TRACK-BY-TRACK: Pleil – Keine Zeit

TRACK-BY-TRACK: Pleil – Keine Zeit

Die berühmten zwei Seiten der Medaille: Viele Musiker:innen kennen sie gar nicht, diese oft zitierten zwei Seiten.

Entweder man bekommt als Band oder Künstler:in schnell einen Plattenvertrag, wird gesignt, also bei einem Label unter Vertrag genommen, oder man bleibt für immer im Proberaum stecken und wurschtelt so rum, spielt einmal im Jahr auf dem örtlichen Stadtfest und macht irgendwann Musik nur noch als Hobby.

Everybody’s Darling oder Kellerband, Berufsmucker oder das ewige Talent, Marco Pleil kennt beide Seiten.

Kennengelernt haben Marco und ich uns am 5. November 2009, als unsere beiden Bands (Cloudberry, Tortuga Bar) zusammen in Frankfurt im Ponyhof spielten. Als ich damals nachmittags den noch leeren Club betrat, saß da ein Kerl an der Theke: „Hi, ich bin Marco, ich bin Sänger und Gitarrist bei Cloudberry, es freut mich sehr!‘‘ Später am Abend haben wir zusammen auf der Bühne Lemonheads-Songs gespielt, getanzt, gelacht, getrunken und wurden Freunde. Cloudberry haben mir immer sehr gut gefallen und sie waren eine Band mit Plattenvertrag, Fanbase und ganz viel Potential. Eine geile Band mit ganz vielen Hits!

Jetzt haben wir 2022 und Marco hat gerade sein zweites Solo-Album Keine Zeit veröffentlicht. Auf Deutsch. Eigentlich sollte dieses Album ja Vorwärts Gelebt, Rückwärts Verstanden heißen, und das hätte mir gut gefallen! Aber Keine Zeit passt auch.

Und jetzt gebe ich ab an meinen Freund Pleil.


TRACK-BY-TRACK

Aus dem Off: Kuriose Geschichte: Aus dem Off war einer der letzten Songs, die ich im Zyklus „Album Nr. 2“ geschrieben habe. Ging mir vom Gefühl her zu leicht und schnell von der Hand. Das Demo war nice, live sogar even better. Trotzdem dachte ich das ist eher B-Seiten-Niveau. Im Studio waren die beiden Produzenten Nicolas (Epe) und Luis (Müller-Wallraf) schon zu Anfang geflasht, und als ich Soheyl, meinem Art-Director, den Song vorgespielt habe (bei unserem Treffen auch noch als letzten der zwölf Songs), meinte er „Warum hast Du mir den erst jetzt vorgespielt, ich habe sofort Bilder im Kopf?!“. Deshalb auch die Wahl zum Album-Opener und (kommenden) Video zu genau diesem Song.

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Depressive Komödianten: Der „Test-Song“, den ich als erstes im Bear Cave Studio aufgenommen habe, um zu schauen ob die angedachte Zusammenarbeit mit Nicolas und Luis funktioniert. Mir war von vornherein klar, dass der Song eingängig ist und, Achtung: Phrasenschwein, „Single-Potential“ hat. Ich dachte mir, wenn dann mal gleich richtig! Gute Entscheidung!

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Keine Zeit: Der (spätere) Titeltrack des Albums. Ein Song, bei dem ich froh bin, jetzt endlich anständig Demos zu Hause aufnehmen zu können. Und vor allem dann den Kram auch mal einen Moment liegen zu lassen und evtl. neu zu arrangieren. Schlummert noch mit anderem Refrain, und ohne dieses ausufernde Outro, als „Schwarz“ betiteltes Demo auf meiner Festplatte. Lustig auch, dass der Track, trotz der vielen Rumprobiererei und Versionen am Ende jetzt ein Lieblingssong vieler Hörer ist!

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Das neue Kino: Hier habe ich lange am Arrangement festgehangen. Der Harmoniewechsel nach dem 2ten Refrain im „C-Teil“ (von A-Dur auf A-Moll oder umgekehrt, keine Ahnung) war ein langer Weg. Die Zeile „ein kluger Mann stirbt an der Bar“ ist einer meiner Lieblingstextstellen auf dem ganzen Album. Ein kurzer geiler Satz, der in wenigen Worten so viel sagt. Ich stehe auf sowas! Irgendwie ein Abenteuer-Song, den ich mittlerweile auch live sehr mag! Gibt dem Ganzen einen leichten Drama-Touch wie ich finde!

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Sohn des Zeus: Technisch gesehen bin ich ja kein guter Gitarrist. Klicksicher wie ein Uhrwerk, aber mein Wissen an ausgefuchsten Griffen und Akkorden ist mehr als begrenzt. Also benutze ich aus reiner Faulheit oft einen Capo. Hier auf den 2. Bund genagelt und los! Mal wieder Lust auf ein wenig Up-Tempo gehabt und losgeschrammelt. Den Drum-Loop haben wir fast 1:1 aus dem Demo und einer Smartphone-App übernommen, die ich mir zu Anfang meiner Demosessions runtergeladen und auf die Songgeschwindigkeit angepasst habe. Ich wollte unbedingt so einen Chemical Brothers-Groove haben (höre Let Forever Be). Spiele ich live sehr gerne (auch ohne Loop)!

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Der Riese: Der einzige Song auf dem Album ohne Beats und Loops. Und wohl auch der, den man offensichtlich in die „Singer-Songwriter“-Schublade (gähn!) packen kann. In diesem Fall von mir aus, aber Leute: nur weil ich alleine mit einer (E-)Gitarre auf der Bühne stehe… ach, ich bin’s einfach leid! Anyway, ich mag Tremolo als Effekt, deswegen hier mal etwas großzügiger eingesetzt. Den Text habe ich komplett um den Refrain „Das Ziel muss sein den Riesen zu besiegen“ herumgebaut. Wie so oft ein Satz, der mir aus irgendeiner Ecke meines Unterbewusstseins entgegenschrie!

