Iceage – Beyondless

Iceage – Beyondless

Die Band aus Kopenhagen ist den undenkbaren Schritt gegangen und übertrifft sich mit ihrem vierten Album nochmals selbst. Am 04.05. erscheint ihr Longplayer „Beyondless“ auf Matador Records, gepresst in schwarzes Vinyl mit Textbooklet und auf CD.

LP kaufen iTunes Vö: 04.05.2018 Matador

Die Gruppe Iceage rund um Elias Bender Rønnenfelt hat stilistisch bisher auf allen Veröffentlichungen einen mehr oder weniger neuen Weg eingeschlagen. Erinnern wir uns an das Debutalbum der damals nicht mal 20-jährigen Jungs welches vor wütendem, düsteren Postpunk nur so strotze, so ist angekommen im Jahr 2018 nicht mehr allzu viel übrig von dem, was die Presse reizte über die junge Band aus Dänemark zu berichten und sie in höchsten Tönen zu loben. Der Weg zum maßgeblichen Stilwechsel wurde allem Anschein nach begleitet von einigen Platten auf denen Nick Cave zu hören war, die Art und Weise des Mark E. Smith Texte zu verfassen und darzubieten und die Coolness des Gun Clubs spielten allerdings mit großer Sicherheit auch eine tragende Rolle und so erschien 2014 das Album „Plowing Into The Fields Of Love“. Erwartungen wurden übertroffen, ein solches Album hätte wohl niemand dieser chaotischen Band zugetraut, die in Interviews schüchtern wirkte, bei Konzerten nicht immer zusammen spielte und zuvor auch nicht den leisesten Anschein machte Bläser, Streicher oder Tasteninstrumente in ihre Stücke einzubauen. Johan Wieth klingt an seiner Gitarre so, als ob er sich monatelang in einem Zimmer eingeschlossen hätte um genau diese Riffs zu schreiben, die das vierte Album so anders klingen lassen. Melancholisch, verträumt, andererseits auch noch immer angeekelt und erzürnt kommen die Songs daher, über diese Elias mit seiner Stimme eine selten da gewesene Melange aus gebrüllten, gegrunzten, gehauchten und perfekt gesungenen Wörtern legt und damit beweist, dass er inzwischen restlos zu seiner Stimme gefunden hat.

Ganze vier Jahre wurden wir auf die Folter gespannt bis nun endlich das neue Album „Beyondless“ kurz vor der Veröffentlichung steht. In dieser Zeit wurden vereinzelt Konzerte gespielt, Rønnenfelt veröffentlichte ein geniales Album mit seinem, inzwischen zur Band angewachsenen, Soloprojekt „Marching Church“ und ging auf Tour. Plötzlich ging alles doch relativ schnell. Innerhalb kürzester Zeit wurden gängige Musikportale damit überhäuft: Iceage veröffentlichen bald ihr neues Album! Wie dieses klingen wird, das konnte tatsächlich niemand zu diesem Zeitpunkt einschätzen oder gar mutmaßen, denken wir an die eigene Neuinterpretation und die musikalisch angekündigte Metamorphose der Jungs, die inzwischen erwachsener klingen als sie es sind.

Der erste Vorbote „Catch It“ schleppt über drei Minuten vor sich hin, sehnsüchtig wird gebettelt „come make me real, you reel in then you catch it“ und bricht plötzlich in ein noisiges Inferno aus, welches so aus den Hochzeiten von „Grinderman“ bekannt zu sein scheint, nur um nach kürzester Zeit wieder die Melodie der Sehnsucht einzuschlagen und dem Gesang wieder den Platz einzuräumen der ihm gebührt. Dicht gefolgt wurde die zweite Auskopplung „Painkiller“ veröffentlicht, auf welchem sich die amerikanische Sängerin „Sky Ferreira“ ein stimmliches Duett mit Elias abliefert. Ein etwas unkonventionell formulierte Liebeserklärung an einen Menschen, welche in der Strophe nach einem 60s-Nothern Soul Klassiker klingt um kurz darauf von einem der besten Post Punk Riffs gebrochen zu werden, welches in den letzten Jahren aufgenommen wurde, auch hier sollte das Gitarrenspiel von Wieth wieder hervorgehoben werden, welcher gemeinsam mit Jakob Tvilling Pless am Bass Riffs perfekt abgestimmt spielt ohne Muckerhaft zu klingen.

Eine Tatsache die mich eigentlich stört ist die Veröffentlichung mehrerer Titel vor der eigentlichen Veröffentlichung des Album, so Anfangs auch bei den insgesamt vier Auskopplung von „Beyondless“. Das Stück „Take It All“ erklingt zum ersten Mal aus meinen Boxen und mein Ärger über den bereits dritten Vorboten verschwindet in Sekundenschnelle. Iceage laufen zu Höchstformen auf, gewachsen um die Sektion der Streicher und Bläser als anscheinend feste Bandmitglieder. Hingebungsvoll heißt es „If you want it, you can have it, if you want to reap me, take it all away“, begleitet von nahezu hypnotisierenden Klängen, die von Dan Kjær Nielsen an den Drums in einer verträumten Abwandlung eines klassischen Marschrhythmusses begleitet wird. „And everyone’s a criminal, everyone’s a criminal, every single last one of you is a criminal. ‘cause the world is a crime“, es wird klar, dass es die musikalische Aggression und Nähe zum Hardcore Punk nicht unbedingt braucht, sondern ganz im Gegenteil, die Unmut kann auch in ruhigeren Tönen dargeboten werden, welche den Gesang von Rønnenfelt in noch unegahntere Höhen treibt.

