BERICHT: The War On Drugs @ Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden, 21.04.2022

BERICHT: The War On Drugs @ Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden, 21.04.2022

Lange musste man in Deutschland auf Liveauftritte von The War On Drugs warten und in diesem Jahr machte die Indie-Rock-Band aus Philadelphia im Rahmen der ausgedehnten Europa-Tournee mit Konzerten in Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Italien, Frankreich, Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Belgien auch nur in vier Städten in Deutschland Station.

Nach der Verti Music Hall in Berlin, der Kulturhalle in München und dem Palladium in Köln sowie als letzte Station in Deutschland und drittletzte der gesamten Tour, danach gab es nur noch das Konzert im Ziggo Dome in Amsterdam und das Konzert im Antwerpener Sportpalais, hatte das Kulturzentrum Schlachthof in Wiesbaden den Zuschlag erhalten.

Dass der Schlachthof die richtige Wahl für das wunderbar harmonische und entspannte Konzert war, wurde im Laufe des Gigs offenkundig, auch wenn Adam Granduciel es sich zu Beginn des Konzertes nicht verkneifen konnte, das Publikum zu fragen, was die nächste größere Stadt bei Wiesbaden sei. Aber dazu später. Wer es nicht allzu eilig hatte und erst kurz vor 20.00 Uhr gemütlich in den Konzertsaal des Kulturzentrums Schlachthof geschlendert kam, wurde damit überrascht, dass die aus Los Angeles, Kalifornien stammende Vorgruppe Lo Moon, die ihr jüngstes Album A Modern Life im Gepäck hatte, bereits mitten im Set war.

Geboten wurde wunderbar aufgeräumter und teils verträumter Indie-Rock mit viel Gitarren und einem Hauch von Talk Talk hinsichtlich des Gesangs von Frontmann Matt Lowell, der ganz hervorragend zum Haupt-Akt passte. Wie nicht anders zu erwarten, fand Lo Moon in dem Publikum somit eine dementsprechend gute Resonanz, so dass Lowell mit Blick auf das bevorstehende Ende der Europa-Tournee auch verkündete, er würde sich die nächsten vier Wochen in den Schlaf weinen, wenn die Tournee zu Ende sei.

Kaum waren Lo Moon von der Bühne begann das unaufgeregte Wirken der bemerkenswert kleinen Umbau-Crew, der man aber anmerken konnte, dass hier jeder Handgriff hundertmal geübt und praktiziert war. Da hat man schon mehr Roadies unnötig auf der Bühne hantieren gesehen.

Es ist 20.45 Uhr als das Licht kurz gedimmt wird und Adam Granduciel mit einem „Hello“ und einem Winken samt Band auf die Bühne schreitet. Keine weitere Begrüßung und kein großes Gerede, mit sanften Gitarrenklängen und seiner markanten Stimme beginnt Granduciel den Opener Old Skin aus dem aktuellen Album I Don’t Live Here Anymore und hat sofort das gesamte Publikum an seinen Lippen hängen.

Dass Adam Granduciel nicht nur ein begnadeter Songwriter, Gitarrist und Komponist sondern auch ein hervorragender Sänger ist, merkt man nicht nur in den ruhigen Abschnitten sondern insbesondere in den rockigen Teilen der folgenden Songs. Hier braucht es keines Brüllens oder Röhrens Granduciel schafft es mit wenig Dramatik die Songtexte immer in der richtigen Intonation und Dringlichkeit zu präsentieren.

Nach den ersten zwei Songs sucht Granduciel zum ersten Mal Kontakt zum aufmerksamen Publikum. Es folgte die oben erwähnte Wiesbaden-Frage, die dazu angetan war, die aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet und wahrscheinlich auch von weiter weg angereisten Besucher:innen zu erheitern.

Die Hälfte der gut gewählten Setlist besteht aus Songs des aktuellen Albums I Don’t Live Here Anymore ansonsten sind Pain, Strangest Things und Thinking of a Place aus dem 2017er Erfolgs-Album A Deeper Understanding mit dem die Band den Grammy für das Beste Rock-Album des Jahres abgeräumt hat und Songs aus dem 2014er Album Lost In The Dream zu hören. Granduciel weiß die Dynamik des Sets gut einzusetzen und gönnt dem Publikum nach atemberaubend rockigen Songs wie Pain, An Ocean Between The Waves oder Under The Pressure immer mal wieder eine Erholungspause, nur um den Spannungsbogen noch etwas zu straffen.

