Rammstein – Rammstein

Rammstein – Rammstein

Exakt 3500 Tage ist es her, dass Liebe ist für alle da von Rammstein erschien.

Vö: 17.05.2019 Rammstein (Universal) LP kaufen

Licht aus, Streichholz an. 11 neue Songs von Rammstein, vorher zwei Videos, die im Feuilletonistentum bereits für Schnappatmung und die üblichen (kalkulierten) Kommentare sorgten. So provokant, so bekannt.

Bei den Feuerfreunden ist es ähnlich wie bei AC/DC: Bloß nicht zu viel Experiment.

Im Vorfeld hieß es, das neue Album sei das melodiöseste geworden, das die Band je gemacht hat. Na, halleluja. 

Deutschland und Radio waren neben einigen Riff-Teasern die ersten Lebenszeichen diesen Frühling. Etwas mehr Kraftwerk, etwas weniger Riff-Dampfmaschine. Inhaltlich setzt man sich mit der eigenen Herkunft und Geschichte auseinander, bisher ballert es nicht ansatzweise so wie bei Liebe ist für alle da. Aber, ob bewusst oder nicht, es ist nur konsequent, das Roboterhafte im Rammstein-Universum deutlicher zu unterstreichen. Maschinenmusik bleibt Maschinenmusik. 

Zeig dich versucht ein Zwitter zu sein, zwischen Rammstein-Riff und Indie. Das funktioniert erstaunlich gut. Textlich eine herrlich böse Kritik an Kirche und Religion, die Lindemann-typisch zwar einerseits starke Bilder schafft, anderseits einem nicht sofort serviert, worum es geht. 

Ausländer stolpert ganz schön. Das ist Gentleman of the year in Metalkirmestechno. Hier soll irgendwas kritisiert und persifliert werden, musikalisch und inhaltlich. Was genau, scheint die Band aber auch nicht zu wissen. Irgendwie wie Partymusik, irgendwie „ich bin kein Mann für eine Nacht, ich bleibe höchstens ein paar Stunden“. Wie meinen?

Sex ist das erste echte Highlight der Platte. Klar, „Besser liederlich als widerlich“ ist schon ganz schön Tagebuchpoesie, aber Lindemann ist nicht von Lowtzow. Alles an dem Song ist böse, bretternd, galoppierend. Ein Riff, eine Idee, nicht viel Nachdenken. Gut so. „Wir leben nur einmal, wir lieben das Leben“ ist dann schon wieder sehr Motivationsposter, aber da steckt sicher ein tiefer Sinn drin. Sicher. 

Highlight Nummer zwei: Puppe.

Endlich, endlich kommt der stimmlich oft so unterdrückte Wahnsinn von Till Lindemann zum Vorschein.

Wie großartig er schreit und kreischt, man wünscht sich noch 10 Songs der Sorte. Nicht gefallen, nicht in alten Gleisen, Puppe ist der Song, der zeigt, wo es hätte hingehen können. 

Was ich liebe zeigt den zweiten Moment, wo das Melodieexperiment gelingt. Wo Rammstein weg vom Ballern, hin zum Songwriting mit großem Drama und großen Melodien schwenken. Lindemann wirkt zwar auf den großen Refrain-Akkorden etwas ratlos, was er mit all der Harmonie anfangen soll, grrrrollt an Stellen, wo es große Melodiebögen eher getan hätten. Aber die Pyro-AC/DCs trauen sich was. 

Über Diamant und Weit weg lässt sich nicht viel sagen. Ziemlich belanglos. Bisschen Ballade, bisschen Melodie, der Rammsteintiger wird zum Schmusekätzchen. Wenn Melodie, dann bitte mehr Oper, mehr Iron Maiden.

Tattoo und Hallomann ziehen den Karren dann noch aus dem Graben. Beides sind Songs der alten Machart, Herzeleid lässt grüßen. Das funktioniert, das kracht, ballert und reißt mit. 

Das Streichholz ist sinnbildlich. Kleines Feuer, schnell aus. Da wo es brennt, brennt das Album. Da wo es versucht, glimmt es. 

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Von Veröffentlicht am: 16.05.2019Zuletzt bearbeitet: 25.02.2020518 WörterLesedauer 2,6 MinAnsichten: 767Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on Rammstein – Rammstein
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Über den Autor: Julian Schmauch

Dozent für Musikproduktion an der Deutschen Pop und der EMS in Berlin. Autor bei BackstagePro, Bonedo und Reverb. Spielt bei Chaos Commute. Remixer, Songwriter und Sounddesigner.

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