Wang Wen – Eight Horses

Wang Wen – Eight Horses

WANG WEN schnüren mit ausufernd langen Songs ein stringentes und kraftvolles Gesamtpaket.

Vö: o3.10.2014 Pelagic Records iTunes LP kaufen

Schon seit fünfzehn Jahren existiert WANG WEN, eine chinesische Band, die Instrumental-Musik spielt, welche sich – falls man eine Genre-Findung möchte – durchaus unter Post-Rock einsortieren lässt. Das aktuelle Album „Eight Horses“ wurde in einem eigens dafür gebauten Studio aufgenommen. Das Studio steht nicht irgendwo, sondern inmitten einer öffentlichen Bibliothek in der südchinesischen Provinz Dalian. Dieser Kultur-Clash war für die Band ein weiterer kreativer Schub. Auch nicht gerade langweiliger wird das Album durch vier verschiedene Post-Produzenten aus aller Welt mit dem Ziel, den Sound von WANG WEN noch mehr zu erweitern.

Eigentlich ist „Eight Horses“ bereits im Herbst 2014 erschienen. Unverständlicherweise hab ich die Besprechung damals unter den Tisch fallen lassen (was war da los? Unwetter? Währungsreform? Weltumseglung?) Keine Ahnung, aber die kommende Europa-Tournee von WANG WEN (Termine siehe weiter unten) bieten eine gute Gelegenheit, das Album nun vorzustellen.

Die begrüssenswerte experimentielle Haltung für „Eight Horses“ hat sich gelohnt: die Scheibe ist nicht nur intensiv, sondern auch wunderschön geworden. Postrock kann als geordnete Hand über dem Ganzen gesehen werden, es gibt allerdings reichlich Ausflüge in andere Bereiche: so ist beim ersten Track „Northern North“ zwar EXPLOSIONS IN THE SKY-Gitarrenmuik zu hören, aber auch eine psychedelische Seite wurde beigefügt, was erst mal nicht so ungewöhnlich ist, zudem mutiert das Lied nach knapp der Hälfte zu einem bizarren Hörspiel. Blechbläser sind ebenfalls auf „Eight Horses“ mit an Bord (gab und gibt es auch bei SIGUR RÒS, dennoch originell und zudem in eigenwilliger Form) gerade bei „Dalian“. Das klingt dann schon relativ out of order und wird noch seltsamer und durch die etwas worldmusic-DEAD CAN DANCE-klingenden Percussions, die einen ganz eigenen Flow erzeugen. Bei späteren Songs gibt es Jazz-Anleihen, Mariachi oder Metal zu hören. Neben der Experimentierfreude und der Furchtlosigkeit vor der Vermischung diverser Musikwelten ist zudem auch durchaus Humor rauszuhören. Das kommt sympathisch rüber und zeigt, dass die Band trotz Bezügen zu MOGWAI und anderen Koryphäen auf eigenwilligen Füssen steht. (MOGWAI sind ebenfalls humorvoll, fällt mir ein, man lese sich nur mal deren Songtitel durch…)

„Escape from mother universe“ überrascht mit ruhigen Klavierpassagen, „Eight layers of hell“ könnte mit seinen klagenden, düsteren Gitarren und den wogenartigen Dark-Synthies im Cinemascope-Format als Soundtrack für einen Dario-Argento-Film taugen (falls der Meister noch mal was Vernünftiges auf die Beine stellen sollte…) bevor es ruhig wird mit einer Geige im Mittelpunkt, hübsch in Moll und mit verhaltenen Gitarren düsterkuschelig umgarnt…

Mit Ausnahme von „Escape from Mother Universe“ ist wenig Gesang zu hören, was hie und da ein wenig kritisiert wurde. Aber auch ohne Gesang (oder Screamo, wie bei „Eight layers of hell“ – die Zahl Acht scheint für die Band wohl nicht unwichtig zu sein) funktioniert das Album hervorragend.

Die Songs dauern gar nicht so selten um die zehn Minuten (das Album mit acht Tracks demnach über siebzig Minuten) und so haben die Lieder genügend Zeit und Spielraum für eine dramaturgisch interessante Entwicklung: es gibt keine langweiligen Momente auf „Eight Horses“.

Als Anspieltipp möchte ich „Ten Thousand Buddhas“ nennen weil hier der Spagat zwischen Gitarrenkrach und Bläsern, zwischen laut und leise, zwischen an- und abschwellend besonders gut funktioniert und die ganz unterschiedlichen Klänge wunderbar ineinander verlaufen. Bei gespitzten Ohren sind die einzeln stehende Instrumente schon großartig, als Gesamtgefüge ergibt sich eine euphorische Klimax.

Auf dem virtuellen Beipackzettel ist zu lesen, WANG WEN könnte Leuten gefallen, die GODSPEED YOU! BLACK EMPEREOR mögen. „Ganz schön hoch gepokert“ war mein erster Gedanke, aber es ist nicht unpassend. WANG WEN können etwas, das GY!BE ebenfalls gelingt: mit ausufernd langen Songs ein stringentes und kraftvolles Gesamtpaket schnüren. WANG WEN haben mit „Eight Horses“ einen Monolithen in die (Post-)Rock-Landschaft gehievt, der knapp am Klassiker-Status entlang schrammt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Band auch in hiesigen Breitengraden bald bekannter wird – mit diesem Album und der kommenden Europa-Tour ist ein Schritt in diese Richtung getan.

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Von Veröffentlicht am: 10.04.2015Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018700 WörterLesedauer 3,5 MinAnsichten: 892Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 2 Kommentare on Wang Wen – Eight Horses
Von |Veröffentlicht am: 10.04.2015|Zuletzt bearbeitet: 02.12.2018|700 Wörter|Lesedauer 3,5 Min|Ansichten: 892|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |2 Kommentare on Wang Wen – Eight Horses|

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Über den Autor: Nico Kerpen

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2 Comments

  1. Anonymous 14.05.2015 at 03:24 - Reply

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  2. Marc Michael Mays 10.04.2015 at 18:06 - Reply

    Visitor Rating: 9 Stars

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