Jason Molina – Eight Gates

Jason Molina – Eight Gates

Mit Vogel-Gezwitscher begrüßt und verabschiedet Jason Molina die Hörer:innen auf dem ersten Song Whispered Away des postum erschienenen Albums Eight Gates, dass einen ungeschönten und rohen Einblick in das komplizierte Seelenleben des 2013 an den Folgen seines Alkoholismus verstorbenen Musikers gibt.

Vor zwölf Jahren entstanden die rudimentären und auch nur bruchhaften Aufnahmen zu den 9 Songs in London, wohin sich Jason Molina zum Schreiben ohne seine Band-Kollegen von Magnolia Electric Co. nach Ende einer experimentellen Solo-Tour durch Europa, in deren Verlauf er angeblich an einem Spinnenbiss erkrankte, was einen langen Krankenhausaufenthalt nach sich zog – beides konnte nie belegt werden – zurückgezogen hatte.

In dieser selbst gewählten Isolation vertiefte sich Molina in die historischen Fakten der Geschichte Londons und erfand solche, dort wo er keine verfügbar hatte, um seine musikalischen Erzählungen auszuschmücken. So auch die Fakten zu dem achten Stadt-Tor Londons (denn eigentlich gibt es nur sieben). Er war der Meinung das dieses achte Stadt-Tor nur im Geiste durchschritten werden könne. Eight Gates ist die musikalische Inkarnation des achten Tores: mythisch, fantasievoll, nur im Geiste passierbar, von Jason Molina für sich selbst gebaut aber nun glücklicherweise mit uns geteilt.

Wer diese Parameter für das Album akzeptiert, der wird seine Freude an den sehr dunkelgrauen Liedern haben, in denen Molina – meist nur mit Gitarre und Gesang – traurige Fantasien vorträgt.

Die Songs, die sich auf dem Album versammeln, wirken einerseits wie ein Spagat zwischen den Solo-Stücken von Jason Molina andererseits aber auch wie eine Anleihe an Nick Caves Alben Murder Ballads und The Boatman’s Call, die in etwa 10 Jahre vorher ebenfalls in London ausgenommen worden sind. Schwarz-graue Poesie, roh, traurig und herzzerreißend.

Weitaus flotter und musikalisch ausgefüllter als der Opener, kommt der zweite Song des Albums, Shadow Answers the Wall, mit Bass, Drums und Orgel daher. Fast schon eine Bandaufnahme analog zu den Magnolia Electric Co.-Produktionen. In der Rückschau auf das Album ist dies der fröhlichste und eingängigste Song. Zum Schluss des Songs zwitschern auch hier die Vögel.

The Mission’s End ist ein traurig-schöner Akustik-Song mit Gitarre, in dem Jason Molina die Präsenz seines Tenor-Gesangs zur Geltung bringen kann. Auch wenn das sicherlich nicht sein Fokus war, ist dieser kurze Song ein Beispiel für seine Gesangskunst, der genauso wie der ebenfalls kurze und akustische Song Old Worry, bei dem der Gesang noch von einem Cello begleitet wird, so dass beide Songs wie grobe Field Recordings wirken. Natürlich zwitschern auch hier die Vögel.

Der zentrale Song She says beginnt mit einem Dialog zwischen Jason Molina und dem Tontechniker, in dem Molina erklärt: „The perfect take is just as long as the person singing is still alive“. Molina an der Gitarre, der vom Schmerz der Welt erzählt und diesen auf die Zweierbeziehung überträgt.

Als fragmentierten rohen und akustischen Country-Song könnte man Fire on the rail bezeichnen, den hier ist Jason Molina weit weg von London, wenn er von der Wüste und der Prairie singt. Sehnsuchts-Gesänge, die stark an seine Solo-Songs zwischen Songs:Ohia und Magnolia Electric Co. erinnern, genauso wie der folgende Song Be told the truth, der zudem von E-Gitarre und Orgel begleitet wird.

Bei Thistle Blue sind die zwitschernden Vögel – angeblich von Jason Molina selbst mit einem Tonband im Innenhof seines Wohnhauses in London aufgenommen – am Anfang und Ende wieder da und der Song beginnt deutlich instrumentierter, bleibt aber auch im Moll. Auch hier erkennt man, dass Molina sensible Antennen für Stimmungen hat und seine Sensibilität ins Songwriting herüberretten kann.  

Der finale und sehr kurze Doppel-Song ist The Crossroad + The Emptiness und beginnt mit einem Dialog Molinas mit seinen Mit-Musikern. Der Song ist wieder eine rohe einsame Western-Parodie, die von der Sehnsucht nach Einsamkeit und Ferne erzählt. Karg instrumentiert und mit der Präsenz der außergewöhnlichen Stimme, die Jason Molina bekannt gemacht hat.

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Von Veröffentlicht am: 16.08.2020Zuletzt bearbeitet: 16.08.2020667 WörterLesedauer 3,3 MinAnsichten: 745Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Jason Molina – Eight Gates
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Über den Autor: Richard Kilian

"Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik" Wer mit Stephen King, Charles Bukowski, Andrew Vachss und Elmore Leonard sowie Marillion, Cigarettes after Sex, Motorpsycho, The Jayhawks, Sufjan Stevens, Rush und God is an Astronaut etwas anzufangen weiß, der ist bei mir richtig.

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