KRITIK: The Mountain Goats – Dark in Here

KRITIK: The Mountain Goats – Dark in Here

The Mountain Goats sind zurück und das schneller und wieder ein Stück gereifter.

Diese Band, die eigentlich ein Solo-Projekt des Multiinstrumentalisten und Lyrikers John Darnielle ist, entwickelt sich ständig weiter und bringt mit jedem Album unerwartete neue Facetten zum Vorschein auch wenn beim ersten Hören alles so wie immer klingen mag.

Das gab es wohl noch nie in der jüngeren – und sicher auch älteren – Musik-Historie, dass eine Band 3 Alben innerhalb etwas mehr als eines Monats einspielt und diese dann im Laufe eines Jahres nach und nach veröffentlicht.

The Mountain Goats um Mastermind und Sänger John Darnielle hatten einen höchst kreativen zweiwöchigen Aufenthalt in Tennessee und Alabama hinter sich, bevor der Lockdown alle Bandaktivitäten stoppte und Darnielle kurzerhand in der ersten Aprilwoche in reiner Eigenarbeit daheim binnen weniger Tage sein raues Lockdown-Album Songs For Pierre Chauvin einspielte.

Davor hatte die Band in der ersten Märzwoche 2020 im sagenumwobenen Sam Phillips Recording Studio von Memphis das im Oktober erschienenen Album Getting Into Knives aufgenommen. Dann folgte – was erst jetzt öffentlich gemacht wurde – in der zweiten Märzwoche in den FAME Studios in Muscle Shoals, wo einst Aretha Franklin oder Wilson Pickett einige ihrer größten Hits aufnahmen, dass nun veröffentlichte Album Dark in Here. Mehr an Produktivität in so kurzer Zeit geht kaum.

Tatsächlich ist das Album Dark in Here eine direkte Fortsetzung dessen, was es beim wunderbaren 2019er Konzept-Album In League with Dragons und auch beim 2020er Album Getting Into Knives zu hören gab.

Schöne klare Arrangements mit lyrisch anspruchs- und sehnsuchtsvollen Gesangsparts. Immer wieder tolle Texte, die Darnielle, der inzwischen auch zwei Bücher veröffentlicht hat, daher zaubert und dann die unglaublichen Tempowechsel, die das Gefühl des universellen Verständnisses von Glück sehr gut beschreiben. Einige der Songs sind bewusst an traditionelle Sagen und Melodien angelehnt, die jeder schon mal gehört hat.

Bei Dark in Here ist die Grundstimmung etwas dunkler als in Vorgänger-Album aber immer noch locker und ausgelassen.

Der schottisch angehauchte Opener Parisian Enclave und der folgende Song The Destruction Of The Kola Superdeep Borehole Tower sind zwei dieser Songs, die ein flottes Traditional-Motto in sich transportieren und sehr gute Bühnentracks sind.

Die vorab veröffentlichte melancholische sehr gute Single Mobil ist dann das erste Highlight des Albums, auch wenn es einer dieser typischen The Mountain Goats-Songs, den man sofort als solchen erkennt, ist. Eine direkt eingängige Melodie und die einschmeichelnde Stimme Darnielles sind unverkennbar. Auch den Titeltrack Dark in Here kann man leicht The Mountain Goats zuordnen ohne sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen.

Die erste kleine Überraschung bietet das sehr verjazzte Lizard Suit, dass ein tolles Arrangement und schöne Chorgesänge bietet. Eine schöne Fingerübung, die gut passt und zum Ende des Songs in eine Jam-Session mündet. Auch der Song When a Powerful Animal Comes hat noch den Jazz-Touch und die bläsersatzmäßig eingesetzten Chorgesänge geben dem Track eine erhabene Grundstimmung.

Das zweite richtige Highlight des Albums ist Track 7, der Song To The Headless Horseman, in dem John Darnielles Singstimme einen Hauch dunkler klingt als sonst, was dem Song ein ganz anderes Gefühl verleiht und die HörerInnen direkt fesselt. Die wunderbare Melodie tut ihr Übriges, um den Song hervorzuheben.

The New Hydra Collection ist ein guter Albumsong, der mit seiner Dynamik überzeugt aber nicht auffällt, während der Track The Slow Parts on Death Metal Albums allein schon im Wortwitz des Titels einen Pluspunkt hat. Ein fast durchgehend entspannter und angenehmer Song, der auch mit schönen Chorgesangsparts und toller Lyric glänzt. Der Track wird tatsächlich mit jedem Hören interessanter. Des Session-Finales hätte es aber nicht bedurft.  

Das dritte Highlight des Albums ist der Track Before I Got There, dass langsam und stetig das Finale des Albums ankündigt. Der getragene Piano-Song überzeugt wieder einmal durch schöne Lyrics und das Gefühl der nicht gestillten Sehnsucht. Als dann das Cello einsetzt weiß man, dass auch dieser The Mountain Goats- Song etwas Besonderes ist.

Ganz anders aber nicht weniger schön ist der vorletzte Album-Track Arguing with the Ghost of Peter Laughner about his Coney Island Baby Review. Allein sich einen solchen Songtitel einfallen zu lassen zeigt, wie John Darnielle tickt. Das kann man mögen oder nicht, unbestritten ist aber sicher sein wunderbares Songwriting und die musikalische Qualität, die sich auch hinter diesem Titel verbirgt.  

Zum Finale gibt es das nächste Highlight, den Song Let Me Bathe in Demonic Light, der so beschwingt und lässig daherkommt, dass man sich tatsächlich fragen muss, wie so ein toller Song nicht in alles Radiostationen laufen kann. Die Antwort ist dann wieder so einfach und traurig, dass es schmerzt, aber hochwertige Musik, die allein den Zweck hat, Gefühle zu transportieren und glücklich zu machen, passt nicht zu dem durchgehend kommerzialisierten Zeitgeist, den man nahezu überall zu hören bekommt.

Das ist es auch, was The Mountain Goats so außergewöhnlich macht. Einfache Songs mit einem guten Lebensgefühl und intime Songs, die zu Herzen gehen. Das sollte man mögen, wenn einem wirklich gute Musik am Herzen liegt.

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Von Veröffentlicht am: 25.06.2021Zuletzt bearbeitet: 25.06.2021876 WörterLesedauer 4,4 MinAnsichten: 824Kategorien: Alben, KritikenSchlagwörter: 0 Kommentare on KRITIK: The Mountain Goats – Dark in Here
Von |Veröffentlicht am: 25.06.2021|Zuletzt bearbeitet: 25.06.2021|876 Wörter|Lesedauer 4,4 Min|Ansichten: 824|Kategorien: Alben, Kritiken|Schlagwörter: |0 Kommentare on KRITIK: The Mountain Goats – Dark in Here|

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Über den Autor: Richard Kilian

"Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik" Wer mit Stephen King, Charles Bukowski, Andrew Vachss und Elmore Leonard sowie Marillion, Cigarettes after Sex, Motorpsycho, The Jayhawks, Sufjan Stevens, Rush und God is an Astronaut etwas anzufangen weiß, der ist bei mir richtig.

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