Robert Vincent – In This Town You’re Owned

Robert Vincent – In This Town You’re Owned

Auf seinem gerade erschienenen dritten Album In This Town You’re Owned präsentiert der in Liverpool lebende britische Americana- und Country-Singer-Songwriter Robert Vincent eine wunderbar abgestimmte und harmonische Mischung aus Sozialkritik und herzzerreißendem Liebes-Pathos.

Wer glaubt Americana und Country würden nur funktionieren, wenn Hank Williams aus Alabama oder Willie Nelson aus Texas ihre Geschichten erzählen, der kennt Robert Vincent nicht und hat damit bereits zwei anspruchsvolle Veröffentlichungen (Life In Easy Steps aus 2012 und I’ll Make the Most Of My Sins aus 2017) verpasst. Es ist an der Zeit sich mit der Kunst des Komponierens von Songs mit dem Gefühl und Geschmack von Wüste, Western und Weite zu befassen, wenn man weiß, dass der vortragende Künstler in Crosby, einem Vorort von Liverpool, geboren und aufgewachsen ist.

Was die Songs von Robert Vincent so besonders macht ist die rohe und direkte Authentizität.

Vom ersten Ton oder Wort an glaubt man dem Künstler den tiefen Schmerz oder die grenzenlose Wut, die aus der Lyrik herausquellen. Wenn man dann noch einen Produzenten wie Ethan Johns (Paul McCartney, Kings Of Leon, Laura Marling etc.) an den Reglern sitzen hat, dann kann nur ein richtig gutes Album entstehen.

Der schwermütige Opener This Town beginnt wie eine getragene Country-Ballade mit sehr schönen Violine-und Klavier-Einsätzen, verpasst den HörerInnen aber schon nach wenigen Zeilen mit dem Hinweis „In this town you die“ den ersten Schlag in die Magengegend. Wenn dann aber im letzten Drittel neben dem Gesang der Chor die Stimmung dominiert ist es wie eine Erhebung zum Himmel.

Mit My Neighbours Ghost übernimmt der Rockabilly das Ruder. Das irritiert zunächst nach dem getragenen Beginn des Albums aber spätestens nach dem zweiten Refrain wippt man mit dem Fuß und singt beschwingt mit. Wie ein klassischer Crooner präsentiert sich Robert Vincent bei The Kids Don’t Dig God Anymore einer sehr anspruchsvollen Parabel über Spiritualität im Alltag und die schwindende Rolle und Wichtigkeit des Glaubens für unser Leben. Ein ausgesprochen schwieriges Thema für eine Wohlfühl-Platte aber der Spagat gelingt ganz hervorragend.

Mit Mexicana- und Calypso-Rhythmen kommt die Ballade The Ending daher aber die beschwingten Melodien können nur wenig die ehrlich-brutale Lyrik zügeln, die vom tiefen Schmerz über den Verlust einer wahren Liebe erzählt. Ein wunderbar trauriges Stück Lebensweisheit. Ganz klar und strukturiert und ein gelungener Ausflug in den Country- und Soft-Rock mit einem Anflug von Allman Brothers kommt der etwas planlos wirkende Track Conundrum daher und wird zum Ende hin durch eine paar schön eingespielte E-Gitarren nochmal veredelt.  

Eine Seelenreinigung und gleichzeitig ein Blick in tief verborgene Ängste und Erinnerungen bringt Husk of a Soul, dessen schonungslose Lyrik schmerzhaft berührend von den „years of abuse“ spricht. So klingt heute ein Song, der Meinung machen und aufwühlen will. Ganz großes Kino und Robert Vincent gibt dem Gefühl von Hilflosigkeit und dem Aufbegehren dagegen die richtige Stimme.

Die minimalistischen Klavierballade I Was Hurt Today But I’ Alright Now ist ein weiterer Beweis, wie gut und gezielt Robert Vincent seine Stimme als Instrument einsetzt. Auch die Pausen und die ausgelassenen Töne sind Bestandteil eines gut arrangierten Songs. Zum Ende hin schließt man bewusst die Augen und lässt den Song dahinfließen.

Das endzeithafte 9-Minuten-Stück The End Of The War handelt von der Apathie des Krieges und der traurigen Stunde Null, bei der man den Silberstreif am Horizont vergebens sucht. Lyrisch sicherlich sehr anspruchsvoll und herausfordernd aber auch anstrengend für die HörerInnen. Dafür braucht man ganz viel Geduld und Durchhaltevermögen, wird aber gegen Ende des Songs dann doch von versöhnlicheren Banjo- und Klaviertönen entschädigt.

Mit dem Track If you were you kehrt Robert Vincent wieder zu Americana und Country zurück, was den HörerInnen nach der schweren Kost zuvor richtig gut tut. Ein kleiner Lichtblick, der sich mit der Schwere des Zusammenlebens beschäftigt und auch ein schönes Gitarren-Soli zu bieten hat.

Der letzte Track auf dem Album ist Cuckoo ein schöner getragener Südstaaten-Gospel, der von der Vergebung erzählt und als Ausklang des Albums richtig gesetzt ist. Da wird von Robert Vincent genau die Wehmut verbreitet, die dazu führt, dass man zwangsläufig auf Repeat drückt, um das sehr gut gelungene Album nochmal zu hören.

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Von Veröffentlicht am: 23.04.2020Zuletzt bearbeitet: 24.12.2020727 WörterLesedauer 3,6 MinAnsichten: 752Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Robert Vincent – In This Town You’re Owned
Von |Veröffentlicht am: 23.04.2020|Zuletzt bearbeitet: 24.12.2020|727 Wörter|Lesedauer 3,6 Min|Ansichten: 752|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on Robert Vincent – In This Town You’re Owned|

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Über den Autor: Richard Kilian

"Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik" Wer mit Stephen King, Charles Bukowski, Andrew Vachss und Elmore Leonard sowie Marillion, Cigarettes after Sex, Motorpsycho, The Jayhawks, Sufjan Stevens, Rush und God is an Astronaut etwas anzufangen weiß, der ist bei mir richtig.

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