zuvor leider absagen. Dafür erfuhren nun die fünf Freunde von Spoiwo ein Bühnenupgrade – um die Ersatzband Inwolves aus Belgien auf der Stargazer Stage unterzubringen, wurden Spoiwo kurzerhand auf die Main Stage verlegt. Und wenn es eine Band aus diesem Line-Up verdient hat, dann diese! Spoiwo, die eigentlich noch gar nicht sehr lange im Geschäft sind und bislang nur ein Album veröffentlicht haben, touren seit jeher mit den großen Bands des Post Rocks wie zum Beispiel Maybeshewill und God is an Astronaut. Mit dieser Umverlegung auf die größere Bühne hatten sie jedoch nicht gerechnet, wie mir Gitarrist Piotr später im Interview verriet. So standen also fünf junge Menschen aus Polen auf der großen Bühne und spielten ihre so perfekt(ionistisch) gestalteten Songs mit dem breitesten Grinsen auf ihren Gesichtern, voller Freude und Überwältigung. Für Dunk! Festival-Verhältnisse war dieser Auftritt vermutlich nicht besonders. Es ist hier keine Seltenheit, dass es zwei PianistInnen oder KeyboarderInnen in einer Band gibt oder dass ein Gitarrist mit einem Geigenbogen spielt. Dennoch ist es schön, zu hören, dass manche Bands sich hervortun können und trotz der wenig spektakulären Bühnenshow konnte diese sich einmal mehr vor einem großen Publikum beweisen.

Dunk! Festival
Für mich persönlich zählen Spoiwo auf diesem Dunk! zu den Headlinern der Herzen, nicht nur durch ihre gute Musik, sondern vor allem durch ihre Herzlichkeit und die Energie, die sie von der Bühne versprühten.

Nach einer Pause ging es ab kurz nach halb zehn für mich weiter mit Tides From Nebula, die leider ohne Gitarrist Adam auftreten mussten. Nichts desto weniger haben sie auch zu viert eine sehr bombastische Show abgeliefert. Das beste an diesem Auftritt: Sie spielten erstmals einige ihrer neuen Songs des Albums Safehaven, das am Folgetag erscheinen würde. Das Publikum war mitgerissen von diesem praktisch perfekten Auftritt. Da ich selbst Tides From Nebula bisher nur von viel kleineren Bühnen kannte, war ich umso erfreuter, dass sie auf der Main Stage gespielt haben, wenngleich die Show dieses Mal keinen familiären Charakter hatte. Es ist etwas gänzlich Anderes, wenn die Musiker, denen man zuvor noch auf Augenhöhe aus dem Publikum gegenüber stand, auf dieser großen Bühne stehen. Bisweilen kamen sie jedoch von ihren Posten herunter und spielten für einen kurzen Moment im Fotograben, um etwas näher an den Besuchern zu sein.

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Der nächste Act auf der Stargazer Stage war der Däne Nils Gröndahl, der, bewaffnet mit einer Violine, eine Mischung aus Post Klassik und Ambient lieferte, die hier und da wahre Drone-Ausmaße annahm. Die Rolle, die er auf der Bühne einnahm, verleitete mich zu der Vorstellung, dass er gerade von seiner Frau verlassen wurde, zwei Flaschen Rotwein getrunken hat und nun mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Wut und Trauer liegt, seine Musik für die Besucher spielt, um seine Gefühle zu verarbeiten. Gesang gibt es bei Gröndahl nicht, wohl aber einige Texte, die er mit einem kleinen Mikrophon an seinem Kehlkopf geschrien und in einer Endlosschleife wiedergegeben hat.

Dunk! Festival
Etwas benebelt führte mich der Strom anschließend zur Main Stage zurück, um den Headliner des Abends, namentlich 65daysofstatic, anzusehen. Diese Band mochte ich eingestandenermaßen noch nie leiden, aber mir war es wichtig, ihnen einen Chance zu geben, mich live von ihren Qualitäten zu überzeugen. Und was soll ich sagen? Es war für mein Empfinden bombastisch! Sie spielten offenbar keinen Song, den ich jemals gehört habe und nicht mochte, denn ich mochte schlichtweg alle, ohne sie benennen zu können. Die Atmosphäre aus ihrer Musik und der Lichtshow war überwältigend. Tatsächlich habe ich im weiteren Verlauf des Festivals viele andere Gäste sagen hören, dass sie diesen Auftritt absolut nicht mochten. Es seien die falschen Songs gewesen, der Ton sei schlecht gewesen, die Atmosphäre hätte nicht gestimmt, waren die genannten Gründe. So ist eben jede Show ein subjektives Erlebnis für jede Person.

