BERICHT: Soulcrusher III Festival, 06.10.2018 Nijmegen

BERICHT: Soulcrusher III Festival, 06.10.2018 Nijmegen

Seit 2016 ereignet sich im alteingesessenen Club „Doornroosje“ im niederländischen Nijmegen unter dem Namen Soulcrusher ein eintägiges Festival der extremen musikalischen Klänge aus Doom, Black-Metal, Sludge und Artverwandtem.

An diesem Tag hüllt sich das Doornroosje in Schwarz. Ein Tag für alle LiebhaberInnen von harten, düsteren Riffs und dunklen, experimentellen Klangteppichen, der, jeweils stattfindend im letzten Quartal, wie ein Gipfeltreffen für die bemerkenswertesten und interessantesten Bands des Jahres anmutet.

Den Organisatoren des Soulcrusher gelang es auch bei der diesjährigen dritten Ausgabe des Festivals wieder einmal ein hochkarätiges Line-Up aus Szenegrößen, Aufsehen erregenden Newcomern und etablierten und innovativen Bands zu vereinen.

Das vor vielen Jahrzehnten aus einer Art Jugendzentrum entstandene Doornroosje ist mit dem 2014 eröffneten Neubau bestens für so ein Event wie dem Soulcrusher ausgelegt und besteht aus zwei Konzertsälen. Der größere von beiden, auch Red Stage genannt, ist von größerer Kapazität und mit einer zusätzlichen Empore ausgestattet, der kleinere Saal, die sogenannte Purple Stage, kommt ohne Balkon aus und hat ein kleineres Fassungsvermögen. Im Café des Doornroosje kann man Sandwiches und Getränke bekommen, oder sich an den darin aufgebauten Merch-Ständen tummeln und durchaus mit dem ein oder anderen Musiker der teilnehmenden Bands ins Gespräch kommen. Das Preis- Leistungsverhältnis für so ein denkwürdiges Event ist bei 13 teilnehmenden Bands auch in diesem Jahr mit ca. 35 € im VVK und 45 € an der Tageskasse absolut unschlagbar, insbesondere angesichts der Tatsache, dass mit YOB und Deafheaven zwei wirklich große Namen als Headliner für die diesjährige Ausgabe gewonnen werden konnten.

Aber auch beim restlichen Blick auf den zeitlichen Ablauf des Soulcrusher III wurde schnell klar, dass der Besuch zu einem nahezu 12-stündigen Overkill ohne nennenswerte Pausen wird, denn die Konzerte in beiden Sälen gingen nahtlos ineinander über, und wie so oft ist man auf solchen Festivals vor die Qual der Wahl gestellt, welche Shows man sich unbedingt vollständig angucken möchte und wo man Pausen für Essen, Trinken und Merchstöberei einlegen möchte. Auch musste man sehr wohl entscheiden, zu welchem Zeitpunkt der Show man in den anderen Raum wechselt, denn gerade beim kleineren Saal lief man schnell Gefahr, wegen Überfülltheit keinen guten Sichtplatz mehr zu bekommen.

Eröffnet wurde der Soulcrusher III von Frayle, einem Duo aus Cleveland, USA, deren „Lullabies over Chaos“ -Ansatz ich mir wirklich gerne live angehört hätte. Die beiden Musiker zählen sowohl Portishead, Massive Attack, Chelsea Wolfe sowie Sleep, Kyuss und Black Sabbath zu ihren Einflüssen und bewegen sich auf der Grenze von Doom und Dreampop.

Leider machte der dichte Straßenverkehr auf den Autobahnen und Nijmegen volle Straßen am Samstagmittag einen Strich durch diese Rechnung, so dass ich und meine Begleiter erst zur zweiten Hälfte der Show von Part Chimp ins Doornroosje eintrudelten. Die von Tim Cedar im Jahre 2000 gegründete Noise Rock Formation aus London dürfte den meisten durch ihr auf Rock Action Records veröffentlichtes Album „Thriller“, sowie der Split EP mit Torche bekannt sein, doch auch der übrige Backkatalog der Londoner dürfte für alle interessant sein, die sich auf eine perfekte Schnittmenge aus Melvins, Jesus Lizard und Lightning Bolt einlassen können. Bei Part Chimp stehen alle Distortion- Regler ganz nach rechts, so auch bei der heutigen Show, die mit einigen ihrer besten Songs aus „Thriller“ gespickt gewesen ist.

Part Chimp

Part Chimp | (c) Jens Broxtermann

Im Anschluss gaben die Würzburger von Phantom Winter ihren Soundtrack zur Finsternis im kleineren Saal zum Besten. Hervorgegangen aus Omega Massif, die zuletzt auf Denovali veröffentlichten, haben sich Phantom Winter mit ihren bisher drei Alben auf Golden Antenna Records schnell einen ausgezeichneten Ruf erspielt und auch das letzte Werk „Into Dark Science“ wurde mit guten Kritiken gelobt. Hauptsächlich auf halbdunkler Bühne agierend, präsentierten die Würzburger eine düstere Show, die auch soundtechnisch schon mal gut in die Magengrube ging.

Im großen Saal ging es unmittelbar weiter mit dem britischen Doom-Sludge-Trio von Slomatics, die mit zwei Gitarristen und einem singenden Schlagzeuger hinsichtlich „Amplifyer Worshipping“ die Lautstärke weiter in Trommelfell zerfetzende Dimensionen ansteigen ließen. Reduzierte Gitarrenriffs kulminieren in bodenloser Schwere, während der Gesang mitunter den Charme von Pete Stahl von Goatsnake transportiert. Eine sehr beeindruckende Show.

Slomatics

Slomatics | (c) Jens Broxtermann

Wiegedood aus Belgien mit Mitgliedern von Oathbreaker und Amenra folgten auf der Purple Stage. Ihr Black-Metal geht durch Mark und Bein, temporeich und technisch erhaben und brutalst gespielt. Ihre in diesem Jahr abgeschlossene „De doden hebben het goed“ Trilogie sind durchwegs starke Veröffentlichungen, doch war mein Ohr am diesen Tag ihrer Soundmischung nicht sonderlich zugeneigt, zumal der Körper auch Energie rief und der Auftritt von Wiegedood somit von mir genutzt wurde, um ordentliche Essenspause einzulegen, bevor mit Inter Arma der wahrscheinlich heimliche Headliner dieses Tages im großen Saal auf die Bühne geht.

Während der Show von Inter Arma veröffentlichte Mike Scheidt von YOB einen Facebookpost, der lauetete: Inter Arma is GOD. Und damit hat er verdammt recht. Der gewaltige Sound der Band aus dem amerikanischen Richmond klingt, als würde der Himmel sich unter starken Naturgewalten aufspalten. Wer Inter Arma nicht kennt, könnte auch den Eindruck bekommen, als spielten sie einen langen, epischen Soundtrack. Aber ihr Sound ist auch äußerst wandelbar. Kaum eine andere Band ist in der Lage, einen derartig waghalsigen Stilmix aus Blackened Sludge, Post-Metal und Prog- Elementen zu schmieden. Alleine dem Drummer T.J. Childers zuzuschauen, wie er all Songs voller Wendungen am Schlagzeug virtuos verprügelt ist eine wahre Freude. Auch das Gitarrenduo aus Trey Dalton und Stephen Russell ist grandios aufeinander abgestimmt, was besonders in den Momenten gedoppelter Soli deutlich wird. Auch der Einsatz eines Live-Theremin-Spielers gab dem Sound von Inter Arma eine außergewöhnliche „spooky“ Atmosphäre.

Inter Arma

Inter Arma | (c) Jens Broxtermann

Im kleineren Saal ging es direkt mit der belgischen Post-Rock Formation Hemelbestormer weiter, deren Auftritt ich mir zur Kurierung eines wachsenden Kopfschmerzes leider schenken musste. Sehr schade eigentlich, denn bei nachträglicher Beschäftigung mit ihrer Discographie hätte ihre Show auch ein schönes Live-Erlebnis werden können.

Mit Deafheaven folgte der erste große Headliner des Tages. Die einen lieben sie, die anderen hassen sie für ihre Mixtur aus Black Metal, Shoegaze und Post-Rock Elementen, doch wenn man diese Kontroverse mal ausblendet, lieferten Deafheaven eine fulminante Show ab. Mir fällt wirklich keine weitere Band an, die diesen Stilmix so gut und perfekt präsentieren können, wie sie. Insbesondere in den Passagen, in denen sie von ihrem Black Metal Fundament abweichen und ihren Sound in andere Genres überführen, finde ich Deafheaven am stärksten. Man darf gespannt sein, wohin die Entwicklung bei den Amerikanern zukünftig noch gehen wird.

Deafheaven

Deafheaven | (c) Jens Broxtermann

Trotz der imposanten Darbietung von Deafheaven war es unumgänglich, zeitnah in den kleineren Saal zu wechseln, denn die Noise-Rocker von Whores. standen als nächstes auf dem Programm.

Christian Lembach, Sänger und Gitarrist, betonte beim häufigen Stimmen seiner Gitarre, dass dieses notwendig sei, da er seine Gitarre wie ein Erwachsener spiele. Ob er damit eine Anspielung auf die vorherige Show von Deafheaven machen wollte ? Nun ja, jedenfalls sind Whores. mal wieder der Beweis, dass es nicht mehr als Gitarre, Bass und Schlagzeug benötigt, um eine zerstörerische Rockshow abzuliefern. „Gute Zeiten, schlechte Vibes“, so daß Credo dieser Band und ihrer beispiellosen Live-Show.

Whores.

Whores. | (c) Jens Broxtermann

Dann kam die Band, auf die wohl der überwiegende Teil der Zuschauer den ganzen Tag gewartet haben: YOB aus Oregon. Mit ihrem diesjährigen Album „Our raw heart“ feierten sie ein grandioses Comeback, nachdem Sänger und Gitarrist Mike Scheidt aufgrund einer schweren Divertikulitis- Erkrankung ums Überleben kämpfen musste. Scheidt, Foster und Rieseberg merkte man an, dass sie dankbar sind, wieder zurück sein zu können und geben diese Dankbarkeit an ihre Fans und Zuschauer weiter. YOB, und natürlich insbesondere Scheidt, präsentierten sich wie wiedergeboren. Ihre Show stand sinnbildlich für den Namen dieses Festivals und war dementsprechend der reinste „Soulcrusher“! Man kommt eigentlich nicht umher, diesen Auftritt als absolute Weltklasse zu bezeichnen und wahrscheinlich gibt es derzeit auch keine bessere Doom- Metal Band auf diesem Planeten. Mit „Ablaze“ und „The Screen“ vom neuen Album startend, spielten sich YOB auch mit älteren Tracks wie „Ball of Molten Lead“ und dem abschließenden „Burning Altar“ zurück in die Herzen und Seelen ihrer Fans, inklusiver herzergreifender Ansage vor dem Song „Our Raw Heart“, einem kurzen Plädoyer auf das Leben und die Dankbarkeit. Alles in allem eine denkwürdige und unvergessliche Performance.

YOB

YOB | (c) Jens Broxtermann

Nach YOB und 8 Stunden Livemusik im Doornroosje hatten es die nachfolgenden Bands natürlich etwas schwerer, noch sämtliche Zuschauer für ihre Shows gewinnen zu können, doch auch bei den Kölner Black Metallern von Ultha war der Saal noch voll gefüllt.

Bei Heads. aus Berlin, die nach Ultha dann im großen Saal auf die Bühne mussten, waren die Zuschauerreihen dann schon merklich ausgedünnt. Eigentlich schade, denn gerade ihr eigenständiger Mix aus Post-Punk, Noise und Sludge war eigentlich wunderschön im Kontrast zu allen vorher auftretenden Bands zu genießen.

Heads.

Heads. | (c) Jens Broxtermann

Als krönenden Abschluss des diesjährigen Soulcrusher standen Dragged Into Sunlight aus dem Vereinigten Königreich auf dem Programm. Wer sich bisher noch nicht mit der Band beschäftigt hat, sollte dieses dringend nachholen. Eine unglaublich intensive, harte und bedrohliche Show, mit gequältem Gesang und einer wahnsinnigen Mischung aus Death-, Black- und Sludge- und Doom- Elementen. Die Bühne gleicht einem Altar, zumeist in dämmerlichem Rot getränkt, mit Stroboskop durchsetzt und einem großen Kerzenständer ausgestattet, hinter dem der Sänger sich in Qualen verausgabt. Die Musiker spielen allesamt mit dem Rücken zum Publikum, Anonymität gehört zum Konzept der Band. Die Musik von Dragged Into Sunlight gehört sicherlich zum schwerverdaulichsten, dass das Genre zu bieten hat, doch lässt man sich gerade live auf ihre intensive Darbietung ein, klebt man mit Augen und Ohren an ihrer Show. Einen besseres Ende hätten die Organisatoren für diese Ausgabe des Soulcrusher nicht finden können.

Dragged Into Sunlight

Dragged Into Sunlight | (c) Jens Broxtermann

Die vierte Ausgabe des Soulcrusher Festivals findet am 05.10.2019 statt. Don’t miss it!

Titelbild: Deafheaven | (c) Jens Broxtermann

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Über den Autor: Jens Broxtermann

"Most of it is crap. In all forms of music. Find the little diamonds here and there in a bunch of shit. That’s how it happens. To me. And that’s how it’s always been. I never thought that there’s a golden era of any type of music. There are just as many crappy bands 30 or 40 years ago as are now." (Buzz Osbourne, (the) Melvins)

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