Forkupines – Here, Away From

Forkupines – Here, Away From

All killer, no filler – Unverschämt eingängiges, durchdachtes Emo-Punkalbum ohne Längen oder Kompromisse.

LP kaufen Vö: 29.09.2017 Midsummer Records

In der letzten Zeit landen echt wieder vermehrt Alben auf meinem Tisch, die das Kürzel „Emo“ in der Genrebeschreibung haben. Die allermeisten bedienen sich mit vollen Händen bei Klassikeralben des Genres und produzieren nervige Kopien, einige machen solide Rockmusik, wenige gehen mit Kreationsfreude, Innovation und echtem Herzblut zu Werke. Die Forkupines aus Braunschweig machen ihrer eigenen Beschreibung nach Post-Punk mit einer Affinität zu Emo, Pop und Hardcore und gehören glücklicherweise zu den letzteren. Ich gehe sogar soweit, dass ich der Ansicht bin, dass wir hier eines der besten, neueren Alben dieser Spielart(en) vorliegen haben und kann versichern, dass ihm ein Platz in meinen persönlichen Jahrescharts sicher ist.

Allein das Riff von „A Perfect Match“, dem Opener von „Here, Away From“ steckt voller Harmonien und geht sofort in Ohren, Mark und Bein. Die Gitarren kommen fett, zwischenzeitlich mal mit jazzige Ansätzen, die Stimme ist angenehm, wir gelegentlich gedoppelt, was auch sehr gut ankommt. Der Pop-Punk-Chorus macht unmissverständlich klar, dass die Band weiß, wie man ordentliche Melodien entwirft. Die Produktion des Albums ist übrigens auch höchst vorbildlich, da hier nicht unnötig beschönigt oder glattgebügelt wird. Der Sound wirkt dadurch echt und authentisch. „Crows“ hat mit seinem treibendem Drumbeat direkt auf die 12 und klingt nach klassischem Emocore. Das Ganze nimmt immer mehr Fahrt auf, kratzt damit schon hart an der Grenze zum Melodycore, mehrere Stopps und die durchdachten Arrangements lassen die Stimmung trotz melancholischer Note direkt steigen. Neben den knackigen Drums ist es vor allem die Gitarre mit ihren massenhaften rhythmischen Fills und Tempiwechseln, die offenbar nicht immer weiß, wohin sie mit ihrer Energie soll. Dazu gibt es superharmonischen, doppelstimmigen Gesang, der im Mittelteil erst richtig fett wird. Das vertrackt-energetische „Put Me Through“ erinnert an die Glanzstunden von Billy Talent, zumindest was die geilen Riffharmonien am Anfang angeht. Wir gehen irgendwann zu Emocore á la Samiam über, die Gitarren sind dabei merklich tiefer gestimmt. Im absolut epischen Chorus bricht es aus dem Sänger heraus und er verfällt in derbes Geschrei, das hier wie eine echte Erlösung und zudem wie die logische Konsequenz aus allem wirkt.

Bei „The Good Fight“ wird dem Gesang etwas mehr Raum zur Entfaltung gegeben, während die Instrumente im Hintergrund weiter knottern. Es regnet Melodien, immer wieder eingeworfene Stopps und ein fetter, doppelstimmiger Stakkatoteil erinnern mehr an Kalifornien in den Neunzigern, als an Braunschweig im Hier und Jetzt. Obwohl „Everything I’ve Become“ eher harmlos beginnt, bricht ein supertiefes, schweres Riff ins die Szenerie und stoppt plötzlich völlig unvermittelt, holt kurz Luft und wandelt sich zum komplexen, mathigen Rockriff. Der Chorus ist, wie es wohl kaum anders zu erwarten war, fett und catchy. Richtig emotional wird es bei „One By One“, mit erstmals unverzerrten Gitarren und durchaus emotionalen Lyrics. Am Ende wird ordentlich gebrüllt, was dem Song an dieser Stell ganz hervorragend zu Gesicht steht. An „By The Sea“ werden sich die Forkupines ewig messen müssen, das Ding ist ein Hit! (sagt man das heute noch? Egal.) Ein Drumintro, eine Gitarre die sich vorsichtig einmischt, ein Ohrwurmriff und ein Chorus, der die Liste der grandiosesten Musikmomente des Jahres spielend anführt. Das Stück strotzt vor Dynamik und glänzt zusätzlich durch Tempiwechsel und weibliche Gastvocals. Das melancholische „Crosses, Gates and Debt“ holt uns wieder etwas runter und bringt etwas mehr Dramatik mit ins Spiel. Ständiges auf und ab, angenehm quälende Dissonanz und (natürlich) wieder ein absoluter Knallerchorus, der den anderen in nichts nachsteht. „Wishful Drinking“ ist nicht nur ein smartes Wortspiel, sondern auch ein geiler Punksong. Die Stimmung ist bittersüß, die Melodien gewohnt pappig und müsste ich ein Referenzbeispiel nennen, wäre das auf jeden Fall Jimmy Eat World. „Paper Towns“ bedient sich etwas weniger Zerre, das Riff ist nicht ganz unkompliziert, es wird hier kurzzeitig poppig. Schon cool, wird aber immer im Schatten vom Abschlusshighlight „Stay The Night“ stehen. Ist das vielleicht die Ballade auf die wir schon die ganze Zeit gewartet haben? Ja, irgendwie schon… Es bleibt eine ganze Weile fühlig und unaufgeregt, bis es letztendlich doch noch kracht! Natürlich unter Verwendung herrlicher Melodien und geiler Riffs. Und es wird zum Glück auch noch mal anständig gebrüllt. Wow! Das Outro klingt wie ein Darkthrone-Demo aus den späten 80er, soll heißen, nach infernalischem Krach. Nun, warum auch nicht?

Auch der Tonträger selbst ist übrigens auch von hervorragender Qualität. Da haben sich die Leute bei Midsummer Records wieder mal ins Zeug gelegt.

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Von Veröffentlicht am: 22.10.2017Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018778 WörterLesedauer 3,9 MinAnsichten: 897Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Forkupines – Here, Away From
Von |Veröffentlicht am: 22.10.2017|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|778 Wörter|Lesedauer 3,9 Min|Ansichten: 897|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on Forkupines – Here, Away From|

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Über den Autor: Steffen Eggert

Ich bin 37, verheiratet, habe zwei Töchter, lebe in Bayern und bin im echten Leben Sozialpädagoge. Meine musikalischen Wurzeln liegen grundsätzlich im Bereich Indie, Punk und im klassischen Heavy Metal, bin aber eigentlich offen für alles, solange es gut gemacht ist...

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