Dunk! Festival
Im Anschluss suchte ich vergeblich die After Show Party der Fries Guys (das sind die hippieesquen Burschen, die die belgischen Pommes verkaufen). Es gab zwar Fritten, aber keine Party. Dann erinnerte ich mich an letztes Jahr, als die Partys auch nur am Freitag und Samstag stattgefunden hatten, und machte mich auf den Weg zurück in mein Camp.


Freitag, 06.05.
Für Freitag hatte ich mir den Wecker gestellt, um früh aufzustehen, zu duschen und mich danach mit meinem Laptop in den Speiseraum zu setzen und meine Fotos vom Vortag zu bearbeiten. Den Wecker auf einem Festival zu stellen, das war auch etwas gänzlich Neues für mich. Die Duschmöglichkeiten hatten sich seit dem vergangenen Jahr geändert, denn jetzt gab es einen Duschcontainer mit einigen durch Duschvorhänge abgetrennten Einzelduschen. Durch diese zusätzlichen Duschen wurde auch der Zuwachs an Besuchern ganz gut abgedeckt. Das Wasser kam überraschenderweise höllisch heiß aus der Leitung, womit kaum zu rechnen war, nachdem nun bestimmt schon über eine Stunde lang ununterbrochen Menschen geduscht hatten.

Im Speiseraum hingegen war alles wie immer. Es gab Kaffee, der auch sehr prompt wieder aufgefüllt wurde, wenn die Kanne leer war, und heißes Wasser für Tee, dazu helles weiches Brot, diverse Konfitüren und Haselnussaufstrich. Dieses freie Frühstücksangebot zählt zu den Alleinstellungsmerkmalen des Dunk! und zumindest den Kaffee trinke ich gerne gallonenweise. Zum Glück hatte ich, um mit dem Computer arbeiten zu können, in diesem Jahr vorgesorgt und einen internationalen Steckdosenadapter für Schutzkontaktstecker sowie eine Steckerleiste mitgenommen. Die Steckdosen sind nämlich rar gesät und viele Gäste laden daran ihre Handys auf. Also habe ich, um selbst am Computer arbeiten zu können, gleich noch zwei weitere Steckdosen zur Verfügung gestellt. Während der Arbeit belauschte ich einige Gespräche um mich herum. Die anderen Personen redeten sehr häufig über Filme und Literatur, über philosophische Theorien, Pädagogik, und natürlich über Musik. Kein schlechter Start in den Tag, trotz des wenigen Schlafs.

Der Konzerttag begann mit der zweiten Band Sounds Like The End Of The World. Das Fünfergespann aus Polen vertritt eine Mischung aus sanften Instrumentalklängen und catchigen Melodien bis hin zu harten Riffs. Nicht ganz so, wie ich mir das Ende der Welt vorstelle, doch rein von ihrer musikalischen Qualität her eine Band zum Verlieben.

Dunk! Festival
Ein Nachteil an diesem schönen sommerlichen Wetter war, dass sich das große Zelt von innen sehr stark aufheizte und ich es deswegen vorzog, in den Nachmittagsstunden auf ein paar Bands zu verzichten, um mich an kühlere Orte zurückzuziehen. So verpasste ich leider Monnik und Baikonur und machte mich erst zu Eleanora wieder auf den Weg zur Stargazer Stage, die an diesem Freitag ausschließlich durch Bands von Consouling Sounds bespielt wurde, sprich: experimentelle, düsterne Vertreter der Genres zwischen Black Metal, Noise, Hardcore und Drone und der Church of Ra-Familie. Einige dieser Musiker sind Solokünstler, Eleanora hingegen sind eine starke und wilde Band mit einem Sänger, der die Hardcore-Manier äußerst gut beherrscht – stimmlich wie optisch. Wie es bei fast jedem Act auf der Stargazer Stage üblich ist, tauchte auch bei diesem Auftritt von Eleanora das Dunk!-Urgestein Roger auf – der lustige Belgier in Tarnhosen und weiß-buntem T-Shirt, dekoriert mit allerhand Festivalbändern – und posierte leidenschaftlich vor der Bühne, während Sänger Mathieu ihm ins Gesicht sang. Überhaupt nutzte letzterer den geringen Platz auf der Bühne vollkommen aus, lief und sprang beim Singen umher, gestikulierte energisch und zog vor Wärme irgendwann sogar sein T-Shirt aus. Alles in Allem lieferten Eleanora eine gute Show, wenn man auf brachialen Hardcore-Sludge-Amenra-Mix steht.

