KRITIK: Philipp Rumsch Ensemble – μ: Of Anxiety X Discernment

KRITIK: Philipp Rumsch Ensemble – μ: Of Anxiety X Discernment

Was das Philipp Rumsch Ensemble hier fabriziert hat, lässt sich überhaupt nicht (oder nur sehr, sehr schlecht) beschreiben.

Es gibt ja viele Menschen, die brauchen Strukturen im Leben. Sie brauchen Anhaltspunkte oder einen Horizont, feste Regeln an denen sie sich festhalten können, Routine, Wiederholung und gewohnte Rituale. Das schlägt sich dann möglicherweise auch im Musikgeschmack wieder. Diese Menschen brauchen diese typischen Strophe, Bridge, Refrain Strukturen und einen möglichst straighten Beat in einem Song. Eingängig sollte der Song sein und einen Refrain besitzen, der sich als Ohrwurm in die Hirnrinde fräst und dort tagelang verweilt. Solltest Du Dich darin Wiedererkennen können, bitte ich Dich, diesen Artikel einfach zu schließen und eine andere Plattenkritik auf prettyinnoise.de zu lesen. Denn dieses Album hier ist nichts von alledem. Du solltest dieses Album besser nicht hören, weil es Dich vermutlich in den Wahnsinn treiben wird – und das möchte ich nicht.

Was das Philipp Rumsch Ensemble hier fabriziert hat, lässt sich überhaupt nicht (oder nur sehr, sehr schlecht) beschreiben. Ich bin mir auch nicht sicher, was ich davon halten soll – irgendwie passiert hier so viel in kürzester Zeit. Gleichzeitig gibt es aber Stellen, an denen Raum und Zeit geschickt in die Länge gezogen werden ohne auch nur ansatzweise langweilig zu werden. Irgendwie fühle ich mich von dem Album verfolgt. Es lässt mich nicht los. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich dieses Werk auf magische Art und Weise in einen tiefen Sog zieht. Dieser Sog geht aber nicht nach unten in die Tiefen des Meeres, sondern er zieht mich nach oben, in Sphären die ich so nicht kannte.

Irgendwie ist das Avantgarde, so spröde und komplex. Irgendwie ist das Pop (Der Song D4 erinnert in seiner Schönheit an den großen Bon Iver). Irgendwie ist das Jazz. Irgendwie ist das Klassik. Irgendwie ist das nicht greifbar und trotzdem packend.

Ich fühle mich wie ein Forscher, der auf der Suche nach Konzept und Struktur nahezu verzweifelt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir der Künstler etwas mitteilen möchte und ich die Nachricht nicht dekodieren kann. Irgendwie spüre ich die Magie, die in diesen Kompositionen steckt obwohl ich nicht an Zauberei glaube. Irgendwie….ja warum eigentlich irgendwie? Was ist das überhaupt für ein schreckliches Wort? Irgendwie. Das Wort ist nicht greifbar – irgendwie. Irgendwie ist das Electronic. Irgendwie ist das Post-Rock.

Der Schlussteil von D3 bringt mich fast zum weinen, ohne das dieser Song auch nur im entferntesten traurig oder depressiv klingt.

Grundsätzlich ist das hier ein Instrumentalalbum mit vereinzelten Vocal-Fragmenten an den richtigen Stellen. Diese Mischung aus klassischen Instrumenten, Synthesizer, Gitarren und etlichen anderen Klangerzeugern haben schon andere Bands erfolgreich zusammengefügt, es gelang aber nur selten, so eine unglaublich beklemmende und gleichzeitig schöne Soundlandschaft zu entwerfen. Im Song A5 hört man nur eine Sängerin mit schönen Vocal-Effekten und kein weiteres Instrument. Reduktion in Perfektion. Dieser Song ist für mich das eindrucksvollste Stück des Albums. Irgendwie möchte ich auch, dass das Album nach 54 Minuten nicht aufhört. Es darf einfach nicht aufhören!

So viel geballte Schönheit und Komplexität, gepaart mit einer sonderbaren Ausstrahlung habe ich selten gehört.

Dieses Werk wächst mit jedem Hördurchgang – irgendwie beängstigend. Wer ein Album zum Entdecken sucht, ist hier genau an der richtigen Stelle. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass das hier ein absolutes Meisterwerk ist. Leider habe ich jetzt das Gefühl, mit dieser Kritik alles und gar nichts zu sagen. Irgendwie habe ich das Wort „Irgendwie“ zu oft benutzt. Ist es vielleicht sinnbildlich für dieses Werk? Forsche doch einfach selbst.

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Von Veröffentlicht am: 24.04.2020Zuletzt bearbeitet: 16.03.2022625 WörterLesedauer 3,1 MinAnsichten: 821Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 1 Kommentar on KRITIK: Philipp Rumsch Ensemble – μ: Of Anxiety X Discernment
Von |Veröffentlicht am: 24.04.2020|Zuletzt bearbeitet: 16.03.2022|625 Wörter|Lesedauer 3,1 Min|Ansichten: 821|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |1 Kommentar on KRITIK: Philipp Rumsch Ensemble – μ: Of Anxiety X Discernment|

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Über den Autor: Jan Platek

Geboren 1976 Vater, Vinyl-Sammler und Musiker

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One Comment

  1. […] sich Rumsch der dritten Veröffentlichung bei seinem Label Denovali. Der rote Faden auf dem Album μ: of anxiety x discernment ist das Thema „Angst“. Philipp Rumsch entwirft hier ein mehrdimensionales Bild dieses komplexen […]

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