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Der letzte Mensch: Es ist kein großes Geheimnis und natürlich beabsichtigt: die offensichtliche Verbeugung vor meiner Herzensband New Order und dem Umfeld Factory Records um Tony Wilson, Rob Gretton & Co aus Manchester. Damit bin ich aufgewachsen. Und wer ein klein wenig im Thema ist, erkennt auch die Stimme im Intro. Der Song an sich ist komplett auseinandergenommen (das Demo, eine von vielen Versionen, könnt Ihr als Bonus-Track der Schön Dich zu sehen-Single bei Spotify & Co. hören). Netter Song, war mir aber zu gewöhnlich. Zu der Zeit hatte ich wieder mal The Cures Mixed Up-Album auf der Playlist. Früher habe ich diese Pictures Of You-Version gehasst, mit diesem seltsam schleppenden Groove und monotonen Synthbass, den ich damals als krass unpassend empfand. Genau DAS hat aber Der letzte Mensch gebraucht! Live (und ohne Backing-Tape) natürlich nicht umsetzbar, aber ich nehme mir mittlerweile auch mal das Recht raus zu experimentieren!

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Hundkatzemaus: Einer der ersten Songs, den ich nach dem ersten Album geschrieben habe. Bisher (Stand: Juli 2022) habe ich ihn noch nie live gespielt und ich weiß auch nicht ob er funktioniert: zu viele schnelle Akkordwechsel in kurzer Zeit (Punk anyone?), ich bin live ja eh schon fordernd genug. Aber einer meiner liebsten Songs! Und einer meiner schnellsten Texte, fast in einem Rutsch runtergeschrieben, was eigentlich nie passiert. Und ich liebe den Loop: ein weiteres kurzes Sample aus meiner Smartphone-App. Als ich Nicolas das Demo gemailt habe, habe ich ihm U.N.K.L.E.s Psyence Fiction als Sound-Referenz geschickt!

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Und es brennt: In der Demo-Version ist der Song sehr akustisch gehalten, hatte da lediglich ein paar Bongo-Loops und Tamburin benutzt. Aus irgendeinem Grund meinte ich dann aber meinem Producer-Buddy Nicolas einen YouTube-Link zu Motorpsychos Mad Sun mailen zu müssen, der den Song dann so toll fand, dass er einen Beat in diesem Stil nachgebaut hat. Textlich einer der Songs, den man am ehesten als autobiografisch bezeichnen könnte, sozusagen unbewusst Teil 1 von…

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Schön Dich zu sehen: Die Noel Gallagher-Gedächtnis-Akkorde genommen und drauflosgespielt. Textlich dann quasi die Fortsetzung von Und es brennt: „Es ist schön Dich zu sehen. Da wo wir heute stehen, steht 1 Haus“. Einer der Songs, die von der Komposition und Arrangement am schnellsten fertig waren. Nicht viel über alles nachgedacht, aber intuitiv doch eine wirkliche Geschichte erzählt (bzw. fortgesetzt).

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Zimmer frei!: Bis kurz vor dem Studio ein Wackelkandidat! Ich war mir einfach nicht sicher ob der Song Album-Material ist. Ich mochte den Refrain so sehr, das Demo war auch cool und ich fühlte eine Menge Potenzial! Aber irgendwie dachte ich „rafft eh wieder keiner“. Warum ich manchmal so denke weiß ich auch nicht. Die Album-Version, so wie sie jetzt ist, wäre für mich ein absoluter Single-Kandidat, also in meiner kleinen perfekten Welt. Hier habe ICH jetzt sofort Bilder für 1 Video im Kopf.

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Das Offensivmoment: Mochte die Strophe sehr, der Refrain hat lange nicht geklickt, bis aus dem D-Dur-Akkord dann ein Moll wurde. Hier (für mich) ganz viele Joy Division-Vibes. Schöner Rausschmeißer, zum Ende nochmal den Faden von Aus dem Off aufgenommen und dann abschließen. Finale. Ende.

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Von Veröffentlicht am: 14.07.2022Zuletzt bearbeitet: 14.07.20221361 WörterLesedauer 7,2 MinAnsichten: 1399Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , 0 Kommentare on TRACK-BY-TRACK: Pleil – Keine Zeit
Von |Veröffentlicht am: 14.07.2022|Zuletzt bearbeitet: 14.07.2022|1361 Wörter|Lesedauer 7,2 Min|Ansichten: 1399|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: , |0 Kommentare on TRACK-BY-TRACK: Pleil – Keine Zeit|

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Über den Autor: Mark Kowarsch

Mark Kowarsch, gebürtig aus Detmold, spielte in den ostwestfälischen Bands Speed Niggs, Sharon Stoned, Tagesschau, Kommando Schwarzer Freitag und Elektrosushi. Seit 2009 veröffentlicht er seine Musik unter dem Namen Tortuga Bar. Er arbeitete als Journalist für die Visions, Intro, Ox und diverse andere Fanzines, gründete mit Klaus Cornfield und Rocco Clein das Likely To Be Dropped DJ-Team, ist bei zahlreichen Veröffentlichungen als Gastmusiker dabei (u.a. The Notwist, Locust Fudge) und komponierte Musik für einige Kinofilme (Avantgarde, Sex, Dogz & Rock'n'Roll) und Hörspiele. Seit 2017 moderiert Mark die monatliche Radiosendung Antikörper auf ByteFM, produziert den RIOT RADIO Podcast und die YouTube-Stream-Tipps-Kolumne TV PARTY TONIGHT.

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