Dunk! Festival

Und danach folgten für mich die Musiker, auf die ich mich am meisten gefreut habe: Kokomo.

Seit Erscheinen des aktuellen Albums Monochrome Noise Love hatte ich den Plan verfolgt, sie endlich einmal live spielen zu hören und mit dem Dunk! hatte sich dieser Wunsch dann doch schneller als erwartet erfüllt. Und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Mit „Pills and Pillows“ von ihrem aktuellen Album wählten sie wohl das beste Konzertintro aus, das sie im Repertoire haben, und brachten die Besucher der Main Stage zum Jubeln, als sie die Bühne betraten. Der Fokus der Setlist schien auf den aktuellen Songs zu liegen, wobei ich viel zu sehr von der Musik vereinnahmt und in einem tranceähnlichen Zustand war, um noch genauestens rekapitulieren zu können, welche Stücke gespielt wurden. Eine Spieldauer von 45 Minuten war für mich persönlich auch viel zu kurz, doch so ist es wohl immer, wenn man eine Band sieht, die man ganz besonders mag.

Dunk! Festival
Mit Her Name is Calla spielte etwas später einmal mehr eine Band mit einer weiblichen Hauptrolle an der Violine. Das Konzert war schön, wenngleich rein musikalisch unspektakulär. Her Name is Calla legen es jedoch auch nicht darauf an, eine bombastische Klangmauer aufzubauen, sondern verfolgen oft fröhliche, manchmal melancholische, jedoch immer ausgewogene Klänge, bei denen die Violine und der männliche sowie weibliche Gesang die Melodien prägen. Hätte dieses Konzert nicht im Zelt, sondern unter freiem Himmel stattgefunden, wäre es die perfekte Gelegenheit gewesen, sich im Gras niederzulassen und mit einem kühlen Getränk und einem Lächeln im Gesicht der Musik zu lauschen.

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My Sleeping Karma hingegen haben das volle Programm an Groove geliefert. Die vier Musiker aus Aschaffenburg rockten die Main Stage mit ihrer Stoner-Psychedelic-Progressive-Rock-Mischung, die ihresgleichen vergeblich sucht, und brachten viele der Besucher zum Tanzen und Schwingen der Haare. Ein erstklassiges Konzert, von der Beleuchtung über die Bühnenpräsenz bis hin zur musikalischen Qualität. An dieser Stelle war es auch schön anzusehen, wie viel Spaß die Musiker bei ihrer Show hatten. Überwältigt und voller Freude wurden immer wieder Ansprachen an das Publikum gerichtet, wodurch eine unfassbar positive Atmosphäre spürbar war. Dies galt natürlich nicht bloß für My Sleeping Karma, sondern ist prinzipiell übertragbar auf jede andere Band auf diesem Festival.

