Das war 2018 – Rückblick der Autoren: Carsten Henkelmann
2018 war musikalisch durchaus ein spannendes Jahr. Ich habe jedenfalls viel entdeckt und in meine Sammlung aufgenommen.
Der anhaltende Retro-Old-School-Trend im Metal-Bereich geht mir allerdings immer noch auf den Keks und mit Ghost kann ich nach wie vor nichts anfangen. Aber genug der Lästerei, hier meine Top-2018, allerdings in keiner bestimmten Reihenfolge, sondern so hintereinander weg, wie es mir gerade einfiel. Viel Spaß!
Rivers of Nihil – Where Owls Know My Name
Als Death Metal Fan brauchte man sich 2018 nicht unbedingt beschweren. Neue Scheiben von OBSCURA, HATE ETERNAL usw. sorgten für ordentlichen Nachschub im komplexeren Bereich dieses Genres. Für mich war ein erstes Highlight aber das dritte Album von RIVERS OF NIHIL, mit dem eher mysteriösen Titel “Where Owls Know My Name”. Im Gegensatz zu den gerade genannten Bands sind sie einen Hauch straighter und mit einer schön trockenen Produktion am Start, würzen aber ihren Todesmetall mit allerlei Finessen. So kommt auch schon mal ein Saxophon zum Einsatz und man scheint in Sachen Songwriting hier und da von “erwachsen gewordenen” Bands der Djent-Szene inspiriert zu sein. Ein rundum gelungenes Album, das bei mir echt wochenlang rauf und runter lief. Und schaut euch unbedingt das durchgeknallte Video zum Titeltrack der Scheibe an!
Hollywood Burns – Invaders
HOLLYWOOD BURNS gehört eher zur zweiten Welle der Synthwave-Bewegung, nachdem Acts wie PERTUBATOR, DAN TERMINUS und GHOST den Weg für diesen Sound geebnet haben. Nach der “First Contact” EP von 2016 stellt “Invaders” das offizielle Debüt dar – und was für eins! Von der EP wurden zwei Stücke übernommen und soundtechnisch überarbeitet, der Rest sind ganz neue Kompositionen. HOLLYWOOD BURNS verneigt sich vor 80er Game Soundtracks, 70er/80er Synthie-Soundtracks Marke John Carpenter und Science Fiction Filmen der 50er/60er Jahre, ohne dabei auch nur die leiseste Spur “retro” zu klingen. Pures Nerd-aber-nicht-altbacken-Ohrenkino also, mit so viel Druck und Schmackes vorgetragen, dass man kaum still stehen kann. Wahnsinnig gut!
The Ocean – Phanerozoic I: Palaeozoic
THE OCEAN haben mich nie enttäuscht und auch mit ihrem neusten Werk Phanerozoic I: Palaeozoic machten sie wieder vieles richtig. Ruhige, fast zärtliche Passagen und ultrafette Riff-Brocken, alles kann man in ihrem Sound wiederfinden. Sie sprengen Grenzen und finden immer neue Facetten um das (Post-)Metal Genre zu bereichern. Eine immens wichtige Band, gerade aus dem deutschsprachigen Raum! Wer den Gesang nicht so mag, kann auch auf eine komplett instrumentale Version des Albums zurückgreifen.
VOLA – Applause Of A Distant Crowd
VOLA stellen sowas wie die neuen Senkrechtstarter der Prog-Metal-Szene dar, mit Wurzeln im djentigen Bereich. Im Gegensatz zu ihrem famosen Debüt “Inmazes” von 2016 sind sie auf der neuen Scheibe eine Spur poppiger geworden, was ihnen aber ungemein gut zu Gesicht steht. Belohnt wird man dafür auch mit unfassbaren Ohrwurm-Melodien (“Ghosts”, “Alien Shivers”) und auf den Putz hauen können sie nach wie vor noch (“Smartfriend”). Wer seinen Metal gerne modern und melodisch mag, ist hier an der richtigen Adresse.
Long Distance Calling – Boundless
Genug der Experimente und Gast-Sänger. Auf “Boundless” konzentrieren sich LONG DISTANCE CALLING endlich wieder zu 100% auf das, was sie am besten können: rocken, grooven, spannende Soundkaskaden bauen. Ähnlich wie der Vorgänger “Trips” überzeugt das Album auf voller Länge, gefühlt ist “Trips” vielleicht einen Tacken härter. An der Intensität und Atmosphäre der Musik ändert das aber nichts, man darf sich wieder in ihrem Sound lassen.
