Tindersticks – No Treasure but Hope

Tindersticks – No Treasure but Hope

Über das letzte Tindersticks-Album The Waiting Room (2016) schrieb ein Rezensent im Pitchfork Review wortwörtlich: „Tindersticks have never released a bad album,” das ist vollkommen richtig aber für Stuart Staples und seine Mannen mit Blick auf zukünftigen Alben eine ziemliche Bürde.

Vö: 15.11.2019 City Slang LP kaufen
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Um es gleich vorweg zu nehmen, Stuart Staples ist ein Arbeitstier und hat mit dem neuen Album No Treasures but Hope nicht nur titelmäßig ziemlich tief gestapelt und natürlich wieder eine tolles und in sich geschlossenes, rundum stimmiges Album vorgelegt. Trotz der immer noch dominierenden Moll-Töne hat sich eine ganze Menge Helligkeit in die Songs geschlichen und die omnipräsenten Streicher klingen lange nicht so traurig wie sonst. Das Staples ein begnadeter Songwriter und Sänger ist, steht ohnehin außer Frage.

Mit den 10 Songs ist das Album (leider) nur etwas mehr als 46 Minuten lang, denn je länger die Scheibe läuft, umso tiefer hat man das Bedürfnis in die Kissen zu sinken und die Decke ans Kinn zu ziehen. Draußen pfeift der kalte Herbstwind um die Ecken und drinnen verbreiten die Tindersticks mit wunderbaren Songs eine unglaublich herzliche Wärme.

Der sehr klavierlastige Opener For the Beauty beginnt wie ein Soundtrack zu einem melancholischen Film und Stuart Staples findet genau den richtigen Ton, um den Song dann wieder auf das Niveau einer Ballade zu heben. Traurige Liebesbekundungen, die ein Verlassener alleine am Klavier vorträgt. Erst im letzten Dritten setzen die Streicher ein und tragen den Song ins Ziel.

Geradezu luftig-sprudelnd beginnt die ausgekoppelte Single The Amputees und erinnert dabei an Sean O’Hagans The High Llamas mit Rasseln, Vibraphon und Percussions, wäre da nicht Staples unverkennbare Stimme. Insgesamt besteht der Song aus kaum mehr als drei Zeilen, von denen einem nur „I miss you so bad“ im Gedächtnis bleibt, da es zum Ende hin gefühlt 200 Mal wiederholt wird.

Mit Trees Fall kommt dann erstmals eine typische und fast bekannte melancholische Tindersticks-Melodie zu Gehör, denn ganz kann Staples den Rückgriff auf Bewährtes auch bei neuen Projekten nicht lassen. Ein wunderbar ergreifender Song auf dem Weg der Selbstfindung. Genauso elegant und sicher kommt der Song Pinky in the Daylight daher, der so ergreifend und berührend ist, dass man fast zu Tränen gerührt ist. Ein schön zurückgenommener und im Walzertakt der Streicher dahinfließender Song. Wie Zuckerguss auf der Geburtstags-Torte. Eine sündige kalorienreiche Versuchung aber zur Veredelung der Torte unbedingt notwendig.  

Carousel ist dann wieder eine reine klassische Klavier-Ballade, tatsächlich bis auf das Grundgerüst des Songs reduziert. Keine Percussions, keine Streicher oder Gitarren. Einfach nur die rohe Sangeskunst der leisen Art mit Klavierbegleitung. Wer könnte das glaubhafter präsentieren als Stuart Staples.

Wunderbar beschwingt mit leichten Calypso-Rhythmen, wie der sanfte Wellengang am Strand einer kleinen Karibik-Insel, kommt der Gute-Nacht-Song Take Care In Your Dreams daher und schunkelt sich ohne Höhen und Tiefen über fast 4 Minuten. Der Text spielt keine Rolle, hier geht es nur um das Gefühl, in den Schlaf zu sinken.

Ausnahmsweise unrhythmisch und mit elektronischen Andeutungen überrascht der siebte Song auf dem Album, See my Girls, der im Vergleich zu den anderen Songs deutlich abfällt. Textlich und musikalisch passt da Einiges nicht wirklich zusammen. Da waren zwar gute Ideen aber an der Umsetzung und der Gesamtkomposition hapert es deutlich. Der schwächste Song auf dem Album.

Ein ganz anderes Bild zeigt der nächste Song The Old Mans Gait, der wieder eine schöne Geschichte erzählt und altbekannte getragene Hintergrundmusik zu bieten hat. Einige Textzeilen erscheinen wie die Präsentation eines Gedichts und passen sich problemlos in den Song ein. Bei Tough Love sind dann wieder offenere Rhythmen angesagt und das Lied wird dominiert von Schlagzeug und Percussions sowie einer schön gezupften Gitarre, die einen idealen Begleiter zu Staples Stimme abgibt. Der Song stolpert und bewegt sich langsam und getragen vorwärts, eine wunderbare Finderübung der Band.  

Zum Finale gibt es mit dem Titeltrack wieder eine langsame Klavier-Ballade, die einen versöhnlichen Abschluss des Albums bildet. Wäre da nicht der Ausrutscher mit dem Song See my Girls man wäre fast schon versucht dieses Album als das beste Album der Tindersticks herauszustellen. Und da zeigt sich wieder die ganze Untertreibung im Albumtitel, es sind viele Schätze und auch ganz viel Hoffnung auf noch mehr.

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Von Veröffentlicht am: 30.12.2019Zuletzt bearbeitet: 30.12.2019747 WörterLesedauer 3,7 MinAnsichten: 771Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: , 0 Kommentare on Tindersticks – No Treasure but Hope
Von |Veröffentlicht am: 30.12.2019|Zuletzt bearbeitet: 30.12.2019|747 Wörter|Lesedauer 3,7 Min|Ansichten: 771|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: , |0 Kommentare on Tindersticks – No Treasure but Hope|

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Über den Autor: Richard Kilian

"Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik" Wer mit Stephen King, Charles Bukowski, Andrew Vachss und Elmore Leonard sowie Marillion, Cigarettes after Sex, Motorpsycho, The Jayhawks, Sufjan Stevens, Rush und God is an Astronaut etwas anzufangen weiß, der ist bei mir richtig.

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