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Auf der Stargazer Stage fand im Anschluss an My Sleeping Karma das wahrhaftige Kontrastprogramm statt. Josh Graham alias IIVII, ein Ambient Fiction-Künstler, um dessen Namen es hitzige Debatten gab („Wie spricht man das denn aus: Ei Ei Wie Ei Ei?“), saß in der Mitte der Bühne an einem Mischpult und spielte vor auf dem Boden sitzendem Publikum in einem beinahe gänzlich dunklen Zelt. Die Musik war ruhig, atmosphärisch, untermalt durch Leinwandpräsentationen wie aus einem Science-Fiction-Animationsfilm. Astronauten, glühheiße Planeten mit rot als dominanter Farbe, luden das Publikum auf einen schweren und düsteren Flug durch den Weltraum ein, perfekt und beruhigend und ein sehr guter Ausgleich inmitten zweier großer und krachiger Bands. Gleich darauf ging es nämlich mit der amerikanischen Post Metal-Band Pelican weiter, deren Musik bisweilen deutliche Einschläge aus dem Stoner enthält. Ein Grund mehr für die Fans, sich auf Pelican zu freuen, war die Tatsache, dass es ihre erste Europatour seit 2013 ist. Die Party war groß, das Zelt rappelvoll, die Haare flogen durch die Besucherreihen und auch auf der Bühne schienen die vier Jungs aus Chicago den größten Spaß zu haben. Ein wahrscheinlich legendäres Konzert, das nicht wenige Besucher sich den zerheadbangten Nacken massierend am Ende verließen.

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Was wäre ein Dunk! Festival ohne Colin H. van Eeckhout? Erst letztes Jahr trat er mit seiner Band Amenra auf, dieses Jahr war er mit seinem Soloprojekt CHVE unterwegs. Mit einer unglaublichen Ruhe und Melancholie saß er auf der Bühne, neben sich eine brennende Feuerschale, und spielte monotone und durchdringende Klänge auf einer Drehleier. Dann und wann schlug er einen Rhythmus auf einer Trommel. Aus zischenden Wisperlauten wuchs ein leidenschaftlicher Gesang heran, der das vor der Bühne sitzende Publikum Raum und Zeit vergessen ließ. Colin sang zumeist in einer recht hohen Kopfstimme, die jedoch ganz zum Ende seiner Show in einen tieferen und kräftigeren Gesang umschlug, der mir spontan Tränen in die Augen trieb. Ein ganz wunderbarer Künstler, der es in jedem seiner Projekte schafft, seine Emotionen auf sehr besondere Weise zu transportieren.
Und schlussendlich, als letzter Act dieses zweiten Festivaltages, spielten This Will Destroy You ihr Programm in einem völlig dunklen Zelt auf der Main Stage, nur beleuchtet durch Stirnlampen, die sie trugen. Was für eine Atmosphäre! Laut, stark, scharf, mit Fokus auf das Wesentliche, nämlich die Musik und nicht die Optik der Bühnenshow. Da ich ohnehin nicht besonders viel auf der Bühne zu erkennen vermochte, setzte ich mich auf den Boden und verlor mich gänzlich in der Musik, die trotz meines Gehörschutzes so ohrenbetäubend war, dass sie mich einfach wegtrug.

Dunk! Festival

An diesem Abend gab es auch eine richtige Party bei den Fries Guys. Ich hatte nur ein Problem: meine Freunde hatten mich versetzt und nun stand ich alleine und pommesessend auf dem Platz hinter dem Haus. Dazu lief „Summertime“ von Janis Joplin – meine ganz persönliche Definition von Einsamkeit. Irgendwann war meine Lust zu tanzen größer als die Angst davor, seltsam zu wirken, wenn ich einfach alleine tanzte. Nach einer Weile lernte ich jedoch ein paar nette Menschen aus Deutschland kennen, mit denen ich mich unterhielt und so fand diese einsame Situation doch noch ein gutes Ende.


Samstag, 07.05.
Nachdem ich schon wieder den ganzen Vormittag in meinem Workmode verbrachte und nebenher weiteren netten Gesprächen im Speiseraum beiwohnte, war mein erster Gig des Tages der des belgischen Elektrokünstlers Herbstlaub. Das Setting war einfach: Mischpult und blaue Beleuchtung. Wieder saßen die meisten Besucher auf dem Boden, einige lagen auch, vielleicht zu müde von der Wärme und den vorigen Tagen, vielleicht auch bloß tiefenentspannt. Die elektronische Musik machte viel her, doch leider gab es schon bald eine lange Pause aufgrund von technischen Schwierigkeiten. So überzog Herbstlaub sein Programm leider und ich musste frühzeitig zur nächsten Show von UpcDownC aufbrechen.