Als letzte Single wurde „The Day That Music Dies“ herausgebracht, welcher abermals in eine andere Richtung geht als die ersten drei Vorboten. Stilistisch könnte dem Stück eine ganz entfernte Verwandtschaft mit dem Titel „American Pie“ unterstellt werden, aus welchem eine Zeile bekannt sein sollte die dem Songtitel von Iceage sehr ähnlich ist. Allerdings würde es den Kopenhagener leichter fallen uns damit zu überzeugen, wenn sie behaupten würden „I saw satan laughing with delight, on the day that music died“, denn in einer passenden Stimmung kommt einer der wenigen unter vier minütigen Songs daher, leicht bedrohlich mit stoisch klingelnden, Dissonanten Klaviertönen bedrückt er die Hörenden sofort.

Selten konnte soviel Online Präsenz der Band vernommen werden wie zur Veröffentlichung ihres vierten Werkes, so stellten sie in dem berühmten Format „Juan’s Basement“ (Pitchfork) weitere Songs vor, welche auf „Beyondless“ zu hören sind. Ab diesem Zeitpunkt war es klar, dass am 4. Mai das beste Album des Jahres 2018 erscheinen wird. Alleine der Opener mit dem ironischen Titel „Hurrah“ strotzt nur so vor Kraft und bringt den Kopf in eine unaufhörliche Nickstarre, ein solches Meisterwerk hätte ich trotz der Live-Session nicht erwartet. Selbst der Song „Thieves“, welcher in gewisser Art und Weise an  den Hillbilly Flair von „The Lord’s Favourite“ erinnert und in Juan’s Keller am wenigsten überzeugte, ist ein totaler Ohrwurm und klingt durch die choruslastige Twanggitarren authentisch und trotzdem innovativ und frisch.

„Under The Sun“ ist der einzige Song welcher auch bei den Sessions zum ebenfalls grandiosen Vorgänger „Plowing Into The Fields Of Love“ hätte entstehen können, bei „Pleade The Fifth“ kommt Elias ohne Gegrunze und Geschrei aus und singt ungeahnt klar über einen fast schon vom Britpop angehauchten Song. Durch einige Stücke zieht sich selbstverständlich die Handschrift des Nebenprojekts „Marching Church“, vor allem hat die Nebenbeschäftigung aber Spuren bei den Aufnahmen, dem Mix und dem Master hinterlassen. Alles wurde komplett analog von der Band selbst und Nis Bysted produziert, welcher auch schon bei vorherigen Produktionen von Iceage, Marching Church, Lower oder Var beteiligt war und allem Anschein nach gemeinsam mit der Band von Album zu Album wächst. Wie schon erwähnt, ist die Band um einige Personen (mehr oder weniger) gewachsen, neben Iceage sind auf „Beyondless“ Nils Gröndhal (Violine), Kasper Tranberg (Trompete), Lars Greve (Saxophone) und Morten Jesse (Posaune) zu hören. Wer und ob jetzt fester Teil des bisherigen Quartetts wird, zeigt die anstehende Tour zum Release.

Iceage schaffen es auf „Beyondless“ ihren Mix aus Wut, Melancholie, Coolness und Bedrücktheit noch weiter zu perfektionieren und legen ein Album vor, was rückblickend und aktuell ganz weit vorne eingestuft werden muss. Das ausgeklügelte Songwriting überrascht auf voller Länge, kein einziger Song animiert zum skippen, die analoge Produktion tut dem Endprodukt mehr als gut, die zusätzliche Instrumentierung war eine logische Weiterführung, überrascht durch gekonnten Einsatz trotz allem immer wieder. Ich bin für 2018 bedient, etwas besseres wurde und wird dieses Jahr nicht mehr veröffentlicht.

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Von Veröffentlicht am: 03.05.2018Zuletzt bearbeitet: 02.12.20181277 WörterLesedauer 6,4 MinAnsichten: 847Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Iceage – Beyondless
Von |Veröffentlicht am: 03.05.2018|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|1277 Wörter|Lesedauer 6,4 Min|Ansichten: 847|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on Iceage – Beyondless|

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Über den Autor: Alexander Koch

Alexander Koch tippt aus Hobby. Auf die Frage welche Musik er gerne hört, kann und will er nicht mit einem einzigen Genre antworten. Selbst Mitglied in mehreren Bands und einer Konzertgruppe, die seit 2013 Bands wie Motorama, Drangsal, Die Nerven, Isolation Berlin oder auch Gurr nach Saarbrücken einlädt.

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