Es gibt wunderbare Momente in Songs, da wird aus den introspektiven Harmonien mit nur einer Temposteigerung ein treibender Rhythmus. Wenn dann noch ein gnadenlos druckvolles Clarence Clemons-Gedächtnis-Saxophon von Jon Natchez unter anderem bei Under The Pressure gespielt, positive Erinnerungen an die E-Street-Band von Bruce Springsteen ins Bewusstsein zaubert, dann bleibt niemand ruhig aus seinem Platz stehen.

Bei dem gesamten Konzert ist tatsächlich nur Granduciel das Zentrum des Geschehens auf einer Bühne, die meist in waberndes Blau, Rot oder Orange getaucht ist und man die meisten Bandmitglieder angesichts der dezenten Beleuchtung mehr erahnt als sieht. Selbst bei der Vorstellung der einzelnen Bandmitglieder gibt es keine zusätzliche Ausleuchtung der Band.

Es entwickelt sich sehr schnell ein wunderbar harmonisches und von der ersten bis zur letzten Minute positiv entspanntes Konzert, bei dem das Publikum im gut gefüllten Konzertsaal des Schlachthofs voll auf seine Kosten kommt.

Granduciel, der des Öfteren mit dem Publikum in den Dialog geht, ist sichtlich gut aufgelegt. Er lässt es sich auch nicht nehmen, in der Hälfte des Sets nach Songwünschen zu fragen und sich aus den vielen Zurufen Dissapearing herauszupicken, von dem er meint, dass die Band den Song bestimmt länger als ein Jahr nicht mehr gespielt habe.

An solchen Interaktionen wird mehr als deutlich, wie wohl sich die Band im Kulturzentrum Schlachthof fühlt. Genau die richtige Wahl für die vollkommen unprätentiöse Band mit einem sehr nahbaren und an diesem Abend prächtig aufgelegten Adam Granduciel.

Zum Ende hin, nach über zwei Stunden Spielzeit und 16 Songs spürt man beim Schlusslied, dem überwältigend epischen Thinking Of A Place, im Saal eindringlich das Bedauern, dass um 23.00 Uhr Schluss sein muss, weshalb kein Raum mehr für eine Zugabe bleibt.

Die Band mit Adam Granduciel an der Spitze hat es mühelos geschafft mit einer guten ausgewogenen Mischung aus neuen und älteren Songs das Publikum sprachlos, erschöpft und zufrieden zurückzulassen. Nach dem wunderbaren Abend ist zu hoffen, dass die Band das Kulturzentrum Schlachthof in Wiesbaden in guter Erinnerung behält und hier bei der nächsten Europa-Tournee wieder Station macht.

Setlist:

  • Old Skin
  • Pain
  • An Ocean In Between The Waves
  • I Don’t Wanna Wait
  • Victim
  • Strangest Thing
  • Red Eyes
  • Living Proof
  • Harmonia’s Dream
  • Disappearing
  • Change
  • Under The Pressure
  • I Don’t Live Here Anymore
  • Eyes To The Wind
  • Occasional Rain
  • Thinking Of A Place

Titelbild: The War On Drugs | (c) Richard Kilian

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Von Veröffentlicht am: 25.04.2022Zuletzt bearbeitet: 25.04.20221006 WörterLesedauer 5 MinAnsichten: 728Kategorien: EventsSchlagwörter: 0 Kommentare on BERICHT: The War On Drugs @ Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden, 21.04.2022
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Über den Autor: Richard Kilian

"Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik" Wer mit Stephen King, Charles Bukowski, Andrew Vachss und Elmore Leonard sowie Marillion, Cigarettes after Sex, Motorpsycho, The Jayhawks, Sufjan Stevens, Rush und God is an Astronaut etwas anzufangen weiß, der ist bei mir richtig.

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