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UpCDownC ist eine recht facettenreiche Band aus Großbritannien, die viele Einflüsse aus Post Rock, Stoner und Sludge in ihren Stücken vereint. Genau die richtige Kombination für einen heißen Nachmittag in einem Zelt voller schwitzender Menschen. Die Atmosphäre war wild, heiß und geladen, Bassist und Gitarrist bewegten sich viel und schnell über die Bühne, sprangen herum und steckten die Besucher mit ihrer guten Laune an. Die Gesangsstücke ihrer Alben ließen sie dabei aus und spielten ein rein instrumentales Set.

Kurz nach UpCDownC, als ich über das Gelände lief, hörte ich Musik, die mich für einen Moment an meiner Wahrnehmung zweifeln ließ. Sie kam aus Richtung der Stargazer Stage, wo gerade Wyatt E. spielten, aber es klang nach Kokomo. Wieso sollten Wyatt E. etwas von Kokomo spielen? Das musste heißen…

Ich rannte los in Richtung der kleinen Waldlichtung und stand sodann inmitten einer Traube von Besuchern, die sich um keine geringere Band als Kokomo scharte! Diese hatten also, wie spontan auch immer es gewesen sein mag, eine zweite Show an diesem Wochenende gespielt. Und sie auf einer sonnenbeschienenen Lichtung zu sehen, war noch atemberaubender als am Tag zuvor auf der großen Bühne. Und an dieser Stelle war es um mich geschehen und ich konnte meine Tränen nicht mehr bei mir halten.

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Nach einer kurzen Verschnaufpause fand ich mich zu den Nordic Giants aus England wieder bei der Main Stage ein. Diese Band erbrachte die vielleicht spektakulärste Bühnenshow des diesjährigen Dunk! Festivals. Geschmückt mit schwarzen Federn und mystischen Kostümen, performte das Duo mit Schlagzeug, Piano, Trompete und mit dem Bogen gespielter Gitarre einen beinahe schon okkult wirkenden Auftritt. Musikalisch liegen sie weit weniger im Post Rock als in der Cinematic Music verankert. Ihre Stücke begleiten auf Leinwänden und Displays abgespielte Kurzfilme, die zwar selbst keinen mystischen Anschein erwecken, das ganze Konzept jedoch hervorragend abrunden. Weder die Musik der Nordic Giants noch die filmische Darbietung könnte ohne den anderen Teil existieren, so stark ist die Symbiose zwischen beiden Teilen. Wenngleich die Musik auch nicht-live schon eine besondere Stärke aufweist, ist der Sinn doch erst bei einer Live Show wirklich zu begreifen. Wer also in Zukunft die Möglichkeit bekommen wird, diese Band live zu sehen, sollte sich diese Gelegenheit keinesfalls entgehen lassen.

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Später am Abend gab es auf der Main Stage ein großes Debüt, auf das sowohl die Band als auch ihre Fans aufgeregt hin fieberten: die Hamburger Band Collapse Under The Empire gab ihren allerersten Live-Auftritt! Nach 5 Studioalben sowie diversen EPs und Kollaborationen entschied das ursprüngliche Duo, dass es jetzt an der Zeit wäre, eine richtige Band zu werden. So suchten sie sich drei weitere Musiker zusammen und hatten ihren Live-Einstand letztlich auf einer der besten Bühnen, die sie hätten haben können – zumindest, wenn man mich fragt. In eine geheimnisvolle Beleuchtung und Nebel eingehüllt, vermochten die Besucher nur bedingt zu erkennen, wer sich nun tatsächlich hinter „Collapse Under The Empire: die Band“ verbarg. Volle Absicht, eröffnete mir Gründungsmitglied Martin im Interview, das ihr in Kürze lesen könnt. Ihr Debüt war perfekt und sorgte für Überwältigung bei allen Beteiligten.