TesseracT – Sonder
Was PERIPHERY als mit-Initiierer des Djent-Subgenres vergeigt haben, nämlich sich von Album zu Album zu steigern und in den Prog-Metal-Olymp aufzusteigen, gelingt TESSERACT hingegen ganz heimlich still und leise. Konnte das 2015er Album “Polaris” als ganzes nicht 100%ig überzeugen, so ist “Sonder” glücklicherweise wieder eine Steigerung. Die Songs sind insgesamt wieder etwas spannender geraten und über die musikalischen Fähigkeiten braucht man nicht weiter diskutieren. Man darf gespannt sein, wie sich die Band in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln wird.
Between the Buried and Me – Automata I + II
BETWEEN THE BURIED AND ME haben eine ungemein spannende Entwicklung vollzogen. Anfangs noch mehr im Math-/Metalcore verwurzelt, klingen sie in Sachen Songwriting mittlerweile wie eine Extrem-Metal-Version von Queen. Die zumeist eher längeren Songs sind abwechslungsreich und mit vielen Ideen gespickt, die andere Kapellen nicht mal auf einem kompletten Album unterbringen können. Ob “Automata” nun auf zwei EPs hätte verteilt werden müssen, sei mal dahingestellt. Allerdings braucht man schon mehrere Durchläufe, bis man die Songs einigermaßen verinnerlicht hat und da war der Abstand zwischen den beiden Teilen durchaus hilfreich. Letzten Endes ist es aber als ein ganzes, ungemein interessantes Album zu sehen.
Rolo Tomassi – Time Will Die And Love Will Bury It
Das mir dies Album gefiel, und sogar sehr gut gefiel, ist eigentlich schon kurios, denn mit ähnlichen klingenden Bands kann ich eigentlich i.d.R. nicht viel anfangen. ROLO TOMASSI machen hier aber vieles verdammt richtig. Abwechslungsreiche Songs, die zwischen fragilen Klanglandschaften und harschen Screamo-/Mathcore-Ausbrüchen wandeln, laden zum wiederholten Hören ein. Außerdem war es eine der beeindruckendsten Live-Erlebnisse dieses Jahr für mich.
Cabal – Mark of Rot
MESHUGGAH trifft auf MORBID ANGEL? Hellyeah, da bin ich dabei! Was für ein Brett von Album. Düster, heftig, voll auf die Fresse.
Abstract Void – Back to Reality
Und nochmal Synthwave. ABSTRACT VOID erweitern das Spektrum des Genres aber mit Einflüssen aus dem Blackgaze-Bereich, was in dichten Elektro-Soundlandschaften mit Black-Metal-artigem Gesang und etwas im Hintergrund agierenden Gitarrenspuren mündet. Atmosphärisch sehr dicht und spannend.
The Algorithm – Compiler Optimization Techniques
Wer es nicht kennt, hinter THE ALGORITHM verbirgt sich der gebürtige Franzose Rémi Gallego, der seine Musik zwar komplett elektronisch entwirft, live aber von einem richtigen Schlagzeuger unterstützt wird. Und eben jener Rémi hat meine Ohren für elektronische Musik geöffnet, die vorher demgegenüber komplett verschlossen waren (außer es handelte sich evtl. mal um einen Filmsoundtrack), als ich THE ALGORITHM mal völlig unvorbereitet live gesehen habe und die Kinnlade nicht mehr hoch bekam. “Compiler Optimization Techniques” ist nach eigenen Angaben ein eher persönlicheres Album geworden, indem Rémi seine Entwicklung als Künstler verarbeitet. Im Gegensatz zu den aktuellen Synthwave-Veröffentlichungen ist THE ALGORITHM aber mehr “Metal”, sowohl in Sachen Songwriting wie auch musikalischer Umsetzung. Das Brachiale des offiziellen Debüts “Polymorphic Code” von 2012 wird nicht ganz erreicht, die Songs als solche wirken aber reifer, ausgearbeiteter.
Weitere erwähnenswerte Veröffentlichungen:
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