rha. – leben.lassen
leben.lassen – in dem Titel des zweiten Albums der norddeutschen Post-Hardcore Band rha. überlagern sich der Appell an menschliche Werte mit seiner Antithese. Eine Rhetorik, die sich auch durch die vier Songs des mit zwischenmenschlichen Spannungen geladenen Albums schleppt.
Vö: 10.03.2019 Moment Of Collapse Records LP kaufenJemanden oder etwas leben lassen – Empathie zeigen, Gnade, die Macht über das Gegenüber nicht ausnutzen. Oder aber: (Das) Leben lassen – sich isolieren, resignieren, erstarren in passiver Betrachtung. Die Stimme, die sich gegen die peitschenden Gitarren auf leben.lassen aufbäumt, atemlos über bebende Doublebass Flächen hetzt, scheint hin und hergerissen zwischen diesen Haltungen.
„Es lodert die Glut / Es droht schon bald zu brennen“
Ein entzündetes Streichholz, behutsam abgeschirmt durch eine gewölbte Hand – Das Cover-Motiv von leben.lassen spiegelt sich im schwelenden Opener Inferno. Ein dröhnender Bass teilt die Schwaden von diffusem Gitarrenhall, schlägt den Weg frei für rasendes Hardcore-Gepeitsche, das die verzweifelt schreiende Stimme zu ersticken droht, bis sie schließlich allein in der Leere schwebt, beschwörend in die Finsternis spricht:
„In unserer Mitte / Wächst der braune Schlamm / Und droht das zu ersticken / Was seit Jahren gewachsen ist“
Das Streichholz auf leben.lassen – symbolisiert es einen glimmenden Hoffnungsschimmer oder das verhängnisvolle Entzünden schwelender Konflikte in Zeiten riskantester gesellschaftlicher Entwicklungen? Diese Frage bleibt unbeantwortet, im Gegenteil. leben.lassen stellt stattdessen die Frage: Wie viel Brandstifter steckt in jedem von uns?
„Doch wer bin ich? / Kann ich mein Sein noch verändern? / Dilemma / Ich bin auch nicht besser als der Rest“
rha. beweisen Mut in zweierlei Hinsicht. Zum einen entwickeln sie sich auch nach zehn Jahren Bandgeschichte stetig musikalisch weiter, verließen beispielsweise schon auf ihrem ersten Album refugium. die ausgetretenen Pfade der konventionellen Tracklist. Zum anderen weichen sie ab von den Genre-obligatorischen Bekenntnissen zu Werten und Einstellungen, die jeder Mensch, der ihre Konzerte besucht (oder diesen Text ließt) verinnerlicht haben sollte. Stattdessen wagen sie einen Blick auf das Außerhalb der subkulturellen Komfortzone: Auf Situationen, in denen es nicht einfach ist, das Richtige zu sagen oder zu tun, auf Momente lähmender Unsicherheit. rha. zelebrieren den Zweifel und die Angst, verdichten sie in Tradition von Amenra zu einem düsteren Ritual. Denn nicht nur die Betrachtung eines glimmenden Streichholzes spendet Trost und Kraft. Sondern auch das gemeinsame Bekenntnis unserer Verwundbarkeit.
„Wir stehen hier zu zweit / Und bleiben allein.“
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