Dunk! Festival
Und nachdem ich gar nicht erst weit ausschweifen möchte, wieso ich Yndi Halda verpasst habe und wie schrecklich das für mich ist, widme ich mich lieber dem Auftritt von Arms and Sleepers, die als komplette Live-Band aufgetreten sind. Das bedeutet: Fronter Mirza Ramic am Mischpult mit Laptop, Keyboards, diversen Reglern und Melodica, Mark, der ebenfalls nur ein Live-Mitlgied von Arms and Sleeprs ist, an Laptop und Gitarre, sowie der Live-Drummer Andrew, der sie auf der aktuellen 10th Anniversary-Tour begleitet. Im Dunk!-Interview vor dem Auftritt schnappte ich auf, wie Ramic sagte, er wisse gar nicht, wieso sie mit ihrer vom Post Rock so stark abweichenden Musik ständig zum Festival eingeladen werden würden. Das Publikum schien jedoch auf die Elektromusik zwischen Ambient und Trip Hop abzufahren. Nachdem sich im Zelt der Stargazer Stage die meisten Besucher zuerst wieder hinsetzten, sagte der Frontmann an, es sei ihm egal, ob man stehen oder sitzen oder tanzen würde, die Hauptsache sei, dass alle sich wohlfühlten und viel Spaß hätten. Letztlich stand doch der größte Teil des Publikums wieder auf und viele tanzten zur Musik. Wäre es nach mir gegangen, hätte dieser Auftritt vom Arms and Sleepers ebenfalls nie enden müssen und durch ihr Full Live Set inklusive Drummer haben sie für ein spannendes und abwechslungsreiches Konzerterlebnis gesorgt, das in keinster Weise den Eindruck einer Elektro-DJ-Party erweckte.

Dunk! Festival

Schließlich blieb noch die letzte Band des Festivals, namentlich Russian Circles. Auch diese begrüßten die Besucher mit voller Lautstärke und einer opulenten Bühnenbeleuchtung auf der Main Stage. Leider muss ich an dieser Stelle gestehen, dass die vergangenen Stunden, in denen ich viel bewegende Musik gehört und mit einigen interessanten Menschen geredet habe, mich so sehr überfordert haben (in positiver Hinsicht), dass ich mich nicht in der Lage empfand, mir Russian Circles im vollen Zelt länger als für die ersten drei Songs anzusehen. Während ich also bei offener Heckklappe in meinem Bus lag, sinnierte ich über dieses wieder einmal sehr aufregende Festival, und konnte in Bezug auf Russian Circles nur noch feststellen, dass sie fast ausschließlich ihre härteren Songs spielten und weniger emotionale Stücke aus ihrem Repertoire.

Dunk! Festival

Ein wenig später machte ich mich doch noch einmal auf den Weg zum Haus, um die letzten Pommes dieser Dunk!-Edition zu essen und mit einigen Menschen zu reden sowie zu der immer noch fürchterlichen Songauswahl auf der Fries Guys-Hippie-Party zu tanzen. Der Abend endete wie immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge, während bereits mitten in der Nacht das große Bühnenzelt abgebaut wurde.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass dieses Dunk! sich einmal wieder selbst übertroffen hat. Ein großes Lob geht an die Veranstalter Wout und Luc Lievens, die Helfer, das Küchenteam, die Fries Guys, Musiker und Besucher, die diesem Festival jedes Jahr aufs Neue eine unbeschreiblich positive und angenehme Atmosphäre verleihen. Die musikalische Mischung aus Post Rock verschiedener Gattungen, Stoner, Black Metal oder Blackgaze, Elektro, Doom und Post Klassik ist seit jeher ausgewogen und durch die allgemeine Offenheit der Festivalbesucher legitimiert, sodass das Dunk! insgesamt nur schwer mit anderen Festivals zu vergleichen ist. Oder um meine eigenen Worte aus dem Vorjahr zu wiederholen: „Lasst uns nie wieder nicht auf dieses Festival fahren“.

Für das nächste Jahr würde ich mir wünschen, dass wieder mehr Bands mit Musikerinnen bzw. Solokünstlerinnen auftreten würden.

Und nun heißt es, noch mehr als ein Jahr sehnsüchtig auf das 13. Dunk! zu warten, denn 2017 wird es vom 25.-27. Mai stattfinden.

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Über den Autor: Lara Void

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One Comment

  1. gerhard 29.09.2016 at 15:52 - Reply

    Schöner Bericht, vieles haben wir wohl ähnlich gesehen, vor allem Kokomo.
    Freu mich schon aufs nächste Jahr, hoffentlich klappt’s…
    Viele Grüße,
    Gerhard
    https://gerhardemmerkunst.wordpress.com/2016/05/12/dunkfestival-2016-zottegemvelzeke-belgien-2016-05-07/

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