Pettersson – Rift and seam

Pettersson – Rift and seam

PETTERSSON, drei junge Herren aus Wien, die vor ziemlich genau zwei Jahren begonnen haben, gemeinsam Musik zu machen, haben ihre erste Platte „Rift and seam“ veröffentlicht.

Musikalisch durchaus im Screamo- und Post-Hardcore-Sound vergangener und neuerer Tage verwurzelt, gelingt es PETTERSSON, ein unglaublich frisch und eigenständig klingendes Album abzuliefern, welches vor allem durch seine Vielseitigkeit und kleine Überraschungsmomente besticht und überzeugt.

Bereits vom ersten Song „Ben“ an begeistern PETTERSSON mit Strukturen in einem Spannungsbereich zwischen bedächtigem Aufbau, unruhiger Anspannung und emotionalem Ausbrechen. Mein Körper wird von Beginn an überfallen von nervösem Hin-und-Hergezappel, bis zu dem Moment, in dem alles aus mir herauszubrechen scheint. Stillstand oder Bewegungslosigkeit sind keine Option mehr – ich will mitschreien und rumspringen.

Mit einem hohen Maß an Intensität und Hingabe spielen sich PETTERSSON in mein Herz, um es mir mit ihrer Melancholie direkt wieder herauszureissen. Song Nummer 2 „Infirm“ gibt den HörerInnen einen Moment, um sich zu akklimatisieren, bevor mit halb geschrienen, halb gesprochenen Vocals der nächste Screamo-Exzess im Wechselgesang angekündigt wird.

Don’t mourn the dead – mourn the ones who live without love

Nach diesem Durcheinander fängt sich der Song im Mittelteil durch dynamische Post-Rock-Elemente, bevor er nach drei Minuten scheinbar zum Stillstand kommt. Bei dem darauf folgenden Innehalten, wird die hintergründig vernehmbare Stimme nur minimal instrumentiert und es wird das Folgende sehr berührende Szenario dargestellt, bevor man im gemeinsamen Choral und dem finalen Gitarrengewitter zu ertrinken scheint.

a man asks his son

do you know how to swim?
you put on your vest
and you hold on tight
and you never let go

Wer jetzt noch immer kein ernsthaftes Gefühl entwickeln kann, dem ist nicht mehr zu helfen.

Musikalisch und thematisch zeichnen PETTERSSON auf den acht Songs von „Rift and seam“ ein Bild zwischen Schwermut und Verzweiflung, welches inhaltlich wesentlich vom Thema des Ertrinkens geprägt zu sein scheint. Vor allem der stete Wechsel zwischen feinen und eingängigen Melodien, den flirrenden Post-Rock-Gitarren sowie scheinbar alles hernieder walzenden Soundwänden sorgt dabei für dauerhaft hohe Spannung beim Rezipienten. Und es erwischt einen immer genau dann sehr emotional, wenn sich die Stimme erhebt und scheinbar sanft aus dem Hintergrund erzählt und die Nerven beruhigt, für Gänsehautmomente sorgt oder wenn das Geschrei durch unwetterartige Drang-Passagen und das damit einhergehende Durcheinander leitet wie in „White Birch“.

Nach dem wunderschönen „interlude“ inklusive spoken word und kurzem Innehalten am Ende der A-Seite, startet man auf Seite 2 mit „Spiro, spero“ sogleich in die Vollen. Während der Beginn von „All is lost“ die Ruhe vor der Katastrophe beschreiben könnte.

Zum Abschluss wird auf „Kalk“ nochmal alles rausgeholt, wozu Instrument und Mensch fähig sind. Ganz ohne Stimme baut sich der Song langsam auf, wird von sphärischen Flächen getragen, bevor man sich nach etwa drei Minuten in einem Gitarrengewitter wiederfindet, welches zum Ende völlig die Kontrolle verloren zu haben scheint. Alles überschlägt sich – und so soll es sein – der Zusammenbruch ist gewollt, bevor PETTERSSON auf den letzten Momenten ihre sanfteren Töne wiederfinden und das Album mit einem weiteren Höhepunkt zu Ende geht.

PETTERSSON transportieren Emotionen zwischen Traurigkeit, nervöser Unruhe, einer endlosen Verzweiflung und dem scheinbar unvermeidlichen Kollaps. Einerseits die Suche nach der rettenden Hand und andererseits der fast schambehaftet, hoffnungsvoll anmutendem Blick auf das Leben.

Mit diesem Album liefern PETTERSSON – mit dynamischer Präzision und der perfekten Mischung aus melancholischen Melodien und brachialer Endzeitstimmung – die Screamo-Platte des Jahres ab. In einer Spielform vortragen, die sehr stark durch Post-Rock-Elemente geprägt ist, werden FreundInnen von Funeral Diner, Suis La Lune oder Viva Belgrado voll auf ihre Kosten kommen und dennoch immer wieder aufs Neue überrascht und letztendlich gefangen.

Das Album gibt es – ganz klassisch auf schwarzem oder transparentem Vinyl – direkt bei der Band oder bei einem der beteiligten Labels (miss the stars, time as a color, my name is jonas u.a.). Aufgenommen, gemixt und gemastert wurde übrigens in der großartigen TONMEISTEREI in Oldenburg.

Passend zur Veröffentlichung von „Rift and seam“ sind PETTERSSON im November für eine gute Woche mit ihren Emo-Punk-Buddies von HAUSMEISTER aus Graz unterwegs.

Zum Abschluss ihrer Tour wird am 12.11.2016 im Leipziger Atari zum kollektiven Kopfschütteln eingeladen. Mit dabei Leipzigs neue Supergroup VOYTA, um ex-Zann/ex-Malve Mitglieder. Wir sehen uns dort!

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Von Veröffentlicht am: 31.10.2016Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018720 WörterLesedauer 3,6 MinAnsichten: 904Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Pettersson – Rift and seam
Von |Veröffentlicht am: 31.10.2016|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|720 Wörter|Lesedauer 3,6 Min|Ansichten: 904|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on Pettersson – Rift and seam|

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Über den Autor: Robert Schmidt

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