Phaebel – Basis

Phaebel – Basis

Ich gehöre zu den Menschen, bei denen der Begriff Post-Rock sofort zu negativen Assoziationen führt.

Vö: 01.02.2019 Fuchsklang Musik iTunes CD kaufen

Zwar gehörte Post-Rock definitiv mit zu meiner musikalischen „Sozialisation“, die Flut der Veröffentlichungen der letzten Jahre führten aber dazu, dass ich diesem Genre rein gar nichts mehr abgewinnen konnte. In dieser speziellen Sparte der Rockmusik wurde eindeutig zu viel auf bekannte Trademarks gesetzt (Delay- und Hall auf den Gitarren), und dabei wurden die innovativen Momente komplett vergessen. Die nahezu unzähligen Bands kopierten einfach voneinander und hörten sich dadurch fast alle irgendwie gleich an. Innovation hört man im Post-Rock schon länger nicht mehr und nur vereinzelte Veröffentlichungen können aus der Masse hervorstechen. Doch dann hörte ich von Phaebel.

Phaebel sind ein Duo aus Deutschland und ihnen gelingt es auf geschickte Art und Weise dem fast sterbendem Post-Rock neues Leben einzuhauchen.

Dabei fügen sie dem typischen Post-Rock Trademarks einfach einen elektronischen Unterbau hinzu, und der hat es in sich. Hier sind die fetten Beats und Sounds, die alle Fans der elektronischen Musik so lieben. Hier grooved der Beat mit dem synthetischen Bassläufen so dermaßen, dass man nicht von einer Eigenproduktion ausgehen kann. Das hier klingt mehr nach Hollywood als deutscher Provinz. Produktionstechnisch brauchen sich Phaebel jedenfalls nicht vor den großen Namen der elektronischen Musik verstecken. Wie ein Sahnehäubchen werden die Tracks dann teilweise mit verträumten Post-Rock Gitarrenläufen und an einigen Stellen auch Gesang verziert. Die Gitarren wirken dabei recht dominant wo hingegen der Gesang wie aus einer entfernten Welt zu kommen scheint.

Eröffnet wird das Album mit dem passenderweise betitelten „Intro“. Eine Gitarrenmelodie die Explosions In The Sky nicht besser hätten kreieren können leitet das Album melancholisch ein bevor ein Synthesizer sägende Sounds hinzufügt. Der Song scheint auf irgendetwas zu warten – eine leichte Steigerung erfolgt zwar, doch der Höhepunkt bleibt aus, bevor der erste Track langsam in den zweiten übergeht.

Dieser heisst „Studio“ und dürfte dem einen oder anderen schon in der Live-Version die Schuhe ausgezogen haben (PiN berichtete). Massiv bauen sich Synthesizer Bass und Post-Rock Gitarren auf, bevor der Gesang einsetzt. Das ganze klingt dermaßen gut und hitverdächtig, dass mir fast die Worte fehlen. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mit meiner oben angesprochenen Abneigung gegenüber dem Wort Post-Rock nochmal so begeistert über eben dieses Post-Rock Ding sprechen würde.

Die Innovation die ich immer vermisst habe – hier findet sie statt.

Synthetische Beats aus der Konserve gemischt mit echtem Schlagzeug und diese Gitarre, die klanglich mehr Weite hat als die Wüste Gobi. Das folgende „167“ ist der Uptempo Hit, den man sich in der Indie-Disco wünscht. Weit entfernter, mit Hall überladener Gesang und wunderschöne Soundflächen die eindeutig aus dem Ambient stammen. Dazu diese wiederkehrende Gitarrenfigur die so auch auf einem Interpol Album zu finden sein könnte.

„Aue“ beginnt düster und zäh, wie ein langsamer Strom aus Lava der sich nur langsam seinen Weg bahnt. Dann plötzlich denkt man, The Edge von U2 hätte ein Soloalbum aufgenommen – die in sich verwobene Gitarrenmelodie ist einfach nur gut. Anschließend mutiert der Song zu einem wahren Dancefloor Hit und man fragt sich ernsthaft, wie in so kurzer Zeit musikalisch nur so viel passieren konnte.

Der schöne Song „Berliner Luft“ ist dermaßen entspannt, dass ich mir förmlich vorstellen kann wie der Track in einer angesagten Berliner Cocktail Bar im Hintergrund läuft. Chill-out und Ambient haben die beiden Herren von Phaebel offenbar auch inhaliert. „Halle 3.1“ ist mit seinen druckvollen Sounds ein wahrer Ohrwurm der mein Herz höher schlagen lässt. „Og“ ist der Beweis, dass gute und innovative elektronische Musik durchaus aus Deutschland stammen kann. Das lawinenartige „Outro“ überfährt einen dann zum Schluss vollständig und man bleibt aufgrund der Soundästhetik und des ausgefeilten Songwritings mit offenem Mund geplättet vor der heimischen Stereoanlage liegen.

Unglaublich hochwertige Musik! Als Bonus gibt es noch zwei Remixe die das Gesamtpaket abrunden.

Ich habe in meinem Leben schon viel Musik konsumiert aber selten habe ich so lange ein Album gehört um es zu verstehen. Auf „Basis“ passiert in etwas mehr als einer Stunde mehr, als so manche Post-Rock Band in ihrer gesamten „Karriere“ geleistet hat. Das hier klingt nach Zukunft und nach Aufbruch. Ich hoffe das werden noch andere Menschen so sehen. Für mich ist dieses Meisterwerk der erste heiße Anwärter auf das Album des Jahres 2019. Glaubt mir oder lasst es sein. Kaufen. Punkt.

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Von Veröffentlicht am: 29.12.2018Zuletzt bearbeitet: 10.09.2019769 WörterLesedauer 3,8 MinAnsichten: 756Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , 0 Kommentare on Phaebel – Basis
Von |Veröffentlicht am: 29.12.2018|Zuletzt bearbeitet: 10.09.2019|769 Wörter|Lesedauer 3,8 Min|Ansichten: 756|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: , |0 Kommentare on Phaebel – Basis|

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Über den Autor: Jan Platek

Geboren 1976 Vater, Vinyl-Sammler